15. Tätigkeitsbericht (1993)



4.

Datenschutz in der Verwaltung

4.1

Allgemeine und innere Verwaltung

4.1.1

Personalwesen

4.1.1.1

Teilnahme des Personalrats an Sitzungen der Gemeindevertretung

Soweit mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten beraten werden, hat der Personalrat ein Recht auf Teilnahme an Sitzungen der Gemeindevertretung und ihrer Ausschüsse, auch wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Die erforderlichen Sitzungsunterlagen sind ihm zugänglich zu machen.

Hat der Personalrat ein Recht auf Teilnahme an nichtöffentlichen Sitzungen der Stadtvertretung und ihrer Ausschüsse und welche Unterlagen erhält er, sofern er an Sitzungen teilnehmen darf? Darum ging es bei der Anfrage einer schleswig-holsteinischen Stadtverwaltung.

Sitzungen der Gemeindevertretung sind grundsätzlich öffentlich, wenn nicht triftige Gründe, unter anderem berechtigte Interessen einzelner, den Ausschluß der Öffentlichkeit verlangen. Insbesondere bei der Beratung von Personalangelegenheiten ist das durchweg der Fall.

Der Ausschluß der Öffentlichkeit bei Personalberatungen führt allerdings nicht zum Ausschluß des Personalrats. Das schleswig-holsteinische Mitbestimmungsgesetz (MBG) gewährt vielmehr den zuständigen Personalratsvorsitzenden bei mitbestimmungsrelevanten Maßnahmen ein Teilnahmerecht.

Dabei ist folgendes zu beachten:

  • Der teilnehmende Personalrat muß für die betroffene Organisationseinheit (z.B. allgemeine Verwaltung, Stadtwerke, Krankenhaus) zuständig sein.
  • Die Beratung muß einen Gegenstand betreffen, der dem Mitbestimmungsrecht unterliegt. Eine Teilnahme bei anderen vertraulichen Beratungsgegenständen wie Abgabensachen oder Grundstücksangelegenheiten kommt nicht in Betracht.
  • Der Personalrat muß durch das den Vorsitz führende Mitglied bzw. durch den Gruppenvertreter vertreten sein.

Für nichtöffentliche Ausschußsitzungen gilt dieses Teilnahmerecht sinngemäß. Auch wenn die Öffentlichkeit im Einzelfall ausgeschlossen wird, bleibt ein Teilnahmeanspruch in Mitbestimmungsangelegenheiten bestehen, der durch den Beschluß nicht aufgehoben werden kann.

Der Personalrat hat weiter einen Anspruch auf ausreichende Unterrichtung. Grundsätzlich muß er im Rahmen seiner Aufgaben den gleichen Informationsstand erhalten, über den die Verwaltung bei der Vorbereitung ihrer Entscheidungen verfügt. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Stelle, bei der der Personalrat gebildet ist.

Soweit sein Teilnahmerecht an Sitzungen reicht, hat er auch einen Anspruch auf die Sitzungsunterlagen. In diesem Umfang sind ihm zur Sitzungsvorbereitung auch die Ausführungen in Rechnungsprüfungsberichten, ggf. in Auszügen, zur Verfügung zu stellen. Dabei kann es durchaus bereits vor einer Beratung in den Gremien erforderlich sein, daß ihm die Verwaltung vorliegende Berichte oder Auszüge zur Verfügung stellt, um der Unterrichtungspflicht frühzeitig nachzukommen. In welchem Umfang diese Verpflichtung besteht, muß im Einzelfall geprüft werden. Allerdings dürfen Personalakten nach dem Mitbestimmungsgesetz nur mit Einwilligung des Betroffenen, eingesehen werden.

4.1.1.2

Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung an den Sitzungen des Präsidialrates eines Gerichtes

Vertreter der Schwerbehinderten nehmen auch dann zu Recht an Sitzungen des Präsidialrats eines Gerichts teil, wenn personenbezogene Angelegenheiten ohne Beziehung zu Behindertenfragen besprochen werden.

Teilnahmerechte an Sitzungen waren auch Gegenstand einer Anfrage aus einem schleswig-holsteinischen Gericht. Die Vertretung der Schwerbehinderten nahm nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) an Sitzungen des Präsidialrates dieses Gerichtes auch dann teil, wenn Belange der Schwerbehinderten durch die Beratung nicht berührt wurden. Die Frage wurde gestellt, ob nicht vor dem Hintergrund des neuen Datenschutzrechts eine Beschränkung auf solche Sitzungsgegenstände geboten sei, durch die Schwerbehinderte betroffen würden.

Wir mußten darauf hinweisen, daß das SchwbG als Spezialvorschrift in diesem Punkt den allgemeinen Regelungen des LDSG vorgeht. Das SchwbG läßt die unbeschränkte Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung an allen Sitzungen des Präsidialrates zu. Dieser vorrangigen Vorschrift muß entsprochen werden. Die Beteiligung an Verfahren ohne Schwerbehindertenbezug wird in Kauf genommen, um der Vertretung die eigene Entscheidung zu ermöglichen, in welchem Umfang die Interessen der Schwerbehinderten wahrzunehmen sind.

4.1.1.3

Wofür ein öffentlich Bediensteter einstehen muß

Das informationelle Selbstbestimmungsrecht von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes hindert nicht daran, ihre Amtsführung öffentlich zu erörtern. Erst wenn dienstrechtliche Bewertungen einfließen oder das Dienstverhältnis unmittelbar berührt wird, muß Vertraulichkeit gewährleistet sein.

Durch unkorrekte Buchungen in den Jahren 1987 bis 1990 ist es im Kur- und Badebetrieb einer Gemeinde zu erheblichen Verlusten gekommen. Zur Aufklärung dieser Verluste und zur Feststellung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Gemeinde gegen geltende Rechtsvorschriften verstoßen hat, wurde eine Sonderprüfung durch das Gemeindeprüfungsamt vorgenommen. Auf Beschluß der Gemeindevertretung sollte der daraufhin erstellte Prüfungsbericht zur Unterrichtung der Einwohner über mögliche Mißstände in der Verwaltung veröffentlicht werden. Als gesetzliche Grundlage hierfür wurde die Gemeindeordnung herangezogen, wonach die Gemeinde die Einwohnerinnen und Einwohner über allgemein bedeutsame Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu unterrichten hat. Fraglich war, ob durch diese Veröffentlichung in unzulässiger Weise in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter eingegriffen würde.

Der Sonderprüfungsbericht enthielt für Teilbereiche der Verwaltung Aussagen über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Soweit handelnde Personen direkt angesprochen wurden, waren diese nicht in ihrer Eigenschaft als natürliche Personen tätig geworden, sondern hatten vielmehr als Funktionsträger öffentliche Aufgaben für ihren Rechtsträger wahrgenommen.

Der Übergang in den durch das Landesdatenschutzgesetz geschützten Persönlichkeitsbereich der Betroffenen findet aber regelmäßig erst dann statt, wenn sie als Mitarbeiter in ihrem Rechtsverhältnis zum Dienstherrn berührt werden. Dieser Fall dürfte in erster Linie bei einer Diskussion über die besonders geschützten Personalaktendaten eintreten.

Aber auch, wenn über eine bloße Darstellung der behördlichen Tätigkeit hinaus die dienstrechtliche Bewertung eines persönlich zurechenbaren fehlerhaften Verwaltungshandelns erfolgt (z.B. im Rahmen eines Disziplinarverfahrens), ist der Mitarbeiter als natürliche Person angesprochen, die Datenschutzrechte für sich in Anspruch nehmen kann.

