15. Tätigkeitsbericht (1993)



4.4

Steuerverwaltung

4.4.1

Was hat der Name eines Hypothekengläubigers mit der Höhe eines Einheitswertes zu tun?

Die Behörden im Lande neigen nach wie vor dazu, mittels "hausgemachter" Vordrucke zu viele Daten zu erheben.

Einheitswerte werden von Finanzämtern ermittelt, um den steuerlichen Wert von Grundstücken bei der Festsetzung der Grundsteuer, der Gewerbesteuer, der Vermögenssteuer, der Einkommenssteuer usw. zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um "künstliche" Werte, die z.B. bei Einfamilienhäusern aus dem Mietwert nach den Wertverhältnissen von 1964 abgeleitet werden. Deshalb war ein Steuerpflichtiger erstaunt, daß man von ihm in einem Vordruck der als "Grundstücksbeschreibung" bezeichnet war, auch Angaben über die Höhe der Fremdfinanzierung, die Namen der Geldgeber sowie die Höhe der Zinsen und der Tilgungsraten abverlangte. Die Nachfrage beim Finanzamt, was denn z.B. die Namen der Hypothekengläubiger mit der Höhe des Einheitswertes zu tun hätten, führten zwar zu einer Belehrung über das Recht der Einheitsbewertung im allgemeinen, nicht aber zu einer konkreten Antwort auf die gestellte Frage. Es wurde schlicht festgestellt, daß die Angaben erforderlich seien.

Auch uns gelang es nicht, die Oberfinanzdirektion als die nächst "höhere" Instanz dazu zu bewegen, besagte Erforderlichkeit zu begründen. Man beharrte darauf, daß die Angaben über die Finanzierung der Immobilie für die Feststellung des Einheitswerts "sachdienlich" seien.

Als wir diese Form der Datenerhebung daraufhin förmlich beanstandeten, schaltete sich die Finanzministerin ein. Nach Befragung der Finanzministerien der anderen Bundesländer wurde folgende Entscheidung getroffen: "Der Vordruck wird zukünftig entsprechend überarbeitet." Statt detaillierte Finanzierungspläne abzufordern, wird richtigerweise nur noch die Frage gestellt, ob der Wohnraum mit öffentlichen Mitteln oder anderen zinsverbilligten Darlehen gefördert worden ist. Wir begrüßen diese Entscheidung, stellen uns jedoch die Frage, warum erst die oberste Fachaufsichtsbehörde bemüht werden mußte, bevor in Schleswig-Holstein so verfahren wird, wie in den anderen Bundesländern längst üblich.

4.4.2

Datensicherheit für Akten und sonstige Unterlagen

Der Zugang zu EDV-Dateien ist nicht selten besser gesichert, als die Akten und Schriftstücke, deren Inhalt ohne Hilfe von Programmen von jedermann zur Kenntnis genommen werden kann.

Die Begrenzung des Anwendungsbereiches des alten Landesdatenschutzgesetzes auf Karteien und EDV-Dateien haben wir stets in einer Hinsicht ganz besonders bedauert: In den vergangenen Jahren haben wir immer wieder festgestellt, daß die Maßnahmen zur sicheren Verwahrung von Akten und sonstigen Verwaltungsunterlagen mit personenbezogenem Inhalt sehr viel mehr zu wünschen übrig ließen als die technischen und organisatorischen Maßnahmen im Rahmen von automatisierten Verfahren. Wir haben dies zwar stets kritisiert (vgl. z.B. 14. TB, S. 81), haben aber auf formelle Beanstandungen verzichtet, um uns nicht dem Vorwurf der Kompetenzüberschreitung auszusetzen.

Diese Zurückhaltung ist nun nicht mehr notwendig, da das neue Landesdatenschutzgesetz grundsätzlich auf alle personenbezogenen Daten bei Behörden Anwendung findet. Dem in diesem Bereich offensichtlich bestehenden Nachholbedarf soll durch verstärkte Kontrollen Rechnung getragen werden. Dabei erscheint es folgerichtig, sich zunächst mit solchen Unterlagen zu befassen, die einem besonderen Berufs-oder Amtsgeheimnis unterliegen.

