17. Tätigkeitsbericht (1995)



3.

Datenschutz im Parlament

3.1

Befugnisse parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Lichte des Datenschutzes

Die Tätigkeit des "Schubladenausschusses" wirft Fragen nach dem Verhältnis seiner Ermittlungsrechte zum Datenschutzrecht auf. Über die Zulässigkeit von Beweisanträgen muß jeweils im konkreten Fall entschieden werden.

Nachdem wir uns bereits 1993 generell zum Umfang des Beweiserhebungsrechts eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geäußert hatten (16. TB, Tz. 3.1), wurden wir auch im Berichtsjahr um Stellungnahmen zur Zulässigkeit einzelner Beweisbeschlüsse gebeten. Insbesondere Auskünfte über finanzielle Transaktionen auf den Privatkonten von Bürgern, die vom Untersuchungsausschuß teilweise pauschal und für verhältnismäßig lange Zeitabschnitte erbeten wurden, haben wieder die Frage des Umfangs des Aufklärungsanspruchs eines Parlaments in den Vordergrund treten lassen.

Dem verfassungsmäßigen Recht des einzelnen auf Datenschutz steht gleichrangig der verfassungsrechtliche Anspruch des Untersuchungsausschusses auf Information gegenüber. Die notwendige Rechtsgüterabwägung ist bei jedem Beweisbeschluß von neuem zu treffen. Dabei muß der Ausschuß Entscheidungen treffen, durch die das Beweiserhebungsrecht und der grundrechtliche Datenschutz einander so zugeordnet werden, daß beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalten (Flick-Urteil des Bundesverfassungsgerichts). Zudem sollte das Parlament Vorkehrungen für den Geheimschutz treffen.

Diese abstrakt formulierten Grundsätze bereiten in der Praxis deshalb besondere Schwierigkeiten, weil Untersuchungsgegenstand des "Schubladen"-Ausschusses gerade der Verdacht ist, daß Maßnahmen aus dem Verantwortungsbereich von Regierung und Parteien sowie privates Engagement miteinander verflochten waren. Deshalb müssen gerade private Aktivitäten daraufhin überprüft werden, in welcher Beziehung sie zu den amtlichen stehen. Dazu kann es auch gehören, auffällige private Kontenbewegungen zu bewerten.

Allerdings ließen einige der Beweisbeschlüsse Zweifel aufkommen, ob sie zu dem Beweisthema noch in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dies war vor allem der Fall, als pauschal alle Kontenbewegungen für mehrere Jahrgänge erhoben werden sollten. Hier hätte durch eine möglichst enge zeitliche Eingrenzung erfragter Kontenbewegungen sowie durch eine Spezifizierung der interessierenden Transaktionen (z.B. auf Buchungen von mehr als einer bestimmten Summe oder durch eine Beschränkung auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen) Rücksicht auf Betroffene genommen werden sollen.

Wie sehr allerdings die Meinungen über die Zulässigkeit entsprechender Auskunftsersuchen auseinandergehen können, wird aus den Reaktionen der vom Ausschuß angesprochenen Banken deutlich. Sie reichen von Ablehnung über den Versuch, eine Eingrenzung der erbetenen Daten zu erreichen, bis hin zu unkritischen Vollauskünften. Offenbar bestehen bei diesen Stellen unterschiedliche Auffassungen sowohl hinsichtlich des parlamentarischen Informationsanspruchs als auch hinsichtlich der Bedeutung vertraglicher Bindungen zwischen Bank und Kunden.

Der datenschutzrechtliche Inhalt solcher Verträge -und damit der Umfang des "Bankgeheimnisses" - ist nach unserer Auffassung im BDSG nur unzulänglich geregelt und führt gerade an der Schnittstelle zwischen privaten und öffentlichen Interessen immer wieder zu Unsicherheiten.