Der betreffende Sonderprüfungsbericht enthielt bis auf eine kleine Ausnahme keine Angaben, die über die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Gemeinde hinausgingen. Dabei lag es in der Natur der Sache, daß die einzelnen Maßnahmen der Verwaltung selbstverständlich auch natürlichen Personen zugeordnet werden konnten. Dies muß jedoch von Betroffenen, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen, als Ausfluß des Dienstverhältnisses hingenommen werden. Eine Veröffentlichung von Verwaltungsentscheidungen wäre sonst generell nicht mehr möglich.

Die Behörde kann allenfalls versuchen, die mögliche Belastung für die Betroffenen dadurch zu mildern, daß Namen in dem Prüfungsbericht geschwärzt und nur noch die jeweiligen Funktionen angesprochen werden.

4.1.1.4

Führung von Personalakten über Referendare verbesserungsbedürftig

Die Personalaktenverwaltung hat bei Rechtsreferendaren grundsätzlich den gleichen Regeln zu folgen, wie die allgemeine Personalaktenverwaltung im öffentlichen Dienst. Das Ausbildungsmonopol des Staates muß jedoch zu einer Beschränkung der Bewerbungsunterlagen führen.

In diesem Jahr haben wir unsere Prüfungen im Personalverwaltungsbereich fortgesetzt. Ein besonderes Augenmerk richtete sich vor allem auf die Beschäftigten im juristischen Vorbereitungsdienst, da hier aufgrund des Ausbildungsmonopols des Staates für die Betroffenen kaum eine Wahlmöglichkeit besteht. Die Nichtzulassung eines Referendars zum juristischen Vorbereitungsdienst kommt faktisch einem Berufsverbot gleich.

Die beim Oberlandesgericht vorgefundenen Fehler zeigen einmal mehr, daß einheitliche Vorgaben zur Personaldatenverarbeitung im gesamten Landesbereich notwendig sind. Der Staatskanzlei, wie auch dem Innenminister, fällt hier eine besondere Verantwortung zu.

Neben bereits bei anderen Prüfungen festgestellten Mängeln (vgl. 13. TB., S. 17; 14. TB., S. 13) sind aber auch neue Fehler zutage getreten, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung besondere Erwähnung verdienen.

Bewerbungsverfahren

Die Verarbeitung von Bewerberdaten stellt einen Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar, der ohne eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage unzulässig ist.

Bei Rechtsreferendaren ergibt sich die Rechtsgrundlage aus der Einwilligung des Bewerbers in Verbindung mit der "Verordnung über die Beschränkung der Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst" die enumerativ aufzählt, welche Bewerbungsunterlagen einzureichen sind. Anders als bei üblichen Bewerbungssituationen muß hier bedacht werden, daß das Durchlaufen des Vorbereitungsdienstes Voraussetzung für den Abschluß der juristischen Ausbildung ist und daß der Staat das Monopol der Juristenausbildung hat. Einerseits ist daher der Rechtskandidat gezwungen, das Referendarverhältnis einzugehen, will er nicht seine juristische Ausbildung abbrechen, andererseits ist das Land verpflichtet (von hier nicht zu berücksichtigenden Ausnahmen abgesehen), jeden erfolgreich geprüften Rechtskandidaten auf seine Bewerbung hin in das Referendarverhältnis zu übernehmen. Im Gegensatz zu üblichen Bewerbungsverfahren können daher nur Bewerbungsunterlagen insoweit für die Auswahlentscheidung verwendet werden, als sie den Nachweis über die Voraussetzungen für die Einstellung enthalten. Nur diese Unterlagen sind für das Bewerbungsverfahren überhaupt erforderlich.

Tatsächlich werden aber auf der Grundlage der genannten Verordnung eine Reihe von Bewerbungsunterlagen verlangt, die für die Entscheidung überflüssig sind. Die Verordnung dürfte insoweit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entsprechen.

o zwei Lichtbilder

o ein Lebenslauf

o ein Führungszeugnis

o eine Erklärung für die Zahlung der Anwärterbezüge.

Da eine Personalauslese wegen der bereits geschilderten besonderen Situation nicht stattfindet und die Daten über den beruflichen Werdegang schon im Personalbogen erfragt werden, beschränkt sich die tatsächliche Verwendung des Lebenslaufes bei der Einstellung durchweg darauf, daß er in der Personalakte abgeheftet wird. Ein aktuelles Führungszeugnis ist bei den meisten Bewerbern bereits vorhanden, da es schon für die Ablegung des ersten Staatsexamens beigebracht werden muß und die Prüfungsakte im Bewerbungsverfahren beigezogen wird. Die für die Zahlung der Anwärterbezüge erforderlichen Daten dürfen erst nach Einstellung vom Landesbesoldungsamt erhoben werden. Es ist nicht vertretbar, wenn von der Abgabe der geforderten Erklärung die Berücksichtigung der Bewerbung als solcher abhängig gemacht wird.

Die Prüfung hat darüber hinaus ergeben, daß die neuen bereichsspezifischen Vorschriften im Landesdatenschutzgesetz zur Verarbeitung von Personaldaten noch nicht hinreichend Beachtung gefunden haben. So wurden zum Beispiel Unterlagen über zurückgezogene Bewerbungen noch drei Jahre aufbewahrt, obwohl das Landesdatenschutzgesetz seit dem 1.1.1992 grundsätzlich eine Löschung verlangt, sobald feststeht, daß ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis nicht zustande kommt.

Führung von Personalakten über Referendare

Es zeigten sich vor allem Probleme bei der Einsichtnahme in Referendarpersonalakten. Schon nach dem bisherigen Datenschutzrecht stand die Nutzung vollständiger Personalakten unter der Beschränkung des Erforderlichkeitsgrundsatzes. Mit den jüngsten Änderungen des Beamtenrechtrahmengesetzes ist nun ausdrücklich klargestellt, daß Zugang zu Personalakten nur Beschäftigte haben dürfen, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalakten beauftragt sind und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist. Eine Vorlage von Personalakten bei anderen Stellen darf nicht erfolgen, soweit eine Auskunft ausreicht.

Der Zugang zu den vollständigen Personalakten der Referendare war tatsächlich kaum beschränkt. So wurden diese Akten auf Anforderung dem gemeinsamen Prüfungsamt in Hamburg, den unmittelbaren Dienst- und Fachvorgesetzten oder auch den einzelnen Ausbildungsbehörden (z.B. in der Kommunalstation), zur Verfügung gestellt.

Nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes werden nach einer "Verfügung des Oberlandesgerichtspräsidenten" über die Ausbildung der Juristen die beim Oberlandesgericht geführten Personalakten an den Justizminister abgegeben.

Da nach der Juristenausbildungsordnung der Präsident des Oberlandesgerichts die Referendarausbildung leitet, ist er bezüglich der Referendarakten die datenverarbeitende Stelle, auch wenn oberste Dienst- und Dienstaufsichtsbehörde der Justizminister ist.

Die Abgabe der Personalakten an den Justizminister stellt eine Datenübermittlung an eine andere Stelle dar, deren Zulässigkeit allein auf eine Verfügung gestützt wird, die keinen Rechtsnormcharakter hat. Nach unserer Auffassung muß diese Aktenabgabe mit Rücksicht auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Referendare durch eine Rechtsnorm geregelt werden, wenn sie denn aus sachlichen Gründen für erforderlich gehalten wird.

