Freitag, 16. Oktober 2015

2: Pressemitteilungen

Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen - Bedenken sind keineswegs ausgeräumt

Zu dem heute vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur „Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“, mit dem die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten wieder eingeführt wird, erklärt die Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein, Marit Hansen:

„Auch mit dieser gesetzlichen Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung wird massiv in die Grundrechte eingegriffen: Betroffen ist jede Nutzerin und jeder Nutzer von Telekommunikationsdiensten, ganz unabhängig davon, ob es einen Anlass dafür gibt. Nicht einmal die Kommunikation in besonderen Vertrauensbeziehungen sind von der Speicherung ausgenommen, beispielsweise das Telefongespräch mit der Ärztin oder das Fax vom Rechtsanwalt. Zwar sollen die Inhalte nicht gespeichert werden. Doch die gespeicherten Verkehrsdaten – zehn Wochen für Internet- und Telefonnutzungsdaten und vier Wochen für Standortdaten –  sind oft ebenso aufschlussreich wie die Inhalte. Denn aus ihnen lässt sich ablesen, mit welchen Personen die Betroffenen wie oft kommunizieren und wann sie sich an welchen Orten aufhalten. Daraus lassen sich das soziale Beziehungsgeflecht einer Person und ihr Bewegungsprofil ableiten. Auch Rückschlüsse auf Inhalte sind häufig anhand der Kenntnis über Gesprächspartner möglich. Hinzu kommt, dass – anscheinend aus technischen Gründen – doch in einem Fall Inhalte gespeichert werden: bei den versandten SMS-Nachrichten.

Aus gutem Grund haben das Bundesverfassungsgericht und der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Speicherung nur unter engen Voraussetzungen und mit strengen Anforderungen an die Datensicherheit vorgesehen. Diese Bedingungen erfüllt das beschlossene Gesetz nicht: Es fehlt nach wie vor eine valide Begründung dafür, dass die massenhafte anlasslose Speicherung zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung erforderlich ist. Besonders bedauerlich ist, dass weniger eingriffsintensive Maßnahmen, wie etwa das Einfrieren von Verkehrsdaten im tatsächlichen Bedarfsfall (so genanntes „Quick Freeze“), gar nicht geprüft wurden. Auch die Vorgabe des EuGH, hinsichtlich der Datenarten, der Speicherfristen und der Verwendungszwecke zu differenzieren, ist nicht ausreichend umgesetzt. Zudem halte ich den Schutz der Kommunikation mit Berufsgeheimnisträgern (z. B. Ärzten, Rechtsanwälten oder Journalisten) für ungenügend.

Die Gerichte haben darüber hinaus besonders hohe Schutzmaßnahmen gefordert, um die Zweckbindung der Vorratsdaten sicherzustellen. Das Gesetz legt dafür allerdings nur den groben Rahmen fest. Für die nähere Ausgestaltung soll ein Anforderungskatalog erarbeitet werden. Gegenwärtig ist also fraglich, ob die Grundvoraussetzung der Sicherheit für diese besonders sensiblen Datensammlungen tatsächlich gewährleistet werden kann.“

 

Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an:

Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein
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