23. Tätigkeitsbericht (2001)



4.3

Justizverwaltung

4.3.1

Strafverfahrensänderungsgesetz verabschiedet

Mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz (StVÄG) sind endlich seit langem geforderte bereichsspezifische Datenschutzregelungen in der Strafprozessordnung in Kraft getreten. Leider sind sie allzu pauschal ausgefallen. Das Gesetz erweitert die Datenverarbeitungsbefugnisse statt sie im Interesse des Grundrechtsschutzes einzuschränken.

Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf des StVÄG 1999 basierte auf dem von den Parteien vereinbarten so genannten "Flughafenkompromiss", mit dem den immer wieder gescheiterten Versuchen zur Schaffung von Datenschutzregelungen in der StPO endlich zum Durchbruch verholfen werden sollte. Bedauerlicherweise gelang es einigen Ländern, über den Bundesrat und das Vermittlungsverfahren eine Reihe von datenschutzrechtlichen Verschlechterungen gegenüber dem Entwurf durchzusetzen.

Die Strafprozessordnung weist nun im Wesentlichen folgende datenschutzrechtlich bedeutsame Neuregelungen auf:

  • Internet-Fahndungen oder wiederholte Öffentlichkeitsfahndungen in Presse und Fernsehen müssen richterlich bestätigt werden.

  • Längerfristige Observationen sind nur bei "erheblichen" Taten und wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht zulässig und müssen richterlich angeordnet werden. Die Polizei darf ohne staatsanwaltschaftliche Anordnung nur bis zu drei Tagen observieren.

  • Die Einsichtsrechte in Strafverfahrensakten für Justizbehörden, andere öffentliche Stellen sowie für Private sind nun ausdrücklich gesetzlich geregelt. Privatpersonen erhalten allerdings bereits Einsicht, wenn sie ein "berechtigtes Interesse" darlegen. Die Datenschutzbeauftragten hatten gefordert, diese sensiblen Daten nur bei Vorliegen eines "rechtlichen Interesses" zu öffnen, weil Daten über strafbare Handlungen zu den besonders sensiblen Datenkategorien im Sinne der EG-Datenschutzrichtlinie zählen.

  • Strafverfahrensdaten können immer dann für die Gefahrenabwehr verwendet werden, wenn nicht besondere Verwendungsregelungen dem entgegenstehen. Die neuen Regelungen gewährleisten also im Ergebnis kaum noch eine Zweckbindung.

  • Justiz- und Strafverfolgungsbehörden werden ausdrücklich zur Unterhaltung gemeinsamer Dateien zur Vorgangsbearbeitung, -verwaltung sowie für Zwecke künftiger Strafverfahren ermächtigt. Es sind allerdings vorab Festlegungen über die Art der Daten, über Nutzungsberechtigte und Speicherfristen in Errichtungsanordnungen und Verordnungen zu treffen.

Obwohl die neuen Bestimmungen eigentlich der Umsetzung des Volkszählungsurteils dienen sollten, lassen sie den Strafverfolgungs- und Justizbehörden in wesentlichen Fragen wie der Zweckbindung unangemessen weite Spielräume. Allerdings behalten die Regelungen des schleswig-holsteinischen Gesetzes über die staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (StARegG) ihre Gültigkeit. Wir sind deshalb mit dem Justizministerium darüber im Gespräch, welche Auswirkungen das StVÄG 1999 auf die Praxis der Justizbehörden und auf bereits vorhandene Systeme haben wird.

Was ist zu tun?
Die Strafverfolgungsbehörden sollten die neuen Bestimmungen in der StPO so umsetzen, dass dabei die Regelungen des StARegG immer dann Wirkung entfalten, wenn das Bundesrecht es zulässt.

4.3.2

DNA-Analysen künftig ohne richterlichen Beschluss?

