18. Tätigkeitsbericht (1996)



3.

Datenschutz im Landtag

3.1

Informationsrechte des Parlaments und Datenschutz Betroffener

Die Informationsrechte des Parlaments sind ein wichtiges Mittel zur Kontrolle der Regierung. Wo die datenschutzrechtlichen Grenzen liegen, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.

3.1.1

Personenbezogene Daten in Antworten auf parlamentarische Anfragen

Wir wurden um Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob in der Antwort auf eine Kleine Anfrage personenbezogene Angaben über den Teilnehmerkreis an einer Fortbildungsveranstaltung der Staatskanzlei gemacht werden könnten. Während wir bei anderer Gelegenheit gegen die Bekanntgabe von Personalaktendaten im Zusammenhang mit Kleinen Anfragen wegen des Personalaktengeheimnisses Bedenken erhoben und Hinweise für eine weitgehende Anonymisierung gegeben hatten (vgl. 17. TB, Tz.. 3.1), galt dies für eine Aufzählung der Funktionen der Lehrgangsteilnehmer nicht. Die Aussage, daß z.B. die Ministerpräsidentin, der Chef der Staatskanzlei, eine Mitarbeiterin aus dem Vorzimmer der Ministerpräsidentin, der Leiter des Büros der Ministerpräsidentin usw. an der Veranstaltung teilgenommen haben, war unbedenklich. Die Betroffenen haben nämlich in ihrer dienstlichen Eigenschaft bzw. auf dienstliche Weisung an der Veranstaltung teilgenommen. Diese Tatsache braucht vor der Öffentlichkeit zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen nicht vertraulich behandelt zu werden. Besondere Umstände, die im Einzelfall eine andere Behandlung notwendig erscheinen ließen (z.B. vereinbarte Vertraulichkeit der Sitzung), lagen hier nicht vor.

3.1.2

Aktenvorlagebegehren eines Ausschusses und der Schutz von Personaldaten


Anders als beim vorherigen Fall traten datenschutzrechtliche Probleme auf, als die Opposition einen Eingriff in die Unabhängigkeit eines Richters vermutete, weil dieser zusätzlich zu seiner richterlichen Tätigkeit an das Justizministerium zur Erledigung von Verwaltungsaufgaben abgeordnet worden war. Sie verlangte vom Justizminister die Vorlage der Akten. Dabei ging es auch um Teile der Personalakte, mit deren Vorlage an das Parlament der Betroffene nicht einverstanden war. Auch nach unserer Auffassung war dies ohne seine Einwilligung nur zulässig, wenn die Angelegenheit in nichtöffentlicher Sitzung beraten und die Unterlagen "vertraulich" behandelt wurden. Mit diesen Maßgaben übersandte der Justizminister die erbetenen Unterlagen.

Bevor der Ausschuß über die Verfahrensweise beschlossen hatte, konnten einzelne Ausschußmitglieder bereits Einsicht in die Akten nehmen. Kurze Zeit später wurde deren Inhalt sogar öffentlich diskutiert. Die Ausschußvorsitzende hat die Mitglieder richtigerweise auf die Notwendigkeit vertraulicher Behandlung solcher Daten hingewiesen, über deren Vertraulichkeit durch den Ausschuß noch nicht beschlossen ist. Bis dahin sind die Vorgaben zu beachten, die die Regierung bei der Vorlage der Unterlagen gemacht hat.

3.1.3

Nachprüfung der Berufung eines Hochschullehrers durch den Landtag


Ähnlich war ein Fall gelagert, in dem es um einen bereits abgeschlossenen Vorgang über die Berufung eines Hochschullehrers ging. Am Berufungsverfahren sind nach dem Hochschulgesetz verschiedene Institutionen (Berufungsausschuß, auswärtiger Gutachter, Fachbereichskonvent) beteiligt. Erst nach deren Votum und ggf. nach mehreren Auswahldurchgängen wird der Ministerin ein Berufungsvorschlag unterbreitet. Die Auffassungen und Werturteile in den "auswärtigen Gutachten" sind bestimmten Personen zuordenbar; die Auswahlvermerke geben den Meinungsbildungsprozeß innerhalb des Ministeriums wieder.

Die Inhalte dieser Berufungsvorgänge sind zwar als sensible Personaldaten anzusehen, sie sind jedoch nicht dem engen Kreis der streng persönlichen Informationen zuzuordnen, deren Weitergabe an das Parlament das Bundesverfassungsgericht im Flick-Urteil als unzumutbar ansah. Immerhin handelt es sich um eine Auswahlentscheidung für eine herausgehobene Funktion im öffentlichen Dienst und um Personen, die ihre Tätigkeit zumindest partiell in der Öffentlichkeit ausüben. Aus datenschutzrechtlichen Gründen war deshalb eine generelle Verweigerung der Akteneinsicht nicht geboten. Jedoch haben wir empfohlen, den Ausschluß öffentlicher personenbezogener Beratungen und Diskussionen sowie eine Einstufung der Unterlagen nach der Geheimschutzordnung einschließlich eines Kopierverbots zu beschließen, soweit eine Aktenvorlage ohne die Einwilligung aller Betroffenen erfolgen sollte. Überdies haben wir darauf aufmerksam gemacht, daß nach dem Landesdatenschutzgesetz Bewerberdaten zu löschen sind, sobald feststeht, daß ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis nicht zustande kommt.