Datensicherheit

Personalakten sind vor dem Zugriff Unbefugter hinreichend zu schützen. Dieser Grundsatz gilt auch für die Personalakten der Referendare. Wir verlangen nicht, daß die zu treffenden Sicherungsmaßnahmen einen mit physischer Gewalt vorgetragenen Angriff abwehren können. Es sollte aber zumindest ein unbemerkter Zugriff Dritter ausgeschlossen werden können.

Die Notwendigkeit, Personalakten hinreichend zu sichern ist von der geprüften Stelle grundsätzlich erkannt worden. Es fehlte jedoch ein in sich schlüssiges Gesamtkonzept. So wurde für die Registratur ein Sicherheitsschloß angeschafft und darauf geachtet, daß dieser Raum ständig unter Verschluß gehalten wird. Auf die Anschaffung von Sicherheitsschlössern für die Sachbearbeiterbüros oder deren Verschluß bei Abwesenheit der Mitarbeiter wurde dagegen verzichtet, obwohl sich auch in diesen Räumen ständig Personalakten befinden.

Völlig inakzeptabel war die praktizierte Aktenverteilung in offenen Regalen auf dem Flur. In diesen Regalen befanden sich während der Prüfung, trotz erheblichen Publikumsverkehrs, völlig unbeaufsichtigt Personalakten, die für jedermann frei und unkontrolliert zugänglich waren. Dies war als eine erhebliche Gefährdung der Rechte der Betroffenen zu beanstanden.

4.1.1.5

Kultusministerin reagiert auf Prüfbericht

Die bisherigen Reaktionen auf die Kontrolle der Verarbeitung von Personaldaten der Lehrer sind nicht ausreichend. Weitere rasche Änderungen der bisherigen Praxis sind, auch im Hinblick auf eingetretene Änderungen im Datenschutz und im Beamtenrecht, notwendig.

In unserem 13. Tätigkeitsbericht (S. 11) haben wir ausführlich über Prüfungen im Personalverwaltungsbereich für Lehrer berichtet. In einer vor kurzem vorgelegten ersten Stellungnahme hat das Kultusministerium zugesagt, sowohl für die Datenerhebung im Bewerbungsverfahren wie auch für die Führung von Personalakten auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen neue Konzepte und Vorgaben zu erarbeiten. Für die Personalaktenführung liegt bereits ein erster Richtlinienentwurf vor, der allerdings in wichtigen Teilbereichen keine bzw. unzureichende Festlegungen enthält. Auch die Stellungnahme selbst läßt es in vielen Punkten offen, ob und in welchem Umfang die Auffassungen des Kultusministeriums tatsächlich mit denen des Landesbeauftragten übereinstimmen.

Ein Teilerfolg konnte inzwischen bei der Übermittlung von Personalakten an Dritte erzielt werden (14.TB, S. 15). In Absprache mit der Finanzministerin und dem Landesbesoldungsamt wurde ein Verfahren eingeführt, durch das gewährleistet wird, daß die personalverwaltenden Stellen dem Landesbesoldungsamt nur noch die im Einzelfall zur Aufgabenerfüllung tatsächlich erforderlichen Personaldaten übermitteln. Vollständige Personalakten der Mitarbeiter dürfen generell nur noch mit schriftlicher Einwilligung der Betroffenen weitergegeben werden.

4.1.2

Verfassungsschutz bereinigt seine Bestände

Die Verfassungsschutzbehörde bereinigt ihre Datensammlungen. Bis zum Jahresende sollen alle Daten gelöscht sein, die mit dem neuen Verfassungsschutzgesetz nicht mehr in Einklang stehen.

Nachdem 1991 das neue Landesverfassungsschutzgesetz mit wesentlichen Änderungen der für die Datenverarbeitung relevanten Bestimmungen in Kraft getreten ist, hat der Innenminister als Behörde für Verfassungsschutz unter unserer Beratung im Berichtsjahr ein Konzept zur Bereinigung der Datenbestände erarbeitet. Derzeit ist man dabei, die Datensammlungen nach Maßgabe dieses Konzepts zu bereinigen. Mit einem Abschluß der Lösch- und Bereinigungsarbeiten ist bis Ende 1993 zu rechnen. Es ist zu erwarten, daß die Datenbestände sowohl in Akten und Karteien als auch in automatisierten Datensammlungen nach Beendigung der Aktion einen deutlich geringeren Umfang haben.

4.1.3

Öffentliche Sicherheit

4.1.3.1

Das neue Landesverwaltungsgesetz

Das neue Polizeigesetz setzt der polizeilichen Datenverarbeitung rechtsstaatliche Grenzen. Seine Auswirkungen können aus der Perspektive seltener Einzelfälle nicht seriös beurteilt werden.

Im Berichtsjahr ist das neue schleswig-holsteinische Landesverwaltungsgesetz in Kraft getreten, das im Bereich des Polizeirechts die Konsequenzen aus dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts zieht. Über Einzelheiten der Neuerungen wurde im 14. TB (S. 22) berichtet.

Bislang konnten noch keine umfassenden Erfahrungen mit seiner Anwendung gewonnen werden. In einer ersten Querschnittsauswertung sind wir der Frage nachgegangen, ob die neu in das Gesetz aufgenommene zweijährige Wiedervorlagefrist für Erstspeicherungen beachtet wird. Dabei haben sich keine Gründe zur Beanstandung ergeben.

Erstaunlich schnell waren Stimmen zu vernehmen, das Gesetz müsse novelliert werden. Während etwa die Konsequenzen aus der datenschutzrechtlichen Kontrolle des Jahres 1988 in wichtigen Teilen noch nicht gezogen sind (vgl. Tz. 4.1.3.2), wurde schon wenige Monate nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes Klage über diese oder jene - angeblich zu restriktive -Bestimmung geführt. Von Behinderungen und Einengungen polizeilicher Spielräume war die Rede. Das muß nicht gegen das Gesetz sprechen. Sinn jeder polizeirechtlichen Regelung ist es, die polizeilichen Handlungsmöglichkeiten rechtsstaatlich zu definieren.

Gelegentlich werden in der Diskussion skurile Einzelfälle vorgebracht, in denen unzuträgliche Auswirkungen aufgetreten seien. Dabei wird aber Übersehen, daß die Tauglichkeit einer Vorschrift seriös nicht aus dem Blickwinkel des extremen Sonderfalls, sondern nur im Hinblick auf die "normale", tägliche Anwendung beurteilt werden kann. So gesehen, ist einer sachbezogenen Diskussion mit dem Herausstellen und Propagieren extremer Einzelfälle wenig gedient.

Novellierungsbedarf sah der Gesetzgeber, weil zwei Richter eines Gerichts bei der richterlichen Genehmigung verdeckter polizeilicher Datenerhebungsmaßnahmen den Standpunkt vertraten, der Betroffene müsse von Verfassungswegen vor der richterlichen Entscheidung rechtliches Gehör erhalten. Wenn dies zuträfe, dann wäre auch jegliche richterliche Genehmigung von Hausdurchsuchungen und Telefonabhörmaßnahmen rechtswidrig, wenn sie ohne vorherige Anhörung des Betroffenen ergeht. Täglich würden dann in Deutschland duzendfach empfindliche Rechtseingriffe unter Verstoß gegen die Verfassung begangen. Es ist aber allgemein anerkannt, vom Bundesverfassungsgericht bekräftigt und im übrigen tägliche Praxis, daß bestimmte Ermittlungsmaßnahmen ohne Kenntnis des Betroffenen vorgenommen werden. In diesen Fällen hat nach Abschluß der Maßnahme die Unterrichtung zu erfolgen, damit zumindest im nachhinein Rechtsschutz erlangt werden kann.