Immer wieder wird versucht, die für DNA-Analysen gesetzlich geforderten richterlichen Anordnungen durch Einholung einer Einwilligung des Betroffenen zu umgehen. Das Landgericht Kiel hat sogar eine telefonisch gegenüber dem Amtsgericht erklärte Einwilligung eines Betroffenen als ausreichend angesehen und den Erlass einer von der Staatsanwaltschaft beantragten richterlichen Anordnung als nicht erforderlich abgelehnt.

An unseren grundsätzlichen rechtlichen Vorbehalten (vgl. 22. TB, Tz. 4.2.7) gegenüber derartigen "Einwilligungslösungen" hat sich durch das Urteil des Landgerichtes Kiel nichts geändert. Die große Zahl der so genannten "Altfälle" bereits strafrechtlich verurteilter Personen lässt sich allerdings offenbar nur schwer in dem vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Verfahren der richterlichen Anordnung bewältigen. Dieses Problem war bei der Schaffung der Altfallregelung vorherzusehen. Das Bundesverfassungsgericht hat bezüglich des Richtervorbehaltes betont, dass eine sorgfältige Einzelfallentscheidung getroffen werden muss; formelhafte Begründungen und bloße Wiederholungen des Gesetzestextes reichen nicht aus.

Es fällt schwer, von einer Freiwilligkeit zu sprechen, wenn Betroffene in die präventive Speicherung ihres DNA-Profils zum Abgleich mit künftigen oder bereits vorhandenen Spuren in der bundesweiten Datei einwilligen und sich damit selbst gleichzeitig eine Neigung zum Wiederholungstäter attestieren. Dies mit dem formalen Verweis auf den Grundsatz des "volenti non fit iniuria" (keine Rechtsverletzung bei Vorliegen einer Einwilligung) zu beantworten, erscheint spitzfindig. Wahrscheinlicher ist, dass die Einwilligungen nur erteilt werden, um sich nicht erneut verdächtig zu machen oder als uneinsichtig zu gelten.

Die Justiz ist mit einem Lösungsvorschlag für den Fall an uns herangetreten, dass Gerichte gleichwohl die Anordnung von DNA-Analysen wegen Vorliegens einer Einwilligung verweigern. Es liegt auf der Hand, dass in dieser Situation ein Verfahren gefunden werden muss, um die Erfassung von zweifelsfrei wiederholungsgefährdeten Tätern schwerer Delikte in der Datei zu ermöglichen. In unserer Stellungnahme gegenüber dem Justizministerium haben wir folgende Anforderungen formuliert:

  • Derzeit gibt die Rechtsprechung keine Veranlassung, generell auf ein landesweites Modell der "Freiwilligkeitslösung" umzuschwenken. Abweichungen sind nur dann vertretbar, wenn Gerichte tatsächlich Anordnungen aufgrund bereits vorhandener Einwilligungen ablehnen.

  • Die gesetzlich geforderte Prognose der Wiederholungsgefahr muss von der Staatsanwaltschaft selbst gestellt werden. So wird eine gewisse justizielle Kontrolle der Erhebung und Verarbeitung der DNA-Daten gewährleistet. Ein Vetorecht gegenüber polizeilichen Entscheidungen reicht nicht aus.

  • Die Einwilligungen dürfen nicht "vorsorglich" vom Betroffenen eingeholt werden, bevor das Vorliegen eines schweren Delikts und eine Wiederholungsgefahr festgestellt wurden.

  • Einwilligungserklärungen müssen nach ausreichender Darstellung der Verarbeitungsschritte sowie nach Aufklärung über die jederzeitige Möglichkeit eines Widerrufs durch den Betroffenen schriftlich erklärt werden.

Derzeit ist der Generalstaatsanwalt damit befasst, in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt eine diesen Gesichtspunkten entsprechende Verfahrensweise auszuarbeiten, die dann dem Justizministerium vorgelegt wird.

Was ist zu tun?
Das Justizministerium sollte den vom Gesetzgeber vorgegebenen Richtervorbehalt respektieren. DNA-Analysen auf der Grundlage von Einwilligungen müssen die Ausnahme bleiben.

