22. Tätigkeitsbericht (2000)



4.2

Polizeibereich

4.2.1

Überblick

Nennenswerte gesetzgeberische Aktivitäten zu polizeilichen Befugnissen hat es im letzten Jahr in Schleswig-Holstein und auf Bundesebene erstmals seit vielen Jahren nicht gegeben. Von der 1998 neu eingeführten Befugnis zum Großen Lauschangriff wird nach unseren Informationen in Schleswig-Holstein bislang zurückhaltend Gebrauch gemacht. Die Zahlen aus dem ersten Berichtszeitraum über stattgefundene Lauschangriffe sind von Justiz und Polizei wie von der Verfassung gefordert an den Landtag übermittelt worden. Das entsprechende Landesgesetz zur Umsetzung der Vorgaben des Art. 13 Grundgesetz wurde vom Landtag verabschiedet, ohne jedoch das Verfahren der Behandlung der Berichte im Detail zu regeln. Diese Berichte sind anonym. Wir treten daher nachdrücklich dafür ein, dass sie in dem zuständigen Ausschuss, den der Landtag zu bestimmen hat, öffentlich beraten werden und nur bei Gründen für eine Gefährdung der Aufgaben der Strafverfolgung im Einzelfall eine nichtöffentliche Verfahrensweise gewählt wird.

Das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz für den Aufbau einer präventiven DNA-Datei (DNA-Identitätsfeststellungsgesetz) war im Berichtsjahr Grundlage vor allem für die Erfassung des Genprofils von Gefangenen in schleswig-holsteinischen Justizvollzugsanstalten. Der Aufbau der Datei schreitet voran. Dabei umgehen allerdings einige Bundesländer den Richtervorbehalt für die Untersuchung und Speicherung des Identifizierungsmusters vielfach dadurch, dass vom Betroffenen eine "Einwilligung” in diese Verarbeitung seiner Gendaten erlangt wird. Überlegungen, diese datenschutzrechtlich und strafprozessual unhaltbare Praxis auch in Schleswig-Holstein einzuführen, sind zurückzuweisen.

Neben Grundsatzfragen wie der polizeilichen Bilddatenerhebung bei Demonstrationen hat uns im letzten Jahr vor allem die Beratung der Polizei bei der Einführung von neuen Informationssystemen wie INPOL-neu, ViCLAS und EURAS und bei der Nutzung neuer technischer Möglichkeiten wie der Internet-Öffentlichkeitsfahndung beschäftigt. Deutlich wird hierbei, dass auch die polizeiliche automatisierte Datenverarbeitung einem enormen Wandel unterliegt, der gegenüber den bisherigen Systemen unvergleichliche Recherche- und Verknüpfungsmöglichkeiten bringt. Die Frage der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte von Beschuldigten, Opfern, aber auch dritten Personen stellt sich dabei in ganz neuen Dimensionen.

4.2.2

INPOL-neu

Das Projekt INPOL-neu wird die gesamte polizeiliche Datenverarbeitungslandschaft verändern. Die Planungen zur Anpassung der Landessysteme befinden sich zwar noch in einem frühen Stadium. Auf Ebene des Bundesprojektes gibt es in wesentlichen Punkten datenschutzrechtlichen Nachbesserungsbedarf.

Die datenschutzrechtliche Begleitung des Großprojekts der Polizei INPOL-neu war ein Schwerpunkt der Beratung (vgl. 21. TB, Tz. 4.2.2). Obwohl das neue System mit dem Probebetrieb ab Mitte 2000 beginnen soll und die Aufnahme des vollständigen Parallelbetriebes zu INPOL-aktuell als weitere Zwischenphase der Realisierung ab Februar 2001 geplant ist, sind noch längst nicht alle datenschutzrechtlich bedeutsamen Weichen gestellt. Insbesondere befinden sich die Überlegungen zu den entscheidenden Einzelfestlegungen noch in einem frühen Stadium: Das Sicherheitskonzept liegt erst als interner Entwurf vor, die Vorarbeiten für die Umsetzung von INPOL-neu in den Landessystemen sind noch nicht abgeschlossen.

In den bundesweiten Kriminalaktennachweisen (KAN) sollen gegenüber dem jetzigen Verfahren bei Vorliegen einer INPOL-relevanten Straftat auch solche Taten eines Beschuldigten gespeichert werden, die für sich genommen keine länderübergreifende oder erhebliche Bedeutung aufweisen. Diese Aufnahme der kriminellen Historie einer Person läuft dem eindeutigen Wortlaut des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG) zuwider, wonach jede in INPOL eingestellte Straftat die so genannte Erheblichkeitsschwelle überschritten haben muss. Dennoch hat der Lenkungsausschuss INPOL-neu diese Erweiterung beschlossen.

