Mittwoch, 25. Juni 2003

2: Pressemitteilungen

Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerden gegen den Großen Lauschangriff

Am 1. Juli 2003 findet beim Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung zu den Verfassungsbeschwerden gegen den so genannten Großen Lauschangriff statt. Beim Großen Lauschangriff kann die Polizei Gespräche in Privatwohnungen mit Hilfe von Wanzen abhören. In einer Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerden kommt das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein gemeinsam mit mehreren anderen Datenschutzbeauftragten zu dem Ergebnis, dass die Regelungen zum Großen Lauschangriff verfassungswidrig sind. Dies folge aus einer ganzen Reihe von Erwägungen. So liege sowohl ein Verstoß gegen die Menschenwürde als auch gegen den Kerngehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung vor. Die Belauschung von Gesprächen selbst aus der Intimsphäre von Eheleuten verstoße außerdem gegen den grundrechtlichen Schutz der Ehe.

Auch die Ausgestaltung des Großen Lauschangriffs auf gesetzlicher Ebene sei in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig. Die Erforderlichkeit für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sei nicht durch eine objektive Rechtstatsachenanalyse belegt. Einer solchen Analyse hätte es umso mehr bedurft, als erst kurz zuvor in den Jahren 1992 und 1994 umfangreiche Gesetzesverschärfungen mit dieser Zielsetzung eingeführt worden sind, deren Effizienz niemand überprüft habe. Der Straftatenkatalog für die Durchführung von Großen Lauschangriffen gehe weit über die Organisierte Kriminalität hinaus. Der Schutz der strafprozessualen Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte sei völlig unzureichend. Die permanente Verlängerung von Großen Lauschangriffen sei ohne große Hürde möglich. Die Betroffenen würden auch im Nachhinein nur unzureichend, in vielen Fällen gar nicht unterrichtet. Die Zweckbindung der Daten sei lückenhaft. Der erste Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Großen Lauschangriff belege eindrucksvoll, dass das Instrument bislang überwiegend zur Bekämpfung von Betäubungsmittel- und Tötungsdelikten eingesetzt worden ist. Der Bezug zur Organisierten Kriminalität konnte nicht hergestellt werden. In 58% der Fälle hat das Abhören überhaupt keine Erkenntnisse für das jeweilige Ermittlungsverfahren erbracht. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass der Große Lauschangriff nicht wirklich erforderlich sei und bislang auch nur mäßige Erfolge gebracht habe. Dies rechtfertige nicht die Aushöhlung fundamentaler Grundrechte, von der letztendlich jeder in Deutschland betroffen sein kann.