Genau dies war bereits im Polizeigesetz geregelt. Daß nunmehr ausdrücklich in das Gesetz der Zusatz aufgenommen werden soll, daß der Betroffene vor der gerichtlichen Entscheidung kein rechtliches Gehör erhält, dient der Klarstellung.

4.1.3.2

Konsequenzen aus der Datenschutzprüfung bei der Polizei weiterhin unbefriedigend

Die Konsequenzen aus der datenschutzrechtlichen Kontrolle bei der Polizei kommen nicht im notwendigen Tempo voran. Zwar ist die Zahl der Kriminalakten noch einmal von 240.000 auf 160.000 verringert worden. Aber auch mehr als drei Jahre nach Abschluß der Prüfung sind aber wichtige Zusagen des Innenministers noch nicht realisiert.

Über die Querschnittskontrolle der Datenverarbeitung bei den Polizeibehörden ist nunmehr zum dritten Mal zu berichten (vgl. 14. TB, S. 24). Allerdings kann nach wie vor nicht der Abschluß der Umsetzungsmaßnahmen vermeldet werden. Auch im vergangenen Jahr ist es dem Innenminister nicht gelungen, die notwendigen Konsequenzen aus dieser Kontrolle abschließend zu ziehen. Zwar ist anzuerkennen, daß die Kriminalaktenbestände beim Kriminalpolizeiamt spürbar bereinigt worden sind. Während zum Zeitpunkt der Kontrolle noch 240.000 Kriminalakten gespeichert waren, waren es am Ende des Berichtsjahres noch ca. 160.000. Dies ist eine erfreuliche Entwicklung. Bei näherem Zusehen zeigt sich, daß offenbar in erster Linie Bagatellfälle bereinigt wurden und daß sich die Herabsetzung der Regelspeicherfrist von 10 auf 5 Jahre deutlich bemerkbar macht. Es bleiben aber eine Reihe von gravierenden Punkten offen. Im einzelnen geht es noch um folgendes:

Kriterien für die Anlegung von Kriminalakten

Wir hatten u.a. kritisiert, daß bei der Anlegung von Kriminalakten häufig schematisch verfahren wird, so daß auch in Bagatellfällen Kriminalakten angelegt werden. Auch der Innenminister räumte in seiner ersten Stellungnahme von Anfang 1991 ein, daß Regelungsbedarf bestehe. Unter anderem hielt er eine Präzisierung der Voraussetzungen für das Anlegen einer Kriminalakte für notwendig, einschließlich einer Aufzählung von Standardfällen, bei denen in der Regel keine Akte angelegt wird. Für besonders gelagerte Fälle seien besondere Entscheidungsvorbehalte (z.B. durch den Dienststellenleiter) vorzusehen. Anfang 1992 teilte der Innenminister mit, es sei eine Arbeitsgruppe beim Kriminalpolizeiamt zur Überarbeitung der Regelungen für die Führung von Kriminalakten eingerichtet worden. Die vom Landesbeauftragten in diesem Zusammenhang geltend gemachten Mängel bei der Anlegung von Kriminalakten würden von dieser Arbeitsgruppe berücksichtigt. Im wesentlichen würden folgende Verbesserungen angestrebt:

  • Definition des Begriffs "Bagatelldelikte" und Festlegung einer kürzeren Speicherungsdauer für diese Fälle.
  • Löschung von Kriminalakten über Vermißte bei deren Rückkehr als Regelfall.

Über Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe ist uns bis zur Erstellung dieses Berichts nichts bekannt geworden. Die Notwendigkeit, nunmehr umgehend zu untergesetzlichen Regelungen über die Anlegung und Führung von Kriminalakten zu kommen, ergibt sich auch daraus, daß Mitte des Jahres das Landesverwaltungsgesetz in Kraft getreten ist. Es sieht für Bagatelldelikte Einschränkungen bei der Datenverarbeitung vor. Gerade auch im Hinblick auf gelegentlich vorgebrachte Klagen, das neue Polizeirecht sei zu kompliziert und bedürfe der Auslegungshilfe für die Praxis, wäre es notwendig, nunmehr möglichst umgehend zu einer gut handhabbaren Verwaltungsvorschrift zu kommen. In ihr sollten sowohl die in unserem Prüfbericht aufgeführten datenschutzrechtlichen Mängel der bisherigen Praxis als auch die neuen Regelungen im Landesverwaltungsgesetz berücksichtigt werden.

Das Kriminalpolizeiamt hat hierzu kurz vor Fertigstellung dieses Berichtes ergänzend mitgeteilt, die für die Anlegung von Kriminalakten zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien im Hinblick auf das neue Polizeirecht besonders geschult worden. Sie seien zu den notwendigen Entscheidungen, ggf. abweichend von den noch bestehenden alten Richtlinien, in der Lage. Dies kann allerdings nach unserer Auffassung den Erlaß der Verwaltungsanweisung nicht ersetzen.

Kennzeichnung der Personengruppen in der PED

Ein anderer Kritikpunkt in unserem Prüfbericht war, daß man in der polizeilichen Erkenntnisdatei PED nicht unterscheiden kann, ob eine Person als "Beschuldigter", "Verdächtiger", "Zeuge" oder "andere Person" gespeichert ist. Da auf die Daten der PED alle Polizeidienststellen des Landes unmittelbar Zugriff haben, also auch solche Dienststellen, die selbst nicht die zugehörigen Kriminalakten führen, kommt es entscheidend darauf an, daß man bereits dem Datensatz entnehmen kann, in welcher Beziehung die betreffende Person zum jeweiligen Straftatvorwurf steht.

Diese Forderung leuchtete zunächst auch dem Innenminister ein, der in einer ersten Stellungnahme mitteilte, mit einer Realisierung sei Anfang 1992 zu rechnen. In einer weiteren, späteren Stellungnahme, wurde dies wieder zurückgenommen, da es finanziell unangemessen aufwendig sei und "zu Problemen im INPOL-Verbund" führen würde. Nunmehr ist aber auch das neue Landesverwaltungsgesetz zu berücksichtigen. Dort sind Sonderregelungen für die Verarbeitung und Verwendung von Daten über Zeugen, Hinweisgeber und sonstige Auskunftspersonen vorgesehen. Unter anderem muß die weitere Notwendigkeit der Speicherung derartiger Daten jährlich überprüft werden. Außerdem ist vorgeschrieben, daß Daten über diese Personen nur an andere Polizeibehörden, nicht aber an sonstige Behörden und öffentliche Stellen übermittelt werden dürfen. Auch daraus dürfte sich die Notwendigkeit ergeben, derartige Daten besonders zu kennzeichnen, damit die gesetzlichen Pflichten erfüllt werden können. Wir halten es deshalb nach wie vor für notwendig, Personendatensätze in der PED entsprechend zu klassifizieren.

Überarbeitung des PED-Handbuches

Das sogenannte PED-Handbuch regelt zwar die technische Handhabung dieses Dateiverfahrens im Detail, sagt aber nichts über die rechtliche Zulässigkeit der Speicherung von Daten in der PED aus. In einer ersten Stellungnahme Anfang 1991 sagte der Innenminister zu, das PED-Handbuch umgehend ändern zu wollen, damit den Kritikpunkten Rechnung getragen werden könne. Bislang ist uns noch keine geänderte Fassung des PED-Handbuches zugegangen.