4.3.3

Unterbliebene Löschung in MESTA

Bei der Umstellung vom automatisierten staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister GAST auf MESTA ist ein Programmierfehler unterlaufen, der Löschungen von Verfahrensdatensätzen nach der gesetzlich vorgegebenen Frist verhindert.

Bei der Bearbeitung einer Eingabe haben wir festgestellt, dass die Daten über ein im Jahre 1994 gegen die Petentin geführtes Strafverfahren noch immer im automatischen Verfahrensregister MESTA gespeichert waren, obwohl die fünfjährige Speicherfrist nach dem Gesetz über die Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (StARegG) bereits seit über einem Jahr abgelaufen war. Die Staatsanwaltschaft teilte uns mit, die Löschung sei infolge von technischen Problemen bei der Umstellung des Vorläufersystems GAST auf MESTA nicht möglich. Eine Lösung werde zurzeit vom Generalstaatsanwalt erarbeitet.

Die ordnungsgemäße Einhaltung der gesetzlichen Löschfristen gehört zu den wesentlichen Grundanforderungen, die vor Inbetriebnahme eines automatisierten Systems sicherzustellen und zu testen sind, da es andernfalls - wie im vorliegenden Fall - zu unzulässigen Datenspeicherungen kommt. Wir haben die konkrete Fristüberschreitung daher beanstandet. Der Generalstaatsanwalt teilte uns mit, dass tatsächlich alle zur Löschung anstehenden Datensätze betroffen sind. Die Datenzentrale sei mit der technischen Lösung beauftragt.

Was ist zu tun?
Der Generalstaatsanwalt muss die Einhaltung der gesetzlichen Löschverpflichtung sicherstellen. Betreiber automatisierter Systeme haben vor der Freigabe eines Verfahrens zu testen, ob derartige Funktionalitäten ordnungsgemäß ablaufen.

4.3.4

Auch Justitia hat einen Amtsschimmel

Eine spätabendliche Bahnfahrt eines Berufspendlers mit dem erfolglosen Versuch, eine Fahrkarte zu erstehen, wuchs sich zu einem Verwaltungsvorgang von veritablem Ausmaß aus. Obwohl eine Straftat nach Auffassung aller Beteiligter fern lag und die Bahn sich bei dem Betroffenen schriftlich entschuldigt hat, ist der Vorgang inzwischen im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister eingetragen und somit bundesweit zwei Jahre lang allen Staatsanwaltschaften verfügbar. Eine Löschung des Datensatzes lehnt die Staatsanwaltschaft bislang ab.

Es fing alles so harmlos an. Ein Fahrgast hatte sich vor Abfahrt des Zuges beim Triebwagenführer zwecks Erwerbs einer Fahrkarte gemeldet, da er die vor kurzem im Bahnhof umgestellten Fahrkartenautomaten nicht gefunden hatte. Der Triebwagenführer sowie ein weiterer Mitarbeiter der Regionalbahn sahen sich jedoch außerstande, ihm eine Fahrkarte zu verkaufen. Der Fahrgast nahm im Zug Platz und zeigte dem Kontrolleur, der ihm ebenfalls keine Fahrkarte verkaufen konnte, seine BahnCard mit der Bitte vor, ihm eine Rechnung über das Beförderungsentgelt zuzusenden. So weit, so gut. Bei der Erstellung der Zahlungsaufforderung wurde jedoch die Adresse des Petenten fehlerhaft abgeschrieben, sodass die Zahlungsaufforderung mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurückkam. Dies löste bei der Bahn automatisch eine Anzeige wegen Leistungserschleichung aus. Nach Aufklärung des Sachverhaltes entschuldigte sich die Bahn zwar bei dem Betroffenen, konnte aber den bürokratischen Zug nicht mehr stoppen.

Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren zwar wegen "mangelnder Tatbestandsmäßigkeit" eingestellt, eine Löschung der gespeicherten Verfahrensdaten lehnte sie jedoch ab, da die Fünfjahresfrist nach dem Gesetz über staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister nicht abgelaufen sei. Außerdem seien die Daten zur Überwachung der ebenfalls fünfjährigen Aufbewahrungsfrist der papierenen Akte erforderlich.