Einige Länder - allerdings nicht Schleswig-Holstein - bemühen sich im Zusammenhang mit der Neustrukturierung der gesamten polizeilichen Datenhaltung aus Anlass von INPOL-neu um eine Auslagerung der polizeilichen Landesdatenhaltung an das Bundeskriminalamt (BKA) im Wege der Auftragsdatenverarbeitung. Welche Datenbestände genau hiervon betroffen sein sollen, ist bislang noch nicht hinreichend klar. Dass bestimmte Daten zwar aus rechtlichen Gründen nicht im polizeilichen Informationsverbund erscheinen dürfen, jedoch "ausgerechnet” beim BKA im Auftrag verarbeitet werden sollen, läuft nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten den föderalen Vorgaben für die polizeiliche Datenverarbeitung zuwider. Auch das BKAG erlaubt nur eine Unterstützung der Datenverarbeitung der Länder durch das BKA im Einzelfall, nicht jedoch eine Verschiebung der wesentlichen Teile der Datenverarbeitung auf das BKA.

Eine Vollprotokollierung der Zugriffe auf die INPOL-Datenbestände soll nach den Vorstellungen des Bundesinnenministeriums nicht erfolgen. Die schleswig-holsteinische Polizei sollte an der bestehenden Vollprotokollierung aller Zugriffe über einen Zeitraum von sechs Monaten auch für das neue System festhalten, zumal mittelfristig ein direkter INPOL-Zugriff aller polizeilichen Sachbearbeiter über das Vorgangsbearbeitungssystem COMPAS bestehen wird.

Das Berechtigungskonzept, welches die Struktur des künftigen "integrierten Datenpools” INPOL-neu festschreibt, ist außerordentlich grob angelegt. Sämtliche Fallinformationen, soweit sie nicht aus polizeifachlichen Gründen besonders abgeschottet sind (Organisierte Kriminalität, Staatsschutz, Geldwäsche etc.), befinden sich nun in einem einheitlichen Berechtigungsbereich zusammen mit der sog. Grundinformation über Kriminalakten, erkennungsdienstliche Informationen, Haftdaten u. a. mehr. Falldaten, die auch Nichtbeschuldigte betreffen oder auf ungeklärten Verdachtsfällen beruhen können, dürfen den polizeilichen Sachbearbeitern nur so weit zur Verfügung gestellt werden, wie es deren fachlicher Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich erfordert. Damit es nicht zu einer uferlosen Datenübermittlung kommt, die nicht mehr vom Erforderlichkeitsgrundsatz gedeckt ist, müssen die ausführenden Berechtigungskonzepte der Länder die technischen Differenzierungsmöglichkeiten nutzen und dürfen sich nicht einfach am technisch möglichen Maximalprofil orientieren.

Das Grundkonzept eines redundanzfreien einheitlichen Datenpools lässt sich mit dem BKAG nur vereinbaren, wenn für die vielen logischen Dateien jeweils eigene Zweckbestimmungen, Zugriffsregelungen, Prüf- und Löschfristen in Errichtungsanordnungen festgelegt werden. Dieser für die datenschutzrechtliche Bewertung der Neukonzeption entscheidende Schritt wurde jedoch zeitlich sehr weit nach hinten geschoben. Es liegen lediglich erste Vorüberlegungen zur Struktur und zu den Inhalten der logischen Dateien vor, die noch stark überarbeitungsbedürftig sind. Auch die sensible DNA-Datei und wahrscheinlich ViCLAS (vgl. Tz. 4.2.5) sollen Teil von INPOL-neu werden. Dies setzt eine funktionierende Abschottung gegen Zugriffe von Personen außerhalb des für beide Dateien sehr eng definierten Nutzerkreises voraus.

INPOL-neu soll die bisherigen polizeilichen Meldedienste vollständig integrieren. Die vorgegebene pauschale Gewichtung von Deliktskategorien in "Muß”-, "Regel”- und "Kann”-Fälle muss mit den Anforderungen der Erheblichkeit oder Überregionalität der einzelnen INPOL-relevanten Straftat gemäß BKAG übereinstimmen und Ausnahmen nach Einschätzung des Sachbearbeiters im Einzelfall zulassen. Insbesondere darf es keinen automatisierten Datenabfluss an den Verbund geben, auf den der Datenbesitzer keinen Einfluss mehr hat.

Dem Polizeilichen Führungssystem (PFI) soll eine anonymisierte, vom operativen Teil von INPOL getrennte Datenbank zugrundeliegen, um Lagebilder, Statistiken und andere strukturelle, kriminalgeografische Führungsinformationen auch zu nicht INPOL-relevanten Delikten erstellen zu können. Dieser Neuansatz für die polizeiliche Datenverarbeitung ist nur dann datenschutzrechtlich unproblematisch, wenn die Datensätze nicht mehr personenbeziehbar sind. Da den Fallinformationen jedoch eine Personenkennziffer zugeordnet wird, um Doppelzählungen von Mehrfachtätern zu verhindern, bedarf es zusätzlicher technisch-organisatorischer Maßnahmen, um dieses Zuordnungsmerkmal geheim zu halten.

Was ist zu tun?
Der Innenminister darf den künftigen Errichtungsanordnungen für INPOL-neu nur zustimmen, wenn die datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten sind. Bei der Umsetzung von INPOL-neu müssen die Spielräume für Landessysteme genutzt werden.