Wenn der Gesetzgeber für bestimmte Datenbestände besonders strenge Geheimhaltungsbestimmungen formuliert hat und ihre Durchbrechung auf der Grundlage spezieller Straftatbestände ahndet, so muß die Verwaltung diesem Umstand durch effektivere Sicherungsmaßnahmen Rechnung tragen, als sie bei "normalen" Verwaltungsdaten erforderlich und angemessen sind. Werden Patientendaten, Sozialdaten, Statistikdaten, Post- und Fernmeldedaten usw. verarbeitet, haben die Behörden ein erhöhtes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Das gilt im übrigen auch für Datenbestände, deren unbefugte Offenbarung aus anderen Gründen unbedingt verhindert werden muß (Daten, die einer Behörde von einem Bürger freiwillig für einen ganz bestimmten Zweck zur Verfügung gestellt wurden, Vertragsdaten, noch nicht verifizierte Verdachtsmomente bei Sicherheitsbehörden und dergl.).

Zu den besonders "sensiblen" Datenbeständen gehören auch die Steuerakten in den Finanzämtern, deren Inhalt dem Steuergeheimnis unterliegt. Hierbei handelt es sich um einen wahrlich riesigen Bestand. Auf 20 Finanzämter verteilt dürften mehr Steuerakten der verschiedensten Art (von Einkommenssteuer- und Lohnsteuerjahresausgleichsakten über Kraftfahrzeugsteuerakten und Einheitswertakten bis hin zu Erbschafts- und Schenkungssteuerakten) lagern, als Schleswig-Holstein überhaupt Einwohner hat, also in einer Größenordnung von mehr als 2,5 Millionen.

Vor Beginn unserer Stichprobenkontrolle in einigen Finanzämtern, haben wir uns zunächst von der Oberfinanzdirektion darlegen lassen, zu welchen Datensicherungsmaßnahmen die einzelnen Finanzämter nach der "Erlaßlage" verpflichtet sind. Es ergab sich folgendes Bild:

Die einschlägige Verwaltungsanweisung behandelt dieses Thema lediglich mit zwei Sätzen. Die Akten sind danach durch "geeignete" Maßnahmen - insbesondere außerhalb der Dienststunden - vor einer Einsichtnahme durch Unbefugte zu schützen; werden Akten "außerhalb der regelmäßigen Bearbeitung ausgegeben", ist der Empfänger zu vermerken und die Rückgabe zu überwachen. Als geeignete Maßnahmen sieht die Oberfinanzdirektion "z.B." das Verschließen von Schränken und Diensträumen und das Vernichten von Schriftgut und Papierabfällen an.

Ebenso "spartanisch" wie die Anweisungen der Oberfinanzdirektion sind die Maßnahmen, die die geprüften Finanzämter in bezug auf die Sicherung ihrer Aktenbestände getroffen haben.

  • Die in den jeweiligen Hausordnungen enthaltenen Regelungen sind häufig in sich nicht schlüssig. Einerseits sollten Akten und Schriftstücke so aufbewahrt werden, daß sie Unbefugten nicht zugänglich sind, andererseits ist die Lagerung von Unterlagen auf offenen Aktenböcken ausdrücklich zugelassen.
  • Bei allen geprüften Finanzämtern fehlt es an verschließbaren Schränken. Auch wenn sie vorhanden waren, blieben sie häufig über Nacht unverschlossen. In einem Fall einfach deshalb, weil die Schlüssel verloren gegangen waren.
  • Die Büroräume werden nicht selten auch während der Geschäftszeiten bei Abwesenheit der Mitarbeiter unverschlossen gelassen. Unser Prüfungsbeamter hatte bei einer Stichprobe hinreichend Zeit, sich in einer Aktenverwaltungsstelle unbeaufsichtigt umzusehen.
  • In Altarchiven fehlten ausreichende Sicherheitsmaßnahmen.
  • Aktenherausgaben an Außendienstmitarbeiter wurden nicht registriert. Es gab keine Anweisungen für diese Mitarbeiter, wie Steuerakten in ihrer Privatwohnung und während der Außendiensttätigkeit zu sichern sind.
  • Der Zugang zu den Diensträumen war trotz gleicher Ausgangslage sehr unterschiedlich geregelt. Während ein Finanzamt ein dienststellenbezogenes Sicherheitsschließsystem realisiert hatte, waren in anderen Finanzämtern keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden.

Wir haben diese Mängel beanstandet und die Oberfinanzdirektion aufgefordert, als weisungsbefugte Aufsichtsbehörde durch entsprechende Regelungen dafür zu sorgen, daß in allen Finanzämtern des Landes ausreichende Sicherungsmaßnahmen getroffen werden.


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