Der Betroffene empfand dies zu Recht als einen Schildbürgerstreich. Es bestand eindeutig ein Löschungsanspruch, da dem Verfahren ein offenkundig haltloser Vorwurf zugrunde lag. Auch die Aufbewahrungsfrist für die papierene Akte muss eine Staatsanwaltschaft nicht in jedem Fall automatisch ausschöpfen. Wir haben die Staatsanwaltschaft daher aufgefordert, das leidige Verfahren einfach durch Datenlöschung und Vernichtung des Vorganges zu beenden. Es ist rechtlich untragbar, dass ein solcher Datensatz über das Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sämtlichen Strafverfolgungsbehörden in Deutschland zur Verfügung steht, ohne dass die zum Abruf berechtigten Stellen Hintergrund und Ablauf des ganzen Malheurs erkennen können.

Nach mehreren Monaten Prüfung bot die Staatsanwaltschaft dem Betroffenen eine Löschung oder Sperrung der Daten im Landessystem MESTA an, lehnte dies jedoch für das bundesweite Verfahrensregister ab.

Was ist zu tun?
Die Unterlagen gehören in den Reißwolf, die Daten gelöscht und die Angelegenheit vergessen. Der Schreibfehler eines Bahnbediensteten darf nicht zu solchen Folgen führen.

4.3.5

Kontrollfreier Raum Staatsanwaltschaft?

Obwohl das schleswig-holsteinische Datenschutzgesetz keine Einschränkung unserer Kontrollbefugnisse enthält, möchte der Generalstaatsanwalt uns Informationen über besondere Maßnahmen wie Telefonüberwachungen in laufenden Verfahren vorenthalten.

Wenn wir in der Vergangenheit überprüft haben, ob und wenn ja warum Telefone von Petenten abgehört wurden, erhielten wir von der zuständigen Staatsanwaltschaft ohne Probleme die notwendigen Informationen. Eine Staatsanwaltschaft nahm jedoch nunmehr eine solche Anfrage zum Anlass, unsere Kontrollkompetenz in diesem Bereich grundsätzlich infrage zu stellen, und legte den "Fall" dem Generalstaatsanwalt vor. Überraschenderweise sieht auch dieser neuerdings "keine Verpflichtung" der Staatsanwaltschaften, uns aus laufenden Ermittlungsverfahren Auskunft über Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen zu erteilen. Er befürchte, dass Straftäter die Ermittlungsbehörden mittelbar über uns ausforschen könnten. Zudem sei die Kontrolle über Telefonüberwachungsmaßnahmen nach der StPO allein einem Richter zugewiesen. Durch die Einführung von Datenschutznormen in die StPO (vgl. Tz. 4.3.1) sei eine abschließende Regelung getroffen worden, die keine Kontrollbefugnis des Datenschutzbeauftragten vorsehe.

Diese Rechtsauffassung halten wir für unrichtig. Das Landesdatenschutzgesetz ist hinsichtlich unserer Kontrollkompetenz eindeutig. Die neuen Regelungen in der StPO über "Auskunftserteilungen" tangieren die Kontrollkompetenzen des ULD oder des Rechnungshofes in keiner Weise. Es konnte seitens der Staatsanwaltschaft auch kein Fall genannt werden, in dem etwa ein Verdächtiger aufgrund unserer Prüfung unzulässige Informationen erhalten hätte. Die datenschutzrechtlichen Prüfungen führen selbstverständlich nicht dazu, dass richterliche Anordnungsbeschlüsse für Überwachungen des Fernmeldeverkehrs inhaltlich überprüft oder einzelfallbezogen kommentiert werden. Durch den Datenschutzbeauftragten ist lediglich zu überprüfen, ob eine Anordnung erlassen wurde, ob deren Grenzen eingehalten wurden, wie mit dem erhobenen Datenmaterial weiter umgegangen wurde und ob die Benachrichtigungspflichten eingehalten wurden.