4.2.3

Videoüberwachung von Versammlungen

Die Polizei darf Demonstrationen nicht flächendeckend per Video überwachen, sondern lediglich bei vorliegender Gefahr die Störer und die einer Straftat Verdächtigen, allenfalls noch unmittelbar daneben stehende Versammlungsteilnehmer filmen. Gemeinsam mit den Experten der Polizei haben wir im vergangenen Jahr die datenschutzrechtlichen Anforderungen an Bilderhebungen bei Versammlungen und Veranstaltungen für die polizeiliche Praxis aufgearbeitet.

Die Polizei ist inzwischen technisch so gut ausgestattet, dass sie bei immer mehr Veranstaltungen wie Fußballspielen und bei Versammlungen die Geschehnisse per Video festhalten kann. Durch die ständige Präsenz von Polizeikameras entsteht jedoch bei vielen Demonstranten Unsicherheit, ob die Polizei tatsächlich alles filmen und dauerhaft speichern darf. Wir informierten uns bei mehreren Polizeidienststellen und durch Teilnahme an einem konkreten Einsatz über die praktische Handhabung der in diesem Zusammenhang zu beachtenden Datenschutzbestimmungen. Eine Arbeitsgruppe der polizeiinternen Datenschutzbeauftragten erstellte einen Handlungsleitfaden für die Durchführung von Bilddatenerhebungen bei Versammlungen und anderen Veranstaltungen.

In der Diskussion wurde Einigkeit in folgenden Punkten erzielt: Bilddatenerhebungen von Demonstrationsteilnehmern stellen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen Eingriff in das für ein demokratisches Gemeinwesen besonders bedeutsame Versammlungsgrundrecht aus Art. 8 Grundgesetz dar. Weil die Furcht vor einer Registrierung durch die Polizei dazu führen könnte, dass Bürger auf eine Teilnahme an Versammlungen von vorneherein verzichten, müssen die gesetzlichen Anforderungen an Bildaufnahmen von Demonstrationen der hohen Wertigkeit dieses Grundrechts gerecht werden. Vor diesem Hintergrund verlangt das Versammlungsgesetz (VersG), dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen müssen, dass von einer Person erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen. Nur dann darf sie gefilmt werden. Dies gilt nicht für unvermeidbar mit ins Bild geratene Nichtstörer. Grundsätzlich sind die Aufnahmen nach Beendigung der Versammlung unverzüglich zu vernichten, wenn sie nicht zur Strafverfolgung oder Abwehr künftiger erheblicher Gefahren bei Demonstrationen gebraucht werden.

Praktisch bedeutet dies, dass eine filmische Dokumentation des gesamten Versammlungs- und Einsatzgeschehens durch Polizeikräfte nicht zulässig ist, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Es dürfen also z. B. nicht der Gesamtverlauf oder friedliche Abschnitte einer Demonstration nur deshalb festgehalten werden, um etwa das Einsatzkonzept der Polizei oder die allgemeine Situation und Entwicklung des Aufzuges zu belegen. Derartige Informationsbedürfnisse, denen sich einsatzleitende Dienststellen in der Praxis häufig ausgesetzt sehen, finden keine Stütze im Versammlungs- oder im Strafprozessrecht. Friedlichen Demonstranten dürfen nicht gezielt erfasst werden.

Beim Einsatz von Bildaufzeichnungsgeräten zur Gefahrenabwehr muss die polizeiliche Gefahrenprognose, die vor dem Einsatz zur Planung und Erstellung des Einsatzbefehls erstellt wurde, im realen Geschehen laufend daraufhin überprüft werden, ob zum Zeitpunkt der Bildaufzeichnungen tatsächliche Anhaltspunkte für erhebliche Gefahren im Sinne des Versammlungsgesetzes vorliegen.

Nach Beendigung der Versammlung müssen die gefertigten Aufzeichnungen vernichtet werden mit Ausnahme solcher Sequenzen, die für die Verfolgung von Straftaten benötigt werden oder wegen der Gefahr einer Wiederholung von Straftaten bei künftigen Versammlungen für maximal drei weitere Jahre aufbewahrt werden dürfen. Die Aufzeichungen auf Grundlage der Strafprozessordnung werden zum Ermittlungsvorgang gegeben und unterliegen den diesbezüglichen Aufbewahrungsbestimmungen.

Die Polizei möchte Videomaterial von Demonstrationen auch für den Unterricht in der Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten verwenden, um diese mit realitätsgetreuem Material auf schwierige Einsätze im Versammlungsgeschehen vorzubereiten. Obwohl das Versammlungsgesetz insoweit keine ausdrückliche Ausnahme vom Grundsatz der unverzüglichen Vernichtung des Bildmaterials vorsieht, ist den Gesetzgebungsmaterialien immerhin zu entnehmen, dass die Aus- und Fortbildungsbedürfnisse der Polizei auch in diesem Bereich nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben sollten. Der Schutz des Art. 8 Grundgesetz verlangt jedoch eine strenge Erforderlichkeitsprüfung für eine derartige zweckdurchbrechende Nutzung. Deshalb sind die Aufnahmen grundsätzlich durch Balken oder Flimmerflecken im Gesichtsbereich erkennbarer Demonstranten zu anonymisieren. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch bei Gruppenaufnahmen, deren filmtechnische Bearbeitung auf diese Weise nicht geleistet werden könnte bzw. die gesamte Szene für Schulungszwecke unbrauchbar machen würde.

