26. Tätigkeitsbericht (2004)

1

Situation des Datenschutzes in Schleswig-Holstein

1.1

Das Tüpfelchen auf dem i

Im 24. Tätigkeitsbericht (Tz. 1.3) hatten wir die Prognose gewagt, das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz werde sich von einer reinen Aufsichtsbehörde immer mehr zu einem Innovationszentrum weiterentwickeln. In den vergangenen zwei Jahren ist dieser Prozess so weit fortgeschritten, dass nunmehr auch der entsprechende organisatorische Rahmen geschaffen werden konnte. Die steigende Zahl von eigenen Modellprojekten, die zunehmenden Angebote aus der Wirtschaft und aus der Wissenschaft an das ULD zur Beteiligung an Projekten und der Erfolg der abgeschlossenen Projekte (vgl. Tz. 8) haben die Einrichtung eines neuen Arbeitsbereiches mit der Bezeichnung Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz - Innovationszentrum (ULD-i) notwendig gemacht.

Das ULD-i wird unsere Projekte im Datenschutz- und Datensicherheitsbereich künftig professionell von der Antragsphase bis zur Abwicklung begleiten. Vor allem wird das ULD-i Partner aus der Wirtschaft und Wissenschaft der Region für gemeinsame Projekte zusammenführen. Damit in engem Zusammenhang steht die weitere Aufgabe, die Ergebnisse von Modellprojekten und das dabei entstandene Know-how in die Praxis, und das heißt in erster Linie in konkrete Produkte, zu überführen. Die IT-Unternehmen der Region sollen in Zusammenarbeit mit den bewährten Institutionen wie der Industrie- und Handelskammer, der Technologietransferzentrale, den Hochschulen des Landes, insbesondere dem Multimedia-Center in Kiel und der International School of New Media in Lübeck, sowie den Verbänden der IT-Branche mit dem neuesten Know-how aus dem Bereich der Privacy Enhancing Technologies versorgt werden. Die Anschubfinanzierung für ULD-i stammt aus den Fördermitteln des Regionalprogramms 2000, das von der Europäischen Union finanziell getragen wird.

Kurz vor Redaktionsschluss dieses Berichtes kam das Land Schleswig-Holstein in einem Innovationswettbewerb, an dem sich 126 europäische Regionen beteiligt haben, mit dem ULD-Projekt "Datenschutz-Gütesiegel” in der Kategorie Informationsgesellschaft unter die besten, d. h. innovativsten drei Regionen. Dass man mit dem Thema "Datenschutz” in einem Innovationswettbewerb der Europäischen Union ganz vorne landen kann, ist eine vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbare Entwicklung. Nichts könnte den Wandel des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz von der traditionellen Aufsichtsbehörde hin zu einem Motor der technologischen Innovation besser dokumentieren als die Gründung des ULD-Innovationszentrums.

1.2

Die Hausaufgaben gemacht

Neben diesen Neuerungen liefen bei uns auch im Berichtsjahr die typischen Tätigkeiten einer Datenschutzkontroll- und Aufsichtsbehörde ungeschmälert weiter. Die Bürgerinnen und Bürger konnten sich darauf verlassen, dass wir uns bei der Verteidigung der Grundrechte gegen Zumutungen der Politik oder gegen unverantwortliche technische Entwicklungen stets an vorderster Linie befanden (vgl. Tz. 4.2.2, Tz. 4.2.4, Tz. 4.2.5, Tz. 4.5.1, Tz. 7.1). Mit unserer Aktion "Rote Karte für Internet-Schnüffler” und im Rahmen von Stellungnahmen und Presseerklärungen haben wir, wann immer es aus unserer Sicht notwendig war, energisch, vernehmbar und in der Sache eindeutig Partei für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergriffen.