Besonderer Zugriffsschutz für Daten über Polizeibeamte

Da die in der PED gespeicherten Informationen grundsätzlich dem Zugriff jedes Polizeibeamten unterliegen, hatten wir vorgeschlagen, für die dort über Polizeibeamte gespeicherten personenbezogenen Daten einen besonderen Zugriffsschutz vorzusehen. Nachdem zunächst mitgeteilt worden war, es werde ein Verfahren realisiert, das den Zugriff auf Datensätze von Polizeibeamten nur über eine besondere Berechtigung zuläßt, hat der Innenminister jetzt eingewandt, die vorgesehene Lösung sei zu kostenaufwendig. Es werde deshalb nunmehr angestrebt, Polizeibeamte betreffende Datensätze so zu reduzieren, daß ohne zusätzliche Information aus der Kriminalakte eine eindeutige Identifizierung der betreffenden Person nicht möglich sei. Für uns stellt sich dabei allerdings die Frage, welchen Sinn die Speicherung dieser Daten in der PED dann noch macht, wenn sie tatsächlich vollständig anonymisiert sein sollten.

Vorgangsverwaltung

Ein weiterer Vorschlag im Prüfbericht ging dahin, für die sogenannte Vorgangsverwaltung der Polizei Verwaltungsvorschriften zu erlassen, in denen Festlegungen getroffen werden über

  • die Art der Führung der Vorgangsablagen,

  • deren Verhältnis zu den kriminalpolizeilichen Sammlungen,

  • die zulässigen Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeiten,

  • die Speicherungsdauer und

  • die Sicherung der Datenbestände.

Zunächst hatte der Innenminister angekündigt, die entsprechende Regelung solle Anfang 1992 in Kraft treten und werde dem Landesbeauftragten demnächst zur Mitzeichnung vorgelegt. Dies ist bislang nicht erfolgt. Nunmehr schreibt auch das Landesverwaltungsgesetz verbindlich vor, daß der Innenminister Mittel und Umfang der Vorgangsverwaltung durch Verwaltungsvorschrift im Benehmen mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zu bestimmen hat.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen

Umstritten war zunächst unsere Forderung, die Gründe für erkennungsdienstliche Maßnahmen in jedem Einzelfall auf dem Erhebungsbogen zu dokumentieren. Dies erscheint notwendig, weil die rechtlichen Voraussetzungen für erkennungsdienstliche Maßnahmen nach der Strafprozeßordnung und nach dem neuen Landesverwaltungsgesetz erheblich voneinander abweichen.

Nachdem zunächst in den Gesprächen mit dem Innenminister keine Übereinstimmung über die Notwendigkeit derartiger ergänzender Hinweise auf dem Erhebungsbogen zu erzielen war, hat er nunmehr mitgeteilt, es sei ein neuer Vordruck entwickelt worden, der mit dem Landesbeauftragten abgestimmt werden soll. Bis zur Fertigstellung dieses Berichts lag der Entwurf noch nicht vor.

Damit im Zusammenhang steht die weitere Forderung, die Richtlinien für erkennungsdienstliche Behandlungen (sogenannte ED-Richtlinien) zu überarbeiten. Nachdem zunächst umstritten war, ob es einer Überarbeitung der ED-Richtlinien überhaupt bedarf, teilte der Innenminister nunmehr mit, hierzu sei noch die Abstimmung mit dem Justizminister notwendig.

Datenverarbeitung beim Staatsschutz

Der Prüfbericht befaßte sich auch mit der Datenverarbeitung im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes. Unter anderem wurde kritisiert, daß in den dortigen Dateien für "äußere Sicherheit" und "innere Sicherheit" über die Strafverfolgung und Gefahrenabwehr im eigentlichen Sinne hinaus auch sogenannte "Vorfelddaten" gespeichert werden. Außerdem war verlangt worden, beide Dateien zu bereinigen.

Der Innenminister hat zwischenzeitlich mitgeteilt, daß die Datei "äußere Sicherheit" bereinigt wurde und daß Regelungen für die künftige Datenerfassung in dieser Sammlung in Vorbereitung seien. Auf dem Gebiet der Datei "innere Sicherheit" sei eine Bereinigung bislang noch nicht erfolgt. Neue Weisungen für die Führung dieser Sammlung seien in Vorbereitung. Auch im Hinblick auf die neuen Vorschriften des Landesverwaltungsgesetzes sei eine Änderung und Neufassung der bestehenden Ausführungsbestimmungen notwendig. Es liege bereits ein Entwurf vor, der Anfang 1993 mit dem Landesbeauftragten abgestimmt werden solle.

Berücksichtigung von Freisprüchen

In verschiedenen Zusammenhängen war im Prüfbericht die Tatsache kritisiert worden, daß die Polizei in vielen Fällen nichts über den Ausgang des justiziellen Verfahrens weiß. Aus diesem Grunde enden viele Kriminalakten mit der Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft, ohne daß nachgetragen würde, wie die Justiz den Sachverhalt endgültig beurteilt hat. Die Gründe hierfür lagen in der Vergangenheit in erster Linie in der fehlenden Rückmeldung der Staatsanwaltschaft an die Polizei, aber auch in Defiziten bei der Umsetzung der von der Justiz gemeldeten Verfahrensausgänge.

Hierzu sind nunmehr zwei Änderungen eingetreten. Zum einen verlangt das Landesverwaltungsgesetz, daß die Polizei sich aktiv, spätestens nach zwei Jahren, bei der Justiz nach dem Ausgang des Verfahrens erkundigt. Zum anderen hat der Innenminister einen Realisierungsvorschlag für einen automatisierten Abgleich zwischen der polizeilichen Erkenntnisdatei PED und der Geschäftsstellenautomation der Staatsanwaltschaften (GAST-SH) vorgelegt. Demnach ist beabsichtigt, die Daten über den Ausgang des justiziellen Verfahrens zwischen PED und GAST automatisiert auszutauschen. Hiergegen haben wir im Grundsatz keine Einwände erhoben. Wir haben aber darauf aufmerksam gemacht, daß die Meldung des Ausgangs des gerichtlichen Verfahrens an die Polizei das Problem nur zum Teil löst.

Es kommt ergänzend darauf an, daß die Polizei diese Information auch in ihren Datensammlungen umsetzt. Wir haben deshalb den Innenminister gebeten, zugleich mit der Realisierung des automatisierten Nachrichtenaustausches PED-GAST Kriterien zu entwickeln, die bei der Entscheidung über die weitere Speicherung in den polizeilichen Dateien zugrunde zu legen sind. Dabei wird insbesondere auch zu beachten sein, daß nach dem neuen Landesverwaltungsgesetz Daten zu löschen sind, wenn der dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Verdacht entfallen oder wenn ein Verfahren nach § 153 Strafprozeßordnung eingestellt worden ist. Bis zur Erstellung dieses Berichts waren entsprechende Kriterien noch nicht entwickelt.

4.1.3.3

Neuregelung der Lichtbildvorzeigekartei

Aufbau und Führung der Lichtbildvorzeigekartei sind neu geregelt worden. Die datenschutzrechtlichen Kritikpunkte an der bisherigen Praxis sind überwiegend berücksichtigt. In einem wichtigen Punkt bleiben die neuen Richtlinien aber hinter den Erwartungen zurück.

Die Lichtbildvorzeigekarteien der Polizei sind deshalb besonders sensible Datensammlungen, weil sie nicht nur zum internen Gebrauch, sondern überwiegend zur Vorlage gegenüber Dritten dienen. Damit wird bei Zeugen und Opfern von Straftaten oder sonstigen Auskunftspersonen der Anschein erweckt, der Betreffende gehöre zum Kreis der potentiell Verdächtigen. Dies stellt eine erhebliche Belastung für den Betroffenen dar, die über die bloße Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen weit hinausgeht.