Insgesamt müssen die Anfertigung, der Verbleib und die Vernichtung von Videos über Versammlungen ausreichend dokumentiert sein. Das Innenministerium beabsichtigt, die nachgeordneten Polizeibehörden über diese Anforderungen zu unterrichten.

Was ist zu tun?
Das Innenministerium sollte sicherstellen, dass die gesetzlichen Regelungen bei der Anfertigung von Videoaufzeichnungen durch nachgeordnete Polizeibehörden beachtet werden.

4.2.4

Erinnerungsfotos im Polizeimassengewahrsam

Nimmt die Polizei im Zusammenhang mit Großveranstaltungen wie Demonstrationen oder Fußballspielen Personen zur Gefahrenabwehr in Polizeigewahrsam, so darf sie nur dann von ihnen Polaroidaufnahmen fertigen, wenn die Abwicklung des Gewahrsams auf Grund der hohen Anzahl der Personen und der Anforderungen des Polizeieinsatzes anders nicht möglich wäre. Nach Beendigung des Gewahrsams dürfen nur die Bilder von Personen zur Strafverfolgung weitergegeben werden, gegen die ein Anfangsverdacht vorliegt.

Zwei junge Demonstrantinnen, die im Verlauf einer sog. "Großlage” mehrerer, teilweise gegeneinander gerichteter Versammlungen von der Polizei gemeinsam mit mehreren hundert anderen Personen in Polizeimassengewahrsam genommen worden waren, wandten sich an uns. Bei Einlieferung in den Gewahrsam hatte die Polizei von ihnen und sämtlichen anderen Betroffenen Polaroidfotos gefertigt und diese nach Beendigung des Gewahrsams an die Polizeidienststelle abgegeben, welche wegen mehrerer Straftaten in Zusammenhang mit der "Großlage” ermittelte. Dort wurden die Fotos u.a. mit Videomaterial von den Versammlungen abgeglichen. Nachdem geklärt werden konnte, dass gegen die beiden Petentinnen keine Verdachtsmomente vorlagen, wurden deren Fotos vernichtet. Darüber, ob sie zu Recht erhoben worden waren, konnte zunächst keine Einigkeit erzielt werden.

Die Polizei argumentiert wie folgt: Die Bilddatenerhebung zur Abwicklung des Massengewahrsams stellte ein standardisiertes Verfahren dar, um Einsatzkräfte möglichst schnell wieder verfügbar zu machen und dennoch die erforderliche Zuordnung der Betroffenen sowie eine rasche und zweifelsfreie Identifizierung innerhalb des Gewahrsams bis hin zur Entlassung zu Gewähr leisten. Anhand des Fotos mit Namen des Betroffenen könnten die Beamten rasch und zuverlässig bestimmen, wer für einen Transport, die Abnahme bzw. Aushändigung mitgebrachter Sachen oder Kontaktaufnahmen von Angehörigen und Rechtsanwälten und schließlich für die Entlassung aus dem Gewahrsam anzusprechen sei, und dies für ihre Dokumentation vermerken. Wenn es zu einer großen Anzahl von Fest- bzw. Ingewahrsamnahmen komme, würde es vielfach zu lange dauern, die Betroffenen jeweils anhand ihrer ggf. mitgeführten Ausweispapiere zu identifizieren. Fotos würden bei Einlieferung in den Gewahrsam teilweise auch vom Betroffenen gemeinsam mit dem einliefernden Polizeibeamten eines sog. Festnahmetrupps gefertigt, damit für eine spätere Beweisführung in Gerichtsverfahren festgehalten werde, wer als Zeuge infrage komme. Wenn der Polizeieinsatz eine sofortige Rückkehr des Beamten an den Ort weiterer Festnahmen erfordere, solle ihm auf diese Weise ein zeitlich nicht vertretbares Ausfüllen von Formularen erspart werden.

Die Rechtslage stellt sich aus unserer Sicht wie folgt dar: Wenn, wie im Ausgangsfall, ein strafrechtlicher Anfangsverdacht nicht gegenüber allen in Gewahrsam Genommenen besteht, kann die Aufnahme der Polaroidfotos nicht auf Befugnisse zur Identifizierung und Beweisführung aus der Strafprozessordnung gestützt werden. Nach Landespolizeirecht ist eine Lichtbilderhebung in einer solchen Situation als "verkürzte” erkennungsdienstliche Maßnahme nur zulässig, um die Identität der Betroffenen zur Gefahrenabwehr im Einzelfall festzustellen, wenn eine Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist. Häufig führen Versammlungsteilnehmer oder andere in Gewahrsam zu nehmende Personen jedoch identifizierende Ausweispapiere bei sich. Dann ist eine Lichtbildanfertigung nur schwer begründbar, da die erstellten Bilder auch Aussagen über die Teilnahme der Betroffenen an der vorangehenden Versammlung zulassen. Sie ist als anerkanntermaßen letzte Möglichkeit einer sicheren Identifizierung allerdings vertretbar, wenn die Situation auf Grund der Anzahl der nach Lage der Dinge Betroffenen für die Polizei ohne Bildaufnahmen nicht zu bewältigen wäre.

