19. Tätigkeitsbericht (1997)



9.

Was es sonst noch zu berichten gibt

9.1

Darf ein Gemeindevertreter Personalakten einsehen?

Ein Gemeindevertreter wollte sich über den Inhalt des Arbeitsvertrages unterrichten, den die Amtsverwaltung mit dem Hausmeister des kommunalen Gemeinschaftshauses abgeschlossen hatte. Er erbat zu diesem Zweck eine Kopie des Vertrages. Dies wurde ihm unter Hinweis auf "den Datenschutz" verweigert. Zu recht, denn nach der Gemeindeordnung ist zwar einzelnen Gemeindevertretern auf Verlangen Auskunft zu erteilen und Akteneinsicht zu gewähren, bei Personalakten gilt das allerdings nur für die Mitglieder des Hauptausschusses oder eines Personalausschusses.

9.2

Förmliche Anhörverfahren: Einwender müssen einander nicht alle kennen

Ein Kreis lud als untere Wasserbehörde im Rahmen eines wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens alle Einwender zu einem Erörterungstermin ein. Dem Einladungsschreiben war eine Namensliste aller Einwender beigefügt. Die Einlassung der Wasserbehörde, dies erscheine datenschutzrechtlich unbedenklich, da doch jeder Beteiligte im Rahmen seines Akteneinsichtsrechts die Daten der anderen ohnehin zur Kenntnis hätte nehmen können, war nicht stichhaltig, denn Daten einzelner Einwender müssen nicht zwangsläufig im Rahmen von Auskünften auch allen anderen Beteiligten offenbart werden. Da also kein Einwender einen Anspruch hat, die Identität der anderen Einwender zu kennen, hatte die Behörde auch nicht das Recht, sie publik zu machen.

9.3

Umgang mit Stundungsanträgen


Vermehrt erreichten uns Eingaben und Beratungsersuchen im Zusammenhang mit Stundungsanträgen. In einem Fall rieten wir einer Gemeinde, den Namen von Antragstellern nicht automatisch zu den Sitzungsunterlagen zu geben, sondern nur dann, wenn dies zur Entscheidung über den Antrag notwendig ist. In einem anderen Fall ergab unsere Überprüfung, daß in dem Stundungsantrag weit mehr Daten abgefragt wurden als für das Stundungsverfahren notwendig. Einige Angaben, wie z.B. zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angehörigen, wurden daraufhin gestrichen.

9.4

Wenn es die Gemeinde zu genau wissen will

Mehrere Gemeinden eines Amtes hatten per Haushaltsfragebogen mit detaillierten Angaben über die persönlichen Verhältnisse der Familien Grundlagendaten für die künftige Ortsentwicklung ermitteln wollen. Sie wurden zwar ohne Namensangaben erhoben, insbesondere bei den kleineren Gemeinden war jedoch ein Rückschluß auf bestimmte Haushalte möglich. Solche Haushaltsbefragungen müssen wie Statistiken behandelt werden. Sind die Fragen so detailliert, daß auch ohne direkte Angaben zur Person eine Personenbeziehbarkeit herstellbar ist, so bedarf es für die Erhebung einer Rechtsgrundlage in einer Satzung. Im konkreten Fall haben wir Hinweise gegeben, wie die schon begonnene Befragung zu Ende gebracht und die Auswertung so durchgeführt werden konnte, daß die datenschutzrechtlichen Belange der Bürger gewahrt wurden.

9.5

Statistikgeheimnis verletzt


Die Datenübermittlungen der Gemeinden zur Erstellung der Wanderungsstatistik wurden nach einem Runderlaß des Innenministers aus dem Jahre 1953 bis vor kurzem über die jeweiligen Kreisverwaltungen an das Statistische Landesamt zugesandt, obwohl die Meldedatenübermittlungsverordnung von 1985 die unmittelbare Datenübermittlung von den Meldebehörden an das Statistische Landesamt ausdrücklich vorschreibt. Auf unsere Kritik hin hat das Innenministerium den alten Erlaß inzwischen aufgehoben.

9.6

Darf man seine eigene Zeugenaussage nicht einsehen?

Es kommt immer wieder vor, daß berechtigte Informationsersuchen der Bürger unter Hinweis auf angebliche Belange des Datenschutzes verweigert werden. Einer Zeugin sollte sogar ihre eigene Aussage unter Berufung auf "Datenschutz" vorenthalten werden. Das Datenschutzrecht stand einer Aushändigung der Kopie des Protokolls jedoch keinesfalls entgegen, weil es nur Angaben enthielt, die die Petentin selbst gemacht hatte. Mit der Kopie des Protokolls gelangte sie nicht in den Besitz neuer Informationen. Ein entsprechender Hinweis an die zuständige Stelle führte dazu, daß die Petentin eine Kopie ihres Aussageprotokolls ausgehändigt bekam.

9.7

Was man mit der Krankenversichertenkarte alles machen könnte

Im Zusammenhang mit der Nutzung der Krankenversichertenkarte (Chipkarte) haben die Versicherten nach wie vor die Sorge, daß es zu einer zweckfremden Nutzung kommen könnte. Dies scheint auch nicht unbegründet zu sein. So erreichte uns beispielsweise die Anfrage, ob die Verwendung der Krankenversicherten karte auch für Zwecke der Zeiterfassung in einem Betrieb zulässig sei. Der Gesetzgeber hat die Nutzung der Krankenversichertenkarte im Sozialgesetzbuch V eindeutig geregelt. Damit hat er unmißverständlich klargestellt, daß die Verwendung der Krankenversichertenkarte ausschließlich für diesen Zweck zulässig ist. Daraus ergibt sich ein Verbot, die Krankenversichertenkarte zur Zeiterfassung von Arbeiternehmern innerhalb eines Betriebes zu verwenden.