Grundsätzliche Überlegungen sind auch bei der Frage anzustellen, welche staatsanwaltschaftlichen Unterlagen über den verstorbenen Ministerpräsidenten Dr. Barschel im Untersuchungsausschuß vorzulegen sind. Nach der Landesverfassung kann eine solche Vorlage abgelehnt werden, "wenn schutzwürdige Interessen einzelner, insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen". Datenschutzrechtliche Maßstäbe sind zwar nur bei Informationen über natürliche, also lebende Personen, nicht aber über Verstorbene anzulegen; jedoch gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (sog. "Mephisto-Beschluß") der grundrechtliche Schutz der Menschenwürde über den Tod hinaus.

Im Regelfall entscheidet und verantwortet die Exekutive die Herausgabe der Unterlagen allein. Dies kann aber speziell im Verhältnis zu den Informationsansprüchen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nicht uneingeschränkt gelten. Hier empfiehlt sich die Beteiligung des Ausschusses (z.B. der Vorsitzenden oder der Obleute) an der Vorauswahl der zu Verfügung zu stellenden Unterlagen (vgl. Flick-Urteil des Bundesverfassungsgerichts).

Eine kritische Prüfung jedes einzelnen Beweisantrages anhand dieser Kriterien ist auch in der weiteren Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses angezeigt.

3.2

Beantwortung parlamentarischer Anfragen durch die Landesregierung

Nach der Landesverfassung kann die Landesregierung die Beantwortung von Fragen aus dem Landtag ablehnen, wenn schutzwürdige Interessen einzelner entgegenstehen. Wann dies zulässig ist, entscheidet sich an den Umständen des Einzelfalls.

Immer häufiger werden wir bei Zweifelsfragen über den Umfang der Auskunfts- und Aktenvorlagepflicht der Regierung gegenüber dem Parlament um Rat gefragt, so auch bei der Großen Anfrage der CDU-Fraktion zur Personalpolitik der Landesregierung an den Landesbeauftragten mit der Bitte um datenschutzrechtliche Stellungnahme herangetragen.

Deren Inhalt war von der Fragestellung her zunächst datenschutzrechtlich neutral. Es wurde nämlich nicht nach Informationen über einzelne natürliche Personen gefragt. Aus bestimmten Kombinationen konnten sich jedoch sehr kleine Fallzahlen ergeben, die dann mit geringen Zusatzinformationen (z.B. Geschäftsverteilungspläne, Telefonverzeichnisse) zum Personenbezug der Daten führen konnten.

Wir haben deshalb empfohlen, wegen des weit verbreiteten Zusatzwissens über personelle Gegebenheiten in der Landesverwaltung von Detailinformationen im Rahmen der Großen Anfrage dann abzusehen, wenn weniger als fünf Fälle gleiche Merkmalsausprägungen hatten.

Als unproblematisch können nur solche personenbezogenen Angaben angesehen werden, deren Inhalt offenkundig bekannt ist. Das trifft z.B. auf aktuelle Einstufungen von Mitarbeitern zu, die in Geschäftsverteilungsplänen festgehalten sind oder, wie bei Beförderungen, einem größeren Personenkreis bekannt werden. Es kann generell davon ausgegangen werden, daß Laufbahninformationen aus der Zeit nach Einstellung in den Landesdienst für Betroffene keinem besonderen Vertrauensschutz unterliegen. Das gleiche gilt, wenn die Betroffenen mit einer Weitergabe von Daten einverstanden waren, z.B. wenn ihre Einstellung zu Pressemitteilungen und Darstellungen ihrer Laufbahn in der Öffentlichkeit geführt hat.

3.3

Datenschutzregelung für das Parlament

Das Landesdatenschutzgesetz gilt nicht für die inneren Angelegenheiten des Parlaments. Es will sich deshalb seine eigene Datenschutzordnung geben. Der Entwurf sollte noch verbessert werden.