Nach Beendigung des Gewahrsams bzw. Entlassung einzelner Personen aus dem Gewahrsam sollten die Bilder grundsätzlich entweder dem Betroffenen ausgehändigt oder gesondert zu Dokumentationszwecken befristet aufbewahrt werden, um nachweisen zu können, dass die Person im Gewahrsam war und welche Maßnahmen dort getroffen wurden. Eine zweckdurchbrechende Nutzung der Bilder insbesondere in Form eines Abgleichs mit Videomaterial über die Versammlung zum Zwecke der Strafverfolgung kommt nur bei einem bestehenden Anfangsverdacht als Voraussetzung für Maßnahmen nach der Strafprozessordnung in Betracht.

Was ist zu tun?
Der Innenminister sollte seine Erlasse an die polizeirechtlichen Vorgaben anpassen. Die polizeilichen Einsatzleiter müssen sensibel mit der Möglichkeit einer Ablichtung von Gewahrsamspersonen umgehen und in jedem Falle prüfen, ob die Verfahrensweise angemessen ist.

4.2.5

"ViCLAS” - Fahndungsmethode nach amerikanischem Vorbild

Schleswig-Holstein plant, sich an einer neuartigen polizeilichen Analysedatei zur Aufklärung schwerer Straftaten zu beteiligten. Die entsprechende Errichtungsanordnung muss aber vor allem im Hinblick auf den Schutz von Opfern datenschutzgerecht gestaltet werden.

Im Frühjahr 2000 wollen Bundeskriminalamt (BKA) sowie einige Landeskriminalämter die in Kanada entwickelte Software "ViCLAS” (Violent Crime Linkage Analysis System = Analysesystem zur Serienzusammenführung von Gewaltverbrechen) als Verbunddatei zum Einsatz bringen. Dieses System wird schon in den EU-Staaten Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und Österreich eingesetzt. Durch Fallanalysen werden alle objektiven Spuren und Erkenntnisse zu einer bestimmten Tat zusammengestellt und mit anderen Taten abgeglichen. Anhand der dadurch gewonnenen Täterprofile verspricht sich die Polizei eine schnellere und gezielte Aufklärung von Straftaten und das Erkennen von Serientätern. Darüber hinaus sollen mit diesem Verfahren auch Gefährdungsanalysen, Gefährlichkeitseinstufungen von Tätern sowie weitere Analysen möglich sein.

Anhand eines umfangreichen Fragebogens werden im Rahmen von ViCLAS nicht nur täterspezifische Informationen erhoben, sondern auch Daten zur Opferpersönlichkeit, zum vordeliktischen Opferverhalten sowie andere Informationen, die sehr weit in die Persönlichkeitssphäre, ja bis in den intimsten Bereich dieser und anderer Personen hineinreichen. Die Daten sollen in ein Analyse- und Datenbanksystem beim BKA eingespeichert werden, das mittelfristig als Verbunddatei betrieben werden soll.

Das ViCLAS-Datenbanksystem hat eine völlig neue Qualität polizeilicher Datenverarbeitung. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist dabei Folgendes zu berücksichtigen:

  • Da über Opfer sehr weitgehende und unter Umständen intime Informationen eingestellt werden sollen und damit Rückschlüsse auf ihre persönlichen Verhaltens- und Lebensgewohnheiten möglich sind, muss grundsätzlich eine Speicherung ohne die Personalien erfolgen.

  • Es dürfen nur Straftaten von erheblicher und überregionaler Bedeutung erfasst werden.

  • Der Umfang der einzustellenden Daten sollte sich nach der Erforderlichkeit im Einzelfall richten.

  • Die vorgesehenen Fristen zur Prüfung und Löschung der Daten sollten deutlich unter den bisher vorgesehenen 10 Jahren liegen.

  • Der Zugriff auf diese sensiblen Informationen sollte auf wenige, speziell geschulte Mitarbeiter beschränkt werden. Eine Vollprotokollierung der Zugriffe ist notwendig.

Was ist zu tun?
Der Innenminister sollte sich in Anbetracht der hohen Sensibilität von Informationen innerhalb von ViCLAS für die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Forderungen einsetzen.

4.2.6

Angekündigte Unangekündigte Kontrollen (AUK) im Polizeibereich

Auch in diesem Jahr haben wir einige Polizeidienststellen im Rahmen der AUK aufgesucht. In den geprüften Dienststellen der Polizeidirektionen West und Nord ist ein insgesamt positiv zu bewertendes Datenschutzbewusstsein vorhanden. Jedoch ergaben sich Mängel beim PC-Einsatz.