Daher hatten wir nach unserer Querschnittskontrolle bei der Polizei 1989 unter anderem gefordert, die Vorschriften für die Lichtbildvorzeigekartei zu überarbeiten, damit z. B. der Ausgang des Verfahrens vor Gericht bei der weiteren Aufbewahrung von Fotos in der Lichtbildvorzeigekartei berücksichtigt wird (s. 12. TB., S. 23). Wir hatten bei unserer Kontrolle Fälle gesehen, in denen trotz Freispruchs die Daten in der Lichtbildvorzeigekartei nicht gelöscht worden waren.

Der Innenminister ist dieser Anregung mit der Neufassung der Richtlinien für die Durchführung von Wahllichtbildvorlagen und die Führung von Lichtbildvorzeigekarteien nunmehr gefolgt.

Die Richtlinien verbessern das bisherige Verfahren datenschutzrechtlich in einer Reihe von Punkten. So wurden die Voraussetzungen für die Speicherung von Fotos in der Lichtbildvorzeigekartei enger gefaßt. Nach Ausgang des gerichtlichen Verfahrens ist zu prüfen und gegebenenfalls zu dokumentieren, ob die Voraussetzungen für die Speicherung in der Lichtbildvorzeigekartei auch weiterhin vorliegen.

An einem - aus datenschutzrechtlicher Sicht gravierenden - Punkt wurde unsere Anregung jedoch nicht aufgegriffen. Die Aufbewahrfristen der Lichtbildvorzeigekartei sollten, gerade weil die Lichtbilder ständig dritten Personen gezeigt werden, kürzer als die für Kriminalakten sein. Statt dessen ist aber vorgesehen, daß sich die Aufbewahrungszeit nach wie vor nach der Aufbewahrung der Kriminalakte richten soll. Dies wird damit begründet, daß es sich bei den in die Lichtbildvorzeigekartei eingestellten Bildern um einen Teil der erkennungsdienstlichen Unterlagen handele. Sie hätten damit hinsichtlich der Aufbewahrung und Nutzung grundsätzlich denselben Voraussetzungen und Fristen zu unterliegen wie die Unterlagen insgesamt. Diese Begründung verfängt aber nicht, weil Kriminalakten - im Gegensatz zu den in der Lichtbildvorzeigekartei gespeicherten Fotos -nicht Dritten zur Einsichtnahme vorgelegt werden.

4.1.3.4

In den Mühlen der Sicherheitsbürokratie

Auch "harmlose" Speicherungen bei Sicherheitsbehörden können für den Betroffenen unangenehme Folgen haben. Die enge Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden kann zur Weitergabe von Daten und damit letztlich dazu führen, daß sie dem Betroffenen an ganz anderer Stelle entgegengehalten werden.

Immer wieder ist das Argument zu hören: "Wer nichts zu verbergen hat, braucht Datenerhebung und Datenspeicherung bei den Sicherheitsbehörden nicht zu befürchten." So gesehen hätte ein Bundeswehrsoldat, der sich an uns wandte, nichts zu befürchten gehabt. Gleichwohl wurde er vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) im Rahmen einer routinemäßigen Sicherheitsüberprüfung mit der Frage überrascht, was er denn im August 1989 "mit der Polizei zu tun gehabt" habe.

Er wußte es wirklich nicht und erhielt zur Antwort, er sei "im Zentralcomputer der Staatsanwaltschaft Kiel" gespeichert. Delikt: Diebstahl, mehr könne man dazu nicht sagen.

Was war der Hintergrund? Es hatte ein Ermittlungsverfahren gegen den Petenten wegen Diebstahlsverdachts gegeben. Er sollte einer Bekannten geholfen haben, einen Schreibtisch im Wert von 100,- DM, der dieser nicht gehörte, aus einer Wohnung abzuholen und zu verkaufen. Das Verfahren wurde eingestellt, da sich die Vorwürfe als haltlos erwiesen. Der Vorgang wurde routinemäßig im Informationssystem GAST der Staatsanwaltschaft für fünf Jahre gespeichert.

Wie aber war der MAD an die Information gekommen? Der Ermittlungsakte war kein Nachweis über eine etwaige Datenübermittlung zu entnehmen. Der leitende Oberstaatsanwalt in Flensburg teilte mit, daß früher Mitarbeitern des MAD bei ihrem persönlichen Erscheinen mündlich Auskunft gegeben worden sei. Nach dem Inkrafttreten des neuen LDSG würden Auskünfte schriftlich dokumentiert.

Nachforschungen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, der im Hinblick auf seine Zuständigkeit für den MAD eingeschaltet worden war, ergaben, daß auch die schleswig-holsteinische Polizei beteiligt war. Sie erteilte dem MAD kurz und bündig die Auskunft: "Straftat: Diebstahl, Tatzeit ..., Geschäftszeichen der Staatsanwaltschaft ..., Ausgang des Verfahrens hier nicht bekannt."

Daraufhin wurde seitens des MAD bei der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft in Flensburg nachgefragt und in Erfahrung gebracht, daß das Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist. Die näheren Umstände und weswegen das Verfahren genau eingestellt worden ist, wurden offenbar weder erfragt noch mitgeteilt. Statt dessen wurde der Soldat mit der eingangs zitierten Frage überrascht. Hätte man sich bei der Staatsanwaltschaft ordnungsgemäß erkundigt, wäre ihm das peinliche Verhör erspart geblieben.

Es stellt sich außerdem die Frage, warum die Polizei dem MAD den Straftatverdacht mitteilte, obwohl sie über den Ausgang des Verfahrens nichts wußte. Das Kriminalpolizeiamt meinte dazu, dies sei erforderlich gewesen, weil es dem MAD im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gerade darauf ankomme und weil er nur so in der Lage sei, eine (notfalls auch sehr kurzfristige) Entscheidung darüber zu treffen, ob in der Person des Überprüften ein Sicherheitsrisiko besteht. Die Übermittlung des Aktenzeichens allein hätte diesem Bedürfnis nicht genügt.

Dies wiederum ist für uns nicht einleuchtend, denn wir halten es für kaum denkbar, daß auf der Basis einer Information etwa des Inhalts: "Tatverdacht Diebstahl, Ausgang des Verfahrens unbekannt", irgendeine Entscheidung außer der getroffen werden kann, die Akten der Staatsanwaltschaft einzusehen. Dazu ist aber eine Vorabinformation über einen unbewiesenen Tatverdacht nicht notwendig.

Das Ende der Geschichte? Die Polizei nahm den Briefwechsel mit uns zum Anlaß, ihrer Nachberichtspflicht nach dem neuen LDSG genüge zu tun und teilte dem MAD mit, daß sich der Anfangsverdacht gegen den Petenten nicht bestätigt habe. Sie bat den MAD, seine Unterlagen zu berichtigen. Wenn der Petent sich nichts zu Schulden kommen läßt, werden seine Daten bei Polizei und Staatsanwaltschaft nach fünf Jahren gelöscht. Solange er allerdings in sicherheitsempfindlicher Funktion im Bundeswehrbereich beschäftigt ist, bleibt seine Sicherheitsüberprüfungsakte beim MAD samt Anfangsverdacht und Berichtigung durch die Polizei erhalten.

4.1.3.5

Sensible Daten über die Familien von Ausreißern

In einer Spezialdatei werden Daten über Vermißte, unbekannte Tote, Ausreißer und unbekannte hilflose Personen gespeichert. Als vermutliche Gründe des Verschwindens werden auch Daten über die Familiensituation erfaßt.