3.2

Keine Verwertung von Stasi-Abhörprotokollen durch den "Schubladen-Untersuchungsausschuß"


Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß des Landtages darf keine Unterlagen auswerten, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen. Die Verwendung von Stasi-Unterlagen zum Nachteil von Stasi-Opfern ist unzulässig.

Auf Bitten des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der 13. Wahlperiode ("Schubladen-Untersuchungsausschuß") haben wir ein Gutachten zu der Frage erstellt, ob und in welchem Umfang der Ausschuß die Erkenntnisse aus der Abhörtätigkeit der Staatssicherheit (Stasi) der ehemaligen DDR verwenden durfte. Der Ausschuß hatte frühere Stasi-Mitarbeiter als Zeugen vernommen und vom Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ca. 800 Blatt Abhörprotokolle erhalten. Ebenso wie der Innenminister hatten wir grundsätzliche Bedenken gegen eine Verwertung der Erkenntnisse.

Der Ausschuß hat es ausdrücklich als mögliche Zielrichtung seiner Nachforschungen bezeichnet, daß die Stasi-Unterlagen zum Nachteil der vom MfS überwachten Personen verwendet würden. § 5 Abs.  1 des Gesetzes über die Unterlagen des früheren Ministeriums für Staatssicherheit, eine der zentralen Bestimmungen des Gesetzes, verbietet dies jedoch ausdrücklich. Die

 

Aufbewahrung der unter grob rechtsstaatswidrigen Bedingungen erhobenen Informationen ist ohnehin nur mit den Interessen der Opfer und der Notwendigkeit einer

 

systematischen

 

Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit zu rechtfertigen. Es hätte die Intentionen des Gesetzes in ihr Gegenteil verkehrt, wenn die Unterlagen erneut zum Nachteil der Stasi-Opfer eingesetzt worden wären.

Das gleiche Ergebnis ist aus Artikel 10 Grundgesetz (Post- und Fernmeldegeheimnis) herzuleiten. Der Schutzbereich dieses Grundrechts umfaßt nicht nur den Schutz gegen den Vorgang des Abhörens und des Aufzeichnens von Telefongesprächen selbst. In erster Linie ist die Vertraulichkeit des Inhalts des Telefongespräches geschützt. Mithin ist auch die Aufbewahrung von Abhörprotokollen und ihre Auswertung ein Eingriff in dieses Grundrecht. Es ist auch gerichtlich ausdrücklich anerkannt, daß in der Verwertung der aus einer Telefonüberwachung gewonnenen Unterlagen durch einen Untersuchungsausschuß ein neuer Eingriff in das grundgesetzlich garantierte Fernmeldegeheimnis liegt. Diese Rechtsprechung, die richterlich genehmigte Telefonabhörmaßnahmen auf der Grundlage der Strafprozeßordnung zum Gegenstand hatte, muß für ­ nach unserem Rechtsverständnis - illegale Abhörmaßnahmen der Staatssicherheit gegen Politiker in besonderem Maße gelten. Sie wurden nämlich durchgeführt, ohne daß der Anfangsverdacht irgendeiner Straftat vorlag, weder gegen den Politiker noch gegen die abgehörten Personen. Hinzu kommt, daß dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß nach der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis gerade nicht gestattet sind.

Daß diese Auffassung auch zu einem vernünftigen Ergebnis führt, wird auch durch folgende Kontrollüberlegung deutlich: Würde die DDR noch existieren, so wären entsprechende Abhörprotokolle - einmal angenommen, das MfS hätte sie großzügig angeboten - sicher mit Empörung zurückgewiesen worden. Mit Auflösung der DDR können sich aber grundsätzliche rechtsstaatliche Überlegungen nicht plötzlich verändert haben. Wir haben deshalb dafür plädiert, die Unterlagen ungelesen an den Bundesbeauftragten zurückzusenden und die bereits durchgeführten Vernehmungen nicht zu verwerten. Der Ausschuß folgte dieser Empfehlung zunächst nicht. Darauf bemühten einige der Betroffenen die Gerichte. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Kiel bestätigten im wesentlichen unsere Auffassung. Der Ausschuß kam im Ergebnis nicht umhin, so zu verfahren wie von uns empfohlen. Die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung der Stasi wurden nicht verwertet.

Was ist zu tun?
Der Bundesgesetzgeber sollte im Stasi-Unterlagengesetz für eine Klarstellung sorgen und dabei die Rechtsprechung des Amts- und des Landgerichts Kiel berücksichtigen.

3.3

Datenschutzordnung für den Landtag

In der kommenden Legislaturperiode ist mit der Verabschiedung einer Datenschutzordnung für den Landtag zu rechnen.

In Gesprächen mit den Fraktionen und mit der Landtagsverwaltung haben wir uns dafür eingesetzt, den bislang in dem Entwurf für eine Datenschutzordnung vorgesehenen Begriff der "parlamentarischen Aufgaben", für die dem Parlament zugegangene personenbezogene Daten verwendet werden sollen, stärker zu präzisieren. Nachdem sich dies als schwierig herausstellte, wurde versucht, spezielle Regelungen für besonders sensible Daten zu schaffen. Hier zeichneten sich tragbare Lösungen ab. Es wird Sache des neugewählten Landtages sein, über die Datenschutzordnung zu beschließen. Dies sollte zügig geschehen, damit nicht immer wieder im laufenden parlamentarischen Betrieb kurzfristig über datenschutzrechtliche Fragen entschieden werden muß, die eigentlich vorab grundsätzlich geklärt werden könnten.


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