Mittwoch, 3. März 2004

2: Pressemitteilungen

ULD zum Lausch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Wird der Grundrechtsabbau - im Namen der Sicherheit - wirklich gebremst?

Der stellv. Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein, Dr. Thilo Weichert, hat die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum großen Lauschangriff mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen:

Sehr zu begrüßen sind die allgemeinen Ausführungen des Gerichts zum Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und zu einem unantastbaren Kernbereich dieses Grundrechtes. Es bestehen jedoch Zweifel, ob die vom Bundesverfassungsgericht definierten Schranken beim technischen Lauschen in Wohnungen in der Praxis beachtet werden können bzw. beachtet werden. 
Das Gericht fordert, dass laufende Lauschaktionen beendet werden müssen, wenn engste familiäre Vertraute oder der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen sind. Es entspricht nicht den Erfahrungen der Praxis, dass im Rahmen einer geheimen Überwachung eine laufende Rechtmäßigkeitskontrolle stattfindet, die u.U. zum Abbruch der Maßnahme oder zur umgehenden Sperrung bzw. Löschung der erlangten Informationen führt. Es dürfte eine Überforderung der überwachenden Beamten darstellen, dass sie das Erlauschte nicht nur dauernd darauf hin überprüfen, ob sich neue Ermittlungserkenntnisse ergeben, sondern auch, ob damit die Grundrechte der Belauschten nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Insofern ist dem Minderheitsvotum zuzustimmen, das eine klare und praktikable Grenze zwischen Grundrechtseingriff und Menschenwürde zu ziehen versucht.

Zu begrüßen ist, dass der umfangreiche Katalog der Lauschstraftaten eingegrenzt wurde. Ob die vom Gericht genannte abstrakte Grenze (Höchststrafe höher als 5 Jahre) genügt, um eine unverhältnismäßige Ausweitung der Lauschpraxis zu unterbinden, ist jedoch sehr zweifelhaft.

Positiv zu bewerten ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht für den räumlichen Schutz privater Lebensgestaltung das politische Motto "Im Zweifel für die Sicherheit" umgekehrt hat: "Im Zweifel für die Privatsphäre". Die Entscheidung muss nun gewissenhaft daraufhin überprüft werden, welche Schlussfolgerungen sich hieraus auch für andere verdeckte Ermittlungsmethoden ergeben. Es steht zu befürchten, dass das im bürgerrechtlichen Sinne wohlwollende aktuelle Urteil des 
Bundesverfassungsgerichtes die Begehrlichkeiten vieler Sicherheitspolitiker nur wenig bremsen wird.

Umso höher muss der früheren Justizministerin und Mitklägerin Leutheusser-Schnarrenberger Dank und Respekt gezollt werden für ihren engagierten Einsatz bei der Verteidigung rechtsstaatlicher Standards unseres Grundgesetzes gegen die populistischen Forderungen nach mehr polizeilichen Eingriffsbefugnissen.