9.8

Zuviel Transparenz bei Beurteilungen


Eine Landesbehörde gab im Rahmen der Zusammenarbeit nach dem Mitbestimmungsgesetz dem für sie zuständigen Bezirkspersonalrat statistische Auswertungen einer Beurteilungsaktion an die Hand. Sie umfaßten alle Beurteilungen auch der nachgeordneten Dienststellen und ließen in einigen Einzelfällen Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiter zu. Der Bezirkspersonalrat gab die genannten Informationen an alle örtlichen Personalräte seines Bezirkes und an eine nicht dem Personalrat angehörende Person weiter. Einer dieser örtlichen Personalräte leitete seinerseits die Unterlagen den Erst- und Zweitbeurteilern seiner Dienststelle zu. Nachdem ein Betroffener uns eingeschaltet hatte, haben wir diese Verfahrensweise beanstandet.

9.9

Fahndung nach Kurgästen


Eine Kurverwaltung hatte auf dem Parkplatz einer Einwohnerin erheblich mehr parkende ortsfremde Autos festgestellt, als die abgeführte Kurtaxe erwarten ließ. Sie zeigte die Vermieterin kurzerhand wegen Ordnungswidrigkeit an. Die Bußgeldstelle des Kreises schaltete die örtliche Polizeistation ein, die nach einer Halterfeststellung die "Kurgäste" als Zeugen vernahm. Dies empfand die Petentin als äußerst peinlich.

Wir haben wegen Verstoßes gegen das Landesdatenschutzgesetz eine Beanstandung ausgesprochen. Hier hätte die Petentin über die Erhebung der Kraftfahrzeugdaten auf ihrem Grundstück und deren beabsichtigte Weiterverarbeitung aufgeklärt werden können, ohne daß der Ermittlungserfolg gefährdet worden wäre. Sie hätte dann unter Umständen selbst zur Sachverhaltsaufklärung beitragen können, so daß sich die unangenehmen Zeugenvernehmungen womöglich erübrigt hätten.

9.10

Wenn der Amtsvorsteher mit dem Schulverbandsvorsteher ...

Ein Amtsvorsteher war zugleich stellvertretender Schulverbandsvorsteher und hielt die Tatsache des Wohnsitzwechsels "seines" Schulleiters für wichtig genug, um den Schulverbandsvorsteher und die Bürgermeister der verbandsangehörigen Gemeinden zu unterrichten. Der Schulleiter wurde daraufhin auf diesen Wohnsitzwechsel angesprochen, was ihm offensichtlich unangenehm war. Von uns auf den datenschutzrechtlichen Verstoß gegen melderechtliche Vorschriften hingewiesen, hat sich der Amtsvorsteher schriftlich bei dem betroffenen Schulleiter entschuldigt.

9.11

Verkehrssünder werden nicht richtig aufgeklärt

Die Bußgeldstellen größerer Städte ahnden Straßenverkehrsverstöße mit Verwarnungs- und Bußgeldern. Im Rahmen eines bundesweit eingesetzten EDV-Verfahrens wird über das festgestellte Kraftfahrzeugkennzeichen durch Fernabfrage aus dem zentralen Kraftfahrzeugregister in Flensburg der Halter des Fahrzeugs ermittelt. Dies geschieht zunächst ohne seine Kenntnis. Wir haben in Prüfungen festgestellt, daß die vom LDSG geforderte nachträgliche Information der Betroffenen über Inhalt, Zweck und Rechtsgrundlage der Datenerhebung in dem eingesetzten Verfahren nicht ausreichend erfolgt. Es muß deshalb an die bestehende Rechtsgrundlage angepaßt werden. Das Verkehrsministerium hat zugesagt, entsprechende Initiativen zu ergreifen.

9.12

Ein Griff - und das Sozialgeheimnis ist dahin

Ein anonymer Besucher hatte es eilig und übergab uns ein großes Kuvert ohne Absender. Der Inhalt war brisant. Es fanden sich

  • die Kopie einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung,

  • ein Nachweis über die Leistung gemeinnütziger Arbeit,

  • die Mitteilung einer Krankenkasse über Leistungen der Pflegestufe 3,

  • die Kopie eines Lohnstreifens und

  • die Kopie einer Bescheinigung über Nebenverdienste.

In einem Begleitbrief teilte der Unbekannte mit, die Unterlagen habe er einem Briefkasten des Sozialamtes der Stadt Kiel mühelos von außen entnehmen können. Bisherige Beschwerden bei den Verantwortlichen hätten nicht gefruchtet. Eine kurzfristig anberaumte Inaugenscheinnahme bestätigte den Sachverhalt. Auch unsere Prüfer konnten sich in dem Briefkasten "bedienen". Uns wurde eine umgehende bauliche Veränderung zugesagt und versichert, daß der Briefkasten bis dahin in kurzen Abständen geleert werde. Als wir bei einer Nachkontrolle