Zu den vielen Dateien, die von den Polizeien der Länder und dem Bundeskriminalamt im Verbund betrieben werden, gehört seit Jahren die Datei "Vermißte, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen" (VERMI/UTOT). Im vergangenen Jahr ist die Errichtungsanordnung für diese Datei neu gefaßt worden. Gegen eine Datensammlung, die das Wiederauffinden vermißter Personen und die Identifizierung unbekannter Toter ermöglichen soll, gibt es im Grundsatz nichts einzuwenden. Auch das neue Landesverwaltungsgesetz enthält eine Rechtsgrundlage für die Speicherung derartiger Daten. Gleichwohl erhoben wir im Detail Bedenken gegen einige der vorgesehenen Datenfelder.

So erlaubt die Errichtungsanordnung die Speicherung personengebundener Hinweise, wie etwa "gewaltätig", "Ausbrecher", "Ansteckungsgefahr", "geisteskrank", "Betäubungsmittelkonsument", "Freitodgefahr", "Prostitution". Es bestehen Bedenken, derartige, in erster Linie belastende, Bewertungen über Personen zu speichern, die keiner Straftat verdächtig sind. Des weiteren sollen Daten über etwaige vorhandene erkennungsdienstliche Unterlagen erfaßt werden. Hierzu zählt auch ein Vermerk über die "Art der ED-Maßnahme". Auf diese Weise ist es möglich, Informationen über den Verdacht möglicherweise früher begangener Straftaten in einer Datei zu speichern, die doch nur dem Wiederauffinden vermißter Personen und der Identifizierung von Toten dienen soll.

Erhebliche Bedenken waren schließlich noch gegen die Datengruppe "vermutliche Motive" anzuführen, in der Gründe des Verschwindens Vermißter erfaßt werden können. Dort gibt es folgende Datenfelder: "Unglück", "Familienzwistigkeiten", "Trunksucht", "Flucht vor Strafe", "Wirtschaftliche Schwierigkeiten", "Freitod", Hilflosigkeit", "Abenteurer", "Streuner".

Wir haben uns unserer Stellungnahme an den Innenminister auf den Standpunkt gestellt, daß derartige Hinweise, die ja zum Teil nicht nur den Vermißten selbst, sondern auch seine Familie betreffen, unverhältnismäßig sind. Auf diesem Wege können alle Polizeibehörden Informationen über mögliche Motive für das Verschwinden z.B. junger Ausreißer abfragen, ohne daß überzeugend dargelegt wäre, daß dies zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Der Innenminister hat zunächst im Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz der Errichtungsanordnung nicht zugestimmt, in der Innenministerkonferenz dann aber nicht mehr widersprochen.

4.1.3.6

Wozu das Paßfoto noch von Nutzen sein kann

Die Polizei darf im Rahmen ihrer Ermittlungen auch Fotos aus dem Paß- und Personalausweisregister nutzen. Bei Ermittlungen wegen Ordnungswidrigkeiten sollte eine Bagatellgrenze beachtet werden.

In einer Reihe von Eingaben machten Bürger ihren Ärger über polizeiliche Ermittlungsmethoden Luft. Was war geschehen? Die Betroffenen standen im Verdacht, Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen zu haben. Als die Polizei bei ihren Ermittlungen nicht weiter kam, weil sich die Verdächtigen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht beriefen, verglich sie die Beweisfotos mit deren Fotos im Paß- oder Personalausweisregister. Auf diesem Wege konnten die Verdächtigen identifiziert werden.

Wir gingen den Fällen nach und prüften bei dieser Gelegenheit generell die Verfahrensweise in der betreffenden Polizeidirektion. Im Ergebnis war nichts zu beanstanden. Das Paß- und das Personalausweisgesetz sehen für die Polizei ausdrücklich die Befugnis vor, Fotos in diesen Registern auszuwerten. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür sind nicht allzu eng, so daß Daten auf diesem Weg relativ einfach erhoben werden können. Im wesentlichen muß die Polizei im Rahmen ihrer Zuständigkeit handeln und ohne die Registerdaten nicht in der Lage sein, ihre Aufgaben zu erfüllen. Voraussetzung ist weiterhin, daß die Daten beim Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erhoben werden können oder nach der Art der Aufgabenerfüllung von einer Erhebung beim Betroffenen abgesehen werden muß.

Die ersuchende Stelle trägt die Verantwortung für das Vorliegen dieser Vorsetzungen. Ersuchen dürfen nur von besonders vom Behördenleiter dafür ermächtigten Mitarbeitern gestellt werden und sind aufzuzeichnen.

Diese Voraussetzungen waren in den geprüften Fällen eingehalten. Zu kritisieren war lediglich, daß in zwei Fällen die Fotos von Verdächtigen bereits Nachbarn zum Zwecke der Identifizierung gezeigt worden waren, statt direkt das Register auszuwerten.

Im Ergebnis führt diese gesetzliche Situation dazu, daß die Polizei die Fotos in Paß- und Personalausweisregistern genau wie erkennungsdienstliches Material nutzen kann. So sehr wir die Empörung der Betroffenen verstehen konnten, so handelte die Polizei auf dem Boden - wenn auch weitgefaßter -gesetzlicher Ermächtigungen, die anläßlich der Einführung maschinenlesbarer Ausweispapiere geschaffen worden waren.

Wir haben dem Innenminister vorgeschlagen, im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Einsichtnahme in Paß- und Personalausweisregister nur dann vornehmen zu lassen, wenn eine Ordnungswidrigkeit aufzuklären ist, die zumindest mit einem Bußgeld von 80,- DM oder der Eintragung in das Bußgeldregister bedroht ist. Ähnliche Regelungen bestehen auch in anderen Bundesländern.

4.1.4

Ausländerwesen

4.1.4.1

Neufassung des Asylverfahrensrechts

Das neue Asylverfahrensgesetz läßt die erkennungsdienstliche Behandlung aller Asylbewerber zu. Eine sachliche Notwendigkeit dafür ist nicht ersichtlich.

Alle Asylsuchenden machen falsche Angaben zur Person, vernichten ihre Legitimationspapiere und versuchen, durch mehrfache Asylanträge die Behörden zu täuschen; sie kommen in besonderem Maße als Straftäter in Betracht. Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man § 16 des Asylverfahrensgesetzes liest. Danach ist, von wenigen speziellen Ausnahmen abgesehen, in jedem Fall "die Identität eines Ausländers, der um Asyl nachsucht, durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu sichern".

Bereits im 14. Tätigkeitsbericht (S. 29) hatten wir darauf hingewiesen, daß die Praxis in der zentralen schleswig-holsteinischen Aufnahmestelle im Widerspruch zur früheren Gesetzeslage in nahezu jedem Fall zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung führte, obwohl dies nach damaliger Rechtslage nur bei Zweifeln im Einzelfall zulässig war. Darüber hinaus erschien die Aufnahme von Abdrucken aller zehn Finger nicht erforderlich, da eine eindeutige Identifizierung auch mit Hilfe eines einzigen Fingerabdrucks möglich ist.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten hat sich mit großer Mehrheit gegen die Neuregelung gewand. In einer Entschließung wird auf die praktischen Erfahrungen hingewiesen und gefordert, entsprechend dem Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe

  • die erkennungsdienstliche Behandlung auf konkrete Zweifelsfälle zu beschränken,
  • den Umfang erkennungsdienstlicher Unterlagen auf das Erforderliche zu beschränken und auf den Zehnfingerabdruck zugunsten des Einfingerabdrucks zu verzichten und schließlich
  • die Nutzung des erkennungsdienstlichen Materials für Zwecke der Strafverfolgung nicht voraussetzungslos zu gestatten, sondern von weiteren Bedingungen abhängig zu machen, etwa von dem Ver-dacht besonders schwerer und enumerativ aufzuzählender Delikte. Bei polizeilicher Gefahrenabwehr wären ähnliche Regelungen zu treffen.