In kritischen Fällen haben wir uns zudem bisher immer mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung gesetzt und mit dem Betroffenen eine Formulierung gefunden, die eine Preisgabe von Ermittlungsinhalten ausschloss. Eine Auskunft an Petenten erfolgt nach dem Datenschutzrecht in Fällen der Gefährdung der behördlichen Aufgaben oder der öffentlichen Sicherheit grundsätzlich nicht.

Auch das Justizministerium hat bereits in der Vergangenheit bekundet, es halte unsere Kontrollbefugnis in dem fraglichen Bereich laufender Ermittlungsmaßnahmen für gegeben.

Was ist zu tun?
Das Justizministerium sollte gegenüber den Staatsanwaltschaften im Lande klarstellen, dass wir - so wie bisher auch - zur Kontrolle von Telefonabhörmaßnahmen befugt sind.

4.3.6

Datenschutz im Strafvollzug

Das Strafvollzugsgesetz enthält nunmehr Normen für den Datenschutz im Strafvollzug. In diesem sensiblen Bereich, der durch unterschiedliche Interessenlagen der Gefangenen, des Wachpersonals oder auch das Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit gekennzeichnet ist, tauchen trotzdem immer wieder problematische Fallgestaltungen auf.

  • Was muss der behandelnde Arzt über Gefangene wissen?

Ein Strafgefangener musste in der Justizvollzugsanstalt (JVA) von einem externen Arzt behandelt werden. Dessen Nachfrage nach dem Inhaftierungsgrund wollte der Gefangene nicht beantworten, da er zum ersten Mal Kontakt zu dem Arzt hatte. Daraufhin gab der bei der Behandlung anwesende Sanitätsbedienstete der JVA dem Arzt bereitwillig Auskunft über die Tat, wegen derer der Gefangene eine Strafe verbüßte. Die Leitung der JVA hat diesen datenschutzrechtlichen Verstoß eingeräumt und bedauert, da eine medizinische Notwendigkeit für die Weitergabe dieser Information an den behandelnden Arzt nicht bestand.

  • Urlaubsanschrift von Strafgefangenen

Vor der Gewährung von Hafturlaub für Strafgefangene wird geprüft, ob die Gefahr besteht, dass der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerung zu Straftaten missbrauchen wird. Dabei werden auch Auskünfte von Sozialämtern, Polizeidienststellen, Einwohnermeldeämtern über den Urlaubsgastgeber, allerdings mit dessen Einwilligung, eingeholt. Hierfür wurde bislang ein Vordruck verwendet, der die Betroffenen nur unzureichend über die Umstände der beabsichtigten Datenverarbeitung (Von welchen Stellen werden welche Daten erhoben? Wie lange und in welcher Form werden die Daten gespeichert? Welche Folgen hat eine Nichtbeantwortung der Fragen?) unterrichtete. Auf unser Drängen ist landesweit ein neu gestaltetes Formular eingeführt worden, das den datenschutzrechtlichen Anforderungen entspricht, weil es den Betroffenen fair informiert.

  • Übermittlung der Daten eines Verteidigers durch JVA an Dritte

Innerhalb einer JVA kursierte das Gerücht, ein Gefangener habe seine Verlegung in eine andere JVA durch Bestechung des Anstaltsleiters über seinen Rechtsanwalt abwenden können. Dies brachte ein Mitgefangener dem Justizministerium per Beschwerde zur Kenntnis und nannte darin auch den Namen seines ebenfalls einsitzenden Informanten. Der Anstaltsleiter erhielt die Beschwerde zur Stellungnahme übersandt und teilte daraufhin dem betreffenden Rechtsanwalt auszugsweise den in der Beschwerde enthaltenen Vorwurf der Bestechung bzw. Bestechlichkeit unter Namensnennung des Beschwerde führenden Gefangenen und seines Informanten mit. Darüber hinaus nannte er den Namen des gemeinsamen Rechtsanwaltes beider Gefangener. Hierin sah der Rechtsvertreter der Gefangenen eine unzulässige Datenübermittlung. Nachdem der Bestechungsvorwurf auch in die Öffentlichkeit gelangt war, erhielt die Angelegenheit in der Presseberichterstattung Brisanz, da beide Rechtsanwälte in unterschiedlichen politischen Parteien aktiv waren und sich ein Bestechungsvorwurf durchaus in dem damals laufenden Wahlkampf hätte auswirken können.