Wir haben uns bereits (16. TB, Tz. 3.1) dazu geäußert, wie der praktische Umgang der Landtagsverwaltung mit den personenbezogenen Daten der Abgeordneten gestaltet werden sollte. Daneben wurde schon vor einiger Zeit von dem Parlament die Notwendigkeit erkannt, auch für die Parlamentsarbeit selbst zusammenfassende Grundvorschriften über den Datenschutz zu schaffen. Denn das LDSG ist dort nicht unmittelbar anwendbar und kann nur als Auslegungshilfe bei Einzelfragen herangezogen werden. Wir sind gebeten worden, zu den Entwürfen Stellung zu nehmen.

Es ist vorgesehen, in einer parlamentarischen Datenschutzordnung vergleichbare Grundsätze des Datenschutzes für das Parlament zu vorzuziehen, wie sie die Datenschutzgesetze für die Exekutive festlegen. In weitem Umfang soll durch Verweisungen der materielle Gehalt der Datenschutzgesetze übernommen werden.

Der Anwendungsbereich der Datenschutzordnung soll sich auf "parlamentarische Aufgaben" beziehen, und die Datenverarbeitung soll insgesamt nur für "parlamentarische Zwecke" zulässig sein. Weiter sollen die Abgeordneten zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Schließlich soll auf die Datenschutzordnung nur dann zurückgegriffen werden, wenn nicht andere Vorschriften, wie etwa das Abgeordnetengesetz oder das Untersuchungsausschußgesetz, speziellere Regelungen enthalten.

Wir haben die Überlegungen des Landtages begrüßt und darauf hingewiesen, daß das Datenschutzrecht des Parlaments möglichst so wie das allgemeine Datenschutzrecht gestaltet sein sollte, sofern nicht die andersartige Aufgabe und Arbeitsweise des Parlaments etwas anderes gebieten.

Wichtig wird es jedoch sein, "parlamentarische Aufgaben" konkreter von solchen Aktivitäten der Abgeordneten abzugrenzen, die sich zwar im politischen, aber nicht im parlamentarischen Bereich, z.B. in Verbänden, Parteien o.ä., vollziehen. Je exakter dies bereits in der Datenschutzordnung definiert ist, um so weniger wird eine künftige Praxis mit Abgrenzungsschwierigkeiten zu kämpfen haben.

Bedenken haben wir allerdings dagegen geäußert, daß alle parlamentarischen Aktivitäten als ein einheitlicher Zweck angesehen werden sollen, an den die Datenverarbeitung gebunden wäre. Das würde bedeuten, daß Daten innerhalb des gesamten parlamentarischen Raumes ohne Einhaltung irgendwelcher Zweckbindungen verwendet werden dürften. Hier sollte nach unserer Auffassung geprüft werden, ob nicht Differenzierungen in den Aufgabenbereichen eines Parlaments berücksichtigt werden müssen. Die Datenverarbeitung bei der Haushaltskontrolle folgt anderen Anforderungen als bei Gesetzgebungsvorhaben. Eingaben an den Petitionsausschuß sind anders zu behandeln als Mitteilungen aus anderen Bürgerkontakten, Gesundheits- und Steuerdaten anders als personenbezogene Informationen aus Pressemeldungen. In jedem Fall sollte bei solchen personenbezogenen Informationen, die Betroffene freiwillig für einen bestimmten Zweck zur Verfügung stellen, ausschließlich diese Zweckbestimmung für die weitere Verarbeitung der Daten zugrunde gelegt werden.

Der Erlaß einer Datenschutzordnung würde nicht nur eine Klärung datenverarbeitungsrechtlicher Verhältnisse im Landtag selbst bringen, sondern auch auf die Zusammenarbeit von Legislative und Exekutive ausstrahlen und Bedeutung für die Auskunftspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag haben. Die Wirksamkeit einer solchen Datenschutzordnung wäre nämlich bei der Prüfung der Schutzwürdigkeit von Einzelinteressen im Zusammenhang mit Auskünften der Landesregierung zu berücksichtigen. Das könnte dazu führen, daß die Landesregierung eher zu Auskünften und zur Herausgabe von Unterlagen bereit sein müßte.


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