Diese Bedenken hat der Gesetzgeber nicht berücksichtigt.

4.1.4.2

Müssen sich Asylbewerber selbst strafbarer Handlungen bezichtigen?

Asylbewerber bezichtigen sich gelegentlich im Rahmen ihrer Anträge strafbarer Handlungen in ihrem Herkunftsland. Ausländer- oder Asylbehörden sollen nach bestehenden Verwaltungsvorschriften die Strafverfolgungsbehörden davon unterrichten. Eine ausreichende Rechtsgrundlage ist dafür jedoch nicht vorhanden.

In Arbeitskreisen der Polizei auf Bundesebene wurde gegenüber der allgemeinen Verwaltung darauf gedrängt, die Ausländer- bzw. Asylbehörden speziell auch im Hinblick auf Asylbewerber anzuhalten, ihrer Mitteilungspflicht den gemäß "Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten" nachzukommen. Diese sehen vor, daß eine Behörde von dem Verdacht, daß ein Ausländer im Ausland eine Straftat begangen habe, die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht benachrichtigt. Daß auch in diesem Fall die Mitteilungsvorschriften im Justizbereich als bloße Verwaltungsvorschriften keine ausreichende Rechtsgrundlage für Datenübermittlungen bieten, ist klar. Sogar einige Polizeibehörden der Länder teilen diese Meinung.

Ausländerbehörden unterliegen keinem allgemeinen Strafverfolgungszwang und sind so zur generellen Anzeige strafbarer Handlungen nicht verpflichtet. Die Verfolgung von Auslandsstraftaten nach dem StGB erfolgt ebenfalls nicht nach dem Legalitätsprinzip. Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen schließlich, das eine vorläufige Auslieferungshaft bei strafbaren Handlungen ermöglicht, geht von der Erwartung eines Auslieferungsersuchens aus und deckt gerade den Fall fehlender ausländischer Strafverfolgung nicht ab.

Folgerichtig wurde gefordert, in einer eindeutigen, normenklaren Rechtsvorschrift eine Grundlage für entsprechende routinemäßige Übermittlungen von Informationen über Auslandsstraftaten in einem Gesetz (z.B. im Ausländergesetz) zu schaffen.

Hier mußten wir gegenüber dem Justizminister und dem Innenminister allerdings grundsätzliche Bedenken deutlich machen. Ein Asylbewerber befindet sich häufig in einer schwierigen Lage. Er muß die Tatsachen darstellen, die seine Furcht vor politischer Verfolgung begründen und trägt das Risiko, daß ihm Asyl nicht gewährt wird, wenn seine Ausführungen für unzulänglich angesehen werden. Um Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Darstellungen zu vermeiden, kann er sich genötigt sehen, auf eigene, politisch motivierte strafbare Handlungen im Herkunftsland hinzuweisen. Führen diese Hinweise automatisch zu einer Information der Staatsanwaltschaft, so würde der Grundsatz in Frage gestellt, daß niemand gezwungen werden darf, sich selbst strafbarer Handlungen zu bezichtigen. In anderen Bereichen sind in vergleichbaren Konfliktfällen gesetzliche Lösungen gefunden worden. Sie bringen zum Ausdruck, daß das Interesse des Betroffenen daran, seine Angaben ausschließlich im zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren verwertet zu sehen, gegen das Interesse der Allgemeinheit an der Verfolgung von Straftaten abzuwägen ist und daß für den Staat sogar eine Einschränkung des Strafverfolgungsanspruchs in Betracht kommt (z.B. im Sozialgesetzbuch).

Deshalb müßte eine zu schaffende gesetzliche Grundlage Einschränkungen zugunsten der Betroffenen vorsehen. So könnte die Zulässigkeit einer Übermittlung auf solche Strafverfahren beschränkt werden, die erhebliche Rechtsgutsverletzungen (z.B. Verbrechen oder Straftaten der in § 138 StGB aufgezählten Art) oder strafbare Handlungen im Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren selbst zum Gegenstand haben. Darüber hinaus müssen Aufklärungspflichten festgelegt werden, die es dem Betroffenen ermöglichen, frei zu entscheiden, welche Angaben er machen will, und die ihm einen Überblick über die Rechtsfolgen geben, die mit seinen Angaben oder ihrer Verweigerung verbunden sind. Der Betroffene ist auch über Strafverfolgungsmöglichkeiten aufzuklären und darauf hinzuweisen, welche seiner Angaben in Strafverfahren gegen ihn verwendet werden können.

Die bundesweite Diskussion einer generellen Neufassung der RiVASt ist noch nicht abgeschlossen. Der Innenminister hält den gesamten Fragenkomplex ebenfalls für weiter erörterungsbedürftig und hat überdies Zweifel, ob die Forderung nach gesetzlicher Fixierung solcher Datenübermittlungen weiter verfolgt wird. Für diesen Fall hat er eine Berücksichtigung der Datenschutzargumente zugesichert.

4.1.5

Bau- und Wohnungswesen

Mietpreisspiegel: Datenschutz beinahe übersehen

Für die Aufstellung eines Mietspiegels ließ sich eine Stadt Kundendaten der Stadtwerke übermitteln. Die Verwendung der Daten für diesen Zweck ist nur mit Einwilligung der Kunden zulässig.

Um Fehlentwicklungen bei der Mietpreisgestaltung auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken, sollte für eine kreisfreie Stadt ein Mietpreisspiegel aufgestellt werden. Als Grundlage zur Durchführung der notwendigen Befragung der Mieter bzw. Vermieter griff man auf die Kundendatei der Stadtwerke zurück, da die Einwohnermeldedatei für diesen Zweck nicht hinreichend strukturiert war. Datenschutzrechtliche Bedenken hinsichtlich dieser Datenübermittlung kamen jedoch erst nach Abschluß aller Vorarbeiten auf.

Da die Stadtwerke in privatrechtlicher Form organisiert waren, mußten natürlich auch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes beachtet werden. Danach ist unter anderem eine Weitergabe personenbezogener Daten, die nicht im Rahmen des Vertragszweckes stattfindet, nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluß der Übermittlung haben.

Problematisch war hier vor allem, ob die Kunden der Stadtwerke ein solches schutzwürdiges Interesse geltend machen können. Dies war anzunehmen, da sich der Mietpreisspiegel im Einzelfall für Betroffene mit einer sehr günstigen Miete auch negativ auswirken kann, erleichtert er doch in diesen Fällen das Verfahren für eine Mieterhöhung erheblich. Eine ausreichende Wahrung der Rechte der Betroffenen konnte schließlich nur dadurch gewährleistet werden, daß die übermittelten Daten zunächst nur dazu genutzt wurden, vor einer weiteren Verarbeitung die Einwilligung der Betroffenen zu der beabsichtigten Datenverarbeitung einzuholen. Wurde sie verweigert, erfolgte die sofortige Löschung der Daten.

Die Einholung der Einwilligung konnte auf Anraten des Landesbeauftragten gerade noch rechtzeitig vor der Weiterverarbeitung der Daten zwischengeschaltet werden. Wären die Kundenadressen ohne entsprechende Einwilligung genutzt worden, hätte dies eine Rechtspflicht zur Löschung der bereits verarbeiteten Daten zur Folge gehabt. Die bis dahin angefallenen Kosten für den Mietpreisspiegel wären verloren gewesen.


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