Wir konnten im Ergebnis keinen datenschutzrechtlichen Verstoß des Anstaltsleiters durch die Namensnennung des gemeinsamen Rechtsvertreters der Gefangenen gegenüber dem durch die Anschuldigungen belasteten Rechtsanwalt feststellen. Nach Angaben des Leiters der JVA wollte dieser dem Anwalt eine zügige Wahrnehmung seiner Rechte dadurch ermöglichen, dass er sich mit Unterlassungsverlangen unmittelbar an den Anwalt der Gefangenen wenden konnte. Eine Übermittlung personenbezogener Daten von Strafgefangenen an Dritte ist nach dem neu gefassten Strafvollzugsgesetz zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer anderen Person zulässig. Es war vertretbar, dass der Anstaltsleiter den Namen des gemeinsamen Rechtsvertreters als Zusatzinformation im Interesse einer effektiven Verfolgung der Rechte des beschuldigten Anwaltes mit übermittelte.

4.3.7

Sensible Telefongesprächsinhalte in Abrechnungsunterlagen

Um gegenüber dem Amtsgericht Aufwendungen für Telefongespräche von Betreuern nachzuweisen, sind Gesprächsinhaltsdaten nur in ganz allgemeiner Form erforderlich. Die Betreuungsvereine müssen ihre Abrechnungspraxis datenschutzgerecht umgestalten.

Eigentlich sollten nur die geführten Telefongespräche gegenüber dem Amtsgericht abgerechnet werden. Die tabellarische Gesprächsaufstellung enthielt aber auch die Inhalte eines Gespräches eines Betreuers mit der Pastorin der zu betreuenden Person. Der Rechtspfleger übersandte die Aufstellung an die Betreute selbst, da diese schließlich die Auslagen aus ihrem Vermögen erstatten musste. Auf diese Weise erfuhr der Sohn der Betreuten, was die Pastorin dem Betreuer über seine Mutter mitgeteilt hatte, und beschwerte sich bei ihr. Die Pastorin fiel aus allen Wolken. Sie hatte geglaubt, ihre Angaben würden vom Betreuer vertraulich behandelt, und bat um datenschutzrechtliche Überprüfung.

Aus Sicht des Amtsgerichts müssen zu den einzelnen Telefongesprächen der Betreuer zumindest so viel Zusatzinformationen geliefert werden, dass beurteilt werden kann, ob das Telefonat in sachlichem Zusammenhang mit der Betreuung stand. Hierfür reicht eine allgemeine Angabe über den Gesprächspartner sowie den Anlass des Gesprächs (z. B. "Gespräch über den Gesundheitszustand") aus. Was inhaltlich besprochen wurde, gehört demgegenüber in die Handakte des Betreuers. Eine andere (in erster Linie anhand der Einsichtsfähigkeit zu entscheidende) Frage ist es, inwieweit die betreute Person oder deren Angehörige auf Antrag Einsicht in diese Akte nehmen können, um die sie betreffenden Daten zu erfahren.

Der betroffene Betreuungsverein hat die datenschutzrechtlichen Vorgaben umgesetzt und sämtliche Vereinsbetreuer in seinem Bereich angewiesen, auf den Dokumentationsbögen über Telefongespräche nur noch allgemeine Formulierungen und keine Namen Dritter mehr zu nennen.

Was ist zu tun?
Alle Betreuungsvereine sollten entsprechende Vorgaben machen. Rechtspfleger sollten diese datenschutzrechtlichen Anforderungen an sämtliche - auch die freiberuflichen - Betreuer weitergeben.