Festgestellte Detailmängel in der konventionellen Datenverarbeitung konnten von den betreffenden Dienststellen zumeist umgehend behoben werden. Der Umgang mit der eingesetzten EDV gibt jedoch immer wieder Anlass zu Beanstandungen, insbesondere dann, wenn die Dienststellen noch nicht an COMPAS angeschlossen sind. Zur Erleichterung des Arbeitsalltags wird in den Dienststellen vielfach ein Einzel-PC beschafft oder ein ausgedienter Privat-PC mitgebracht. Diese Geräte sollen lediglich als Schreibmaschinenersatz genutzt werden. In mühevoller Arbeit werden die polizeilichen Vordrucke in die elektronische Version gebracht. Der Fantasie sind offenbar keine Grenzen gesetzt, so werden beispielsweise auch das Führen von Stundennachweisen, Urlaubs-/Abwesenheitslisten, verschiedenen Dienst- und Tätigkeitsnachweisen mithilfe der PC automatisiert.

Die Regelungen des Innenministeriums zum Umgang mit Datenverarbeitungsanlagen werden allzu oft nicht beachtet. Zu beanstanden waren folgende Mängel:

  • fehlende Test- und Freigabeverfahren nach der Datenschutzverordnung,

  • mangelhafte Dokumentation der eingesetzten Verfahren,

  • unzureichende Authentifizierung durch ein individuelles Passwort,

  • keine eindeutige Vergabe von Zugriffs- und Nutzungsberechtigungen,

  • unterbliebene Aufnahme der Datenverarbeitungsanlagen in ein Geräteverzeichnis,

  • unterlassene Beteiligung des behördlichen Datenschutzbeauftragten bereits bei der Planung des Einsatzes einer Datenverarbeitungsanlagen,

  • fehlende Berücksichtigung der Richtlinien für die Nutzung privater Datenverarbeitungsanlagen in Diensträumen.

Was ist zu tun?
Die Polizeidirektionen als Daten verarbeitende Stellen sollten künftig unter Mitwirkung der behördlichen Datenschutzbeauftragten die Einhaltung der vom Innenministerium erlassenen Regelungen beim Umgang mit PC genauer kontrollieren.

4.2.7

Freiwillige DNA-Analysen?

Das Gesetz verlangt für die Durchführung von DNA-Analysen und deren präventive Speicherung eine richterliche Anordnung. Manche Polizei- und Justizbehörden meinen, es genüge, wenn der Betroffene eine formularmäßige Einwilligungserklärung unterschrieben hat. In Schleswig-Holstein wird bislang für die präventive Nutzung des "genetischen Fingerabdrucks” nicht mit Einwilligungen gearbeitet. Hierbei muss es aus rechtlicher Sicht auch bleiben.

Nach der Verabschiedung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes im vergangenen Jahr (vgl. 21. TB, Tz. 4.2.4) ist die DNA-Datei beim Bundeskriminalamt (BKA) aufgebaut worden. Auch aus Schleswig-Holstein wurden Datensätze eingegeben; die ersten hiesigen Erfolge mit der Datei bei der Aufklärung erheblicher Straftaten konnten ebenfalls schon verzeichnet werden.

Die Verfahrensweise bis zur Speicherung in der Datei ist dank eines Erlasses des Justiz- und des Innenministeriums bislang klar und gesetzeskonform: Die Entnahme von Körperzellen (z. B. von Gefangenen einer Justizvollzugsanstalt) ist - wie bei Blutproben - auf Grundlage einer Einwilligung des Betroffenen zulässig; für die anschließende molekulargenetische Untersuchung zur Erstellung des DNA-Profils und für die Einspeisung in die Datenbank des BKA, auf die im Land nur das Landeskriminalamt unmittelbaren Zugriff hat, ist eine vorherige richterliche Anordnung einzuholen. Dies gilt ausdrücklich für die präventive Speicherung eines im Verlauf eines Strafverfahrens zu Beweiszwecken erstellten DNA-Analyseergebnisses, denn das Gesetz (§ 81g Strafprozessordnung) sieht zusätzliche materielle Kriterien der erheblichen Schwere der Tat und der Wiederholungsgefahr vor, die eine richterliche Prüfung durchlaufen müssen.

In der Praxis haben Richter bereits verschiedentlich Anträge der Ermittlungsbehörden auf präventive Speicherungen abgelehnt. Der Richtervorbehalt ist also keine bloße Formalie, sondern eine entscheidende Verfahrenssicherung für die Rechte des Betroffenen.

Das Innenministerium teilte uns jedoch zwischenzeitlich mit, dass sich die schleswig-holsteinische Polizei den z. B. in Bayern beschrittenen Weg für die Zukunft offen halten wolle, präventive DNA-Analysen und deren dauerhafte Speicherung in der Datei mit bloßer "Einwilligung” des Betroffenen vorzunehmen. Worauf sich dieser Wunsch nach einer Umgehung der richterlichen Prüfung gründet, wird dabei nicht deutlich. Auch im Verfahren der Zustimmung zu einer neugefassten Errichtungsanordnung für die DNA-Datei hat sich Schleswig-Holstein zusammen mit Bayern für die Aufnahme einer ausdrücklichen Bestimmung eingesetzt, nach der Speicherungen unter bestimmten Voraussetzungen auf der Grundlage einer Einwilligung vorgenommen werden dürfen.