Die datenschutzrechtlichen Kontrollen wurden auch im Berichtsjahr angemeldet oder unangemeldet kontinuierlich fortgesetzt (vgl. Tz. 4.3.1, Tz. 4.7.12, Tz. 4.7.14, Tz. 5.2, Tz. 5.6, Tz. 6.7.1, Tz. 6.7.2, Tz. 6.7.3). Inzwischen wurde mit einem flächendeckenden Kontrollprogramm begonnen, an dessen Ende in absehbarer Zeit alle Kommunen in Schleswig-Holstein in puncto Datensicherheit überprüft sein werden (vgl. Tz. 6.7).

Entsprechend dem seit Jahren bestehenden Trend wurde auch die Beratung von Wirtschaft, Verwaltung und IT-Branche bei der Einführung neuer Technologien und Verfahren fortgesetzt. Beispiele für den manchmal zähen, zunehmend aber angenehm konstruktiven Dialog mit den Machern der Informationstechnik finden sich unter Tz. 2, Tz. 4.7.5, Tz. 4.7.6, Tz. 4.7.10, Tz. 4.8.1, Tz. 6.1, Tz. 6.3, Tz. 6.5, Tz. 6.6, Tz. 8.3, Tz. 8.4, Tz. 8.5, Tz. 9.1.3, Tz. 10.1, Tz. 10.2, Tz. 10.3, Tz. 10.4, Tz. 10.6, Tz. 10.7, Tz. 10.8, Tz. 11.2, Tz. 11.3, Tz. 11.4. Hinter diesen Textziffern und den dort geschilderten Beratungen neuer technischer Entwicklungen verbergen sich viele stille, häufig kleine, manchmal auch große Erfolgsgeschichten des Datenschutzes. Das geringe Aufheben, das gemeinhin um diese Beratungstätigkeit im Vorfeld neuer Verfahren gemacht wird, steht jedenfalls in einem umgekehrten Verhältnis zu den großen Effekten, die mit einer datenschutzgerechten Informationstechnik erzielt werden.

1.3

Datenschutzaudit und Datenschutz-Gütesiegel in Schleswig-Holstein:
Herr Schily, übernehmen Sie!

Datenschutzaudit und Datenschutz-Gütesiegel sind den Kinderschuhen entwachsen und haben sich zu erfolgreichen Innovationsinstrumenten des Datenschutzes entwickelt. Die Zertifizierungsanträge aus der Wirtschaft laufen auch nach dem Ende der von der EU geförderten Modellprojekte (vgl. Tz. 8.1) unvermindert weiter. Schon jetzt bewegt sich das Datenschutz-Gütesiegel von den Fallzahlen her im Bereich der seit Jahren in Deutschland etablierten Zertifizierungsverfahren IT-Grundschutz und Common Criteria.

Die Behörden in Schleswig-Holstein nehmen bei Beschaffungen zunehmend ihre Verpflichtung aus dem LDSG wahr, vorrangig Produkte mit dem Datenschutz-Gütesiegel einzusetzen; das Gebäudemanagement Schleswig-Holstein ist mit gutem Beispiel vorangegangen (Tz. 9.1.5). Erstmals konnten im Berichtszeitraum Firmen von ihren Erfahrungen mit dem Datenschutz-Gütesiegel berichten. Offenbar zahlt sich das Gütesiegel aus. Ein Unternehmen ließ beispielsweise verlautbaren, dass sich die Aufwendungen binnen weniger Wochen amortisiert hätten.

Leider ist der Wirkungskreis des schleswig-holsteinischen Gütesiegels aus Gründen der Gesetzgebungszuständigkeit begrenzt. Bis der Bund endlich die gesetzlichen Voraussetzungen auf Bundesebene schafft, versuchen sich die Unternehmen zu behelfen, so gut es geht. Manche gehen dazu über, uns um Bescheinigungen darüber zu bitten, dass ihr Produkt die Voraussetzungen für ein schleswig-holsteinisches Gütesiegel erfüllen würde, wenn es denn zulässig wäre, ein solches zu beantragen. Schon davon erhofft man sich also Marktvorteile. Bleibt nur die Aufforderung an den Bundesinnenminister: "Herr Schily, übernehmen Sie!”

http://www.datenschutzzentrum.de/audit/obschily.htm




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