4.3.8

Auftragssperre bei Korruptionsverdacht

Bislang gibt es keine Regelungen darüber, an wen Informationen über Auftragssperren gegen Unternehmen des Verdachts der Korruption oder anderen Fehlverhaltens übermittelt werden dürfen. Die Oberfinanzdirektion hatte Daten über einen Unternehmer an eine Vielzahl öffentlicher Stellen gestreut - mit womöglich erheblichen wirtschaftlichen Folgen. Inzwischen hat sich zudem herausgestellt, dass der Korruptionsverdacht nicht aufrechtzuhalten war.

Da gegen einen mittelständischen Unternehmer ein Strafverfahren wegen Verdachts der Bestechung anhängig war, belegte die Oberfinanzdirektion (OFD) das Unternehmen mit einer so genannten temporären Auftragssperre. Diese Tatsache wie auch nachfolgende Verfahrensstände wurden von der OFD an einen ziemlich breiten Verteiler von öffentlichen Auftraggebern im norddeutschen Raum übermittelt. Keine der benachrichtigten Stellen hatte signalisiert, dass der Betroffene sich bei ihr um Aufträge beworben hatte bzw. in einem Auftragsverhältnis stand. Auch der Rechtsanwalt eines Zweckverbandes in Schleswig-Holstein erhielt auf Nachfrage von der OFD Informationen über die verhängte Auftragssperre und deren Hintergründe. Diese führte er in einem Zivilprozess gegen den Unternehmer als Argument dafür ein, dass das Unternehmen bereits anderweitig durch inkorrekte Abwicklung von Aufträgen aufgefallen sei.

Wie eine Auftragssperre "publik gemacht" wird, ist von hoher wirtschaftlicher Bedeutung für die Betroffenen. In Hessen etwa besteht eine zentrale Melde- und Informationsstelle für Vergabestellen bei der OFD Frankfurt. Die Daten dürfen grundsätzlich nur nach gerichtlicher Verurteilung, also nicht allein aufgrund von Verdachtsmomenten im Ermittlungsverfahren eingestellt und nur in Zusammenhang mit einer geplanten Auftragsvergabe übermittelt werden. In Schleswig-Holstein fehlten bislang dagegen entsprechende Regelungen. Datenschutzrechtlich ist die unaufgeforderte Information anderer öffentlicher Auftraggeber nur zulässig, wenn sie zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Rundschreiben über einen breiten Verteiler können nicht als erforderlich angesehen werden, da der OFD Kiel von keiner der benachrichtigten Stellen Anhaltspunkte für eine bevorstehende Auftragsvergabe mitgeteilt worden waren. Ausschlaggebend war allein die Vermutung, der Betroffene könne sich als Bieter auch anderswo betätigen. Zu berücksichtigen war auch, dass die Anhaltspunkte für Verfehlungen des Betroffenen lediglich Verdachtsstatus besaßen, was angesichts der potenziell weit reichenden wirtschaftlichen Folgen einer derartigen Bekanntmachung zu einer besonders strengen Erforderlichkeitsprüfung hätte veranlassen müssen. Tatsächlich wurde das gegen den Petenten geführte Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Korruption von der Staatsanwaltschaft wegen fehlenden Tatverdachts eingestellt.

Die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein als nunmehr zuständige Stelle hat aus unseren Beanstandungen Konsequenzen gezogen und die Zuständigkeit für diesen sensiblen Bereich beim Justiziariat angesiedelt. Eine Dienstanweisung, in der der Umgang mit Auftragssperren geregelt werden soll, liegt uns im Entwurf vor. Wir werden darauf achten, dass Verdachtsmomente nicht weiterhin nach dem Gießkannenprinzip gestreut werden.

Was ist zu tun?
Es ist die Grundsatzfrage zu klären, ob Auftragssperren nur zur Abfrage bereitgehalten oder aktiv verteilt werden und wie mit den Verdachtsfällen umgegangen wird.


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