Vereinzelte Gerichtsurteile und Stimmen in der Literatur meinen, die "freiwilligen” DNA-Analysen und -Speicherungen seien zulässig, weil dann kein Rechtseingriff vorliege. Die durch andere Gerichte vertretene gegenteilige Auffassung weist zutreffend darauf hin, dass vielfach eine faktische Zwangssituation für die Betroffenen besteht, nicht durch eine Weigerung, das Einwilligungsformular zu unterschreiben, negativ aufzufallen, insbesondere im Strafvollzug. Außerdem ist es für den Betroffenen in der Regel nicht zu überblicken, welche Folgen die Speicherung in der Datei für ihn haben kann, z. B. eine Übermittlung an dritte Behörden oder einen Abgleich mit dem Bestand an DNA-Spuren unmittelbar bei Einstellung des Profils in die Datei, wodurch eine Zuordnung zu noch nicht aufgeklärten Straftaten versucht wird. Es ist realitätsfremd anzunehmen, dass eine Belehrung des Betroffenen dies alles abdecken kann. Anders als im Strafverfahren, wo er sich durch eine DNA-Analyse auch entlasten kann, bringt eine präventive Speicherung für den Betroffenen keinerlei Vorteile, die als Motiv für seine Einwilligung dienen könnten. Aber auch die richterliche Prüfung der materiellen Voraussetzungen einer präventiven DNA-Analyse, nämlich eine erhebliche Straftat und die Wiederholungsgefahr, kann nicht durch eine Einwilligung ersetzt werden. Weder der Betroffene selbst noch die Polizei oder die Staatsanwaltschaft sind nach dem Gesetz entscheidungsbefugt.

Schließlich ist zu bedenken, dass Zwangsmaßnahmen nach Strafprozessrecht generell nicht einfach auf eine Einwilligung gestützt werden können, nur weil Verfahrensvoraussetzungen nicht vorliegen oder ein Anordnungsvorbehalt als lästig angesehen wird. Die freiwillige Herausgabe von Gegenständen etwa ist ausdrücklich gesetzlich genannt und kann jederzeit widerrufen werden. Was wäre jedoch die Folge des Widerrufs einer Einwilligung in die Speicherung des DNA-Profils? Die Vorstöße einiger Polizeien, leider auch der schleswig-holsteinischen, in Richtung "freiwilliger” DNA-Analysen stellen daher einen sachlich wie rechtlich nicht zu begründenden Bruch mit der rechtsstaatlichen Verfahrenssicherung des Richtervorbehalts dar, gegen den sich auch die Konferenz der Datenschutzbeauftragten einhellig ausgesprochen hat.

Was ist zu tun?
Der Innen- und der Justizminister sollten bei der bisherigen gesetzeskonformen Verfahrensweise bleiben und eine richterliche Prüfung für DNA-Analysen und deren Speicherung in jedem Einzelfall beibehalten.

4.2.8

Öffentlichkeitsfahndung im Internet

Die Fahndung nach mutmaßlichen Straftätern per Internet kann - insbesondere bei Fällen mit Auslandsbezug - sinnvoll sein. Sie birgt aber gegenüber anderen Medien aus technischen Gründen besondere Risiken für die Authentizität und Rückholbarkeit des Fahndungsaufrufs. Deshalb sollte sie nur gegen Verbrecher eingesetzt werden.

Zur Frage, ob eine Öffentlichkeitsfahndung der Polizei im Internet aus rechtlichen und technischen Gründen vertretbar ist, besteht unter den Länderpolizeien und Datenschutzbeauftragten ein breites Meinungsspektrum, das sich auch in einer stark divergierenden Fahndungspraxis der Landeskriminalämter widerspiegelt. Während etwa Sachsen-Anhalt eine Öffentlichkeitsfahndung nach Personen im Internet - mit Ausnahme der Verbreitung von Phantombildern - wegen fehlender gesetzgeberischer Vorgaben gänzlich ausschließt, macht die bayerische Polizei in sehr weitem Umfang, bis in Bereiche der mittleren Kriminalität hinein, vom Internet zu Fahndungszwecken Gebrauch. Wie von der Konferenz der Datenschutzbeauftragten bereits 1996 kritisiert wurde, enthält das geltende Recht bislang keine hinreichend spezifische Rechtsgrundlage für Öffentlichkeitsfahndungen.

Es handelt sich beim Internet um einen sehr großen, räumlich nicht eingeschränkten Verbreitungsradius für Fahndungsinformationen. Durch die dauerhafte Abrufbarkeit wird die Einwirkung auf die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen im Vergleich zu Presse- und Fernsehpublikationen gesteigert. Außerdem kann eine Rücknahme von Fahndungsmaßnahmen bei Wegfall des Fahndungsgrundes - z. B. weil jemand irrtümlich verdächtigt wurde - auf Grund der technischen Gegebenheiten des Internet nicht vollständig umgesetzt werden. Fahndungsaufrufe und Bildinformationen können an jede beliebige andere Stelle im Internet kopiert werden, ohne dass die Polizei überhaupt in der Lage wäre, die Tatsache der Erstellung einer Kopie festzustellen und sämtliche vorhandenen Kopien im Netz aufzufinden. Nach dem bisherigen Stand der Technik ist es auch nicht möglich, die Kopierbarkeit von Informationen im Internet einzuschränken. Somit müssen dort eingestellte Informationen derzeit generell als nicht rückholbar angesehen werden mit der Konsequenz, dass die Einhaltung von Löschungsverpflichtungen z. B. für den Fall, dass der Tatverdacht gegen die ausgeschriebene Person entfällt, aber auch nach ihrer Ergreifung, letztlich nicht gewährleistet werden kann.

Selbst bei Anwendung der derzeit verfügbaren Verfahren zur Datensicherheit und zum Datenschutz kommt auf Grund der verbleibenden, spezifischen Risiken einer Veröffentlichung personenbezogener Daten im Internet eine Nutzung dieses Mediums zu Fahndungszwecken - mit Ausnahme der Sachfahndung ohne Personenbezug - lediglich zur Verfolgung herausragender Straftaten wie Verbrechen oder zur Vollstreckung entsprechender Freiheitsstrafen in Betracht. Zusätzlich sollte eine Internet-Fahndung stets subsidiär gegenüber anderen Fahndungsmaßnahmen sein, die den Betroffenen weniger beeinträchtigen, z. B. regional begrenzten Aufrufe, falls der vermutete Aufenthaltsort des Gesuchten näher konkretisiert werden kann. Die Dringlichkeit des Tatverdachts, die Schwere des Tatvorwurfs und die vom Gesuchten ausgehende Gefahr sind in jedem Falle mit seinem Persönlichkeitsrecht abzuwägen.

Die schleswig-hosteinische Polizei ist mittlerweile mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten. Die wenigen dort aufgeführten Personenfahndungen betreffen herausragende Taten wie Bankraub und Mord sowie einen entflohenen, verurteilten Sexualstraftäter. Eine verbindliche Regelung, unter welchen Voraussetzungen eine Internet-Personenfahndung zulässig ist, fehlt zwar bislang auf Landesebene. Die Praxis des Landeskriminalamtes entspricht bislang allerdings unseren Vorschlägen.

Was ist zu tun?
Die bisherige Praxis in Schleswig-Holstein, Internet-Fahndungen nur für besondere, schwerste Taten einzusetzen, sollte beibehalten und durch Justiz- und Innenminister verbindlich gemacht werden. Der Bundesgesetzgeber sollte eine internetspezifische Regelung über Öffentlichkeitsfahndungen in der Strafprozessordnung verankern.

4.2.9

Personenverwechslung in einem Bußgeldverfahren und ihre fatalen Folgen

Wegen unzureichender Prüfung der Personalien durch die Polizei wurde eine falsche Person mit den Folgen eines nicht bezahlten Bußgeldes bis hin zum Versuch einer Gehaltspfändung belastet.

Da staunte die Betroffene nicht schlecht, als sie von ihrem Arbeitgeber auf eine gegen sie gerichtete Pfändungs- und Überweisungsverfügung angesprochen wurde. Dies war der Gipfel einer Reihe von unerklärlichen Vorgängen. So wurde ihr u. a. durch einen Mobilfunkbetreiber die Anschaffung eines Mobiltelefons verweigert. Des Weiteren wurde sie von den Stadtwerken wegen angeblich nicht bezahlter Rechnungen behelligt. Ausgangspunkt für die Gehaltspfändung beim Arbeitgeber war eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr, die, wie sich später herausstellte, aber von einer anderen, namensgleichen Person begangen worden war. Anhand des Geburtsdatums hätten die beteiligten Behörden die unterschiedliche Identität beider Personen eigentlich sofort feststellen müssen.

Da die Post an die verantwortliche Person im Bußgeldverfahren als unzustellbar zurückkam und auch sonst keine Klärungsmöglichkeit bestand, ersuchte die zuständige Kreisbußgeldstelle die Polizei um Ermittlung des Aufenthaltsortes. Durch Befragung der auch der Polizei online zur Verfügung stehenden Meldedaten wurde eine namensgleiche Person innerhalb des gleichen Wohnortes ausfindig gemacht, wobei dem ermittelnden Beamten unverständlicherweise das unterschiedliche Geburtsdatum nicht auffiel. Diese Person wurde bei einer Überprüfung an der Wohnadresse nicht angetroffen, sodass der Beamte es bei dem Abgleich des Vor- sowie Zunamens anhand des Briefkastens bewenden ließ. Damit nahm die Irrtumskette mit erheblichen Folgen für die zu Unrecht Betroffene ihren Lauf. Der peinliche Irrtum wurde von polizeilicher Seite eingeräumt. Sie setzte sich mit der Betroffenen in Verbindung und entschuldigte sich für die entstandenen Unannehmlichkeiten.

Was ist zu tun?
Die Polizei sollte bei Personenfeststellungen äußerst sorgfältig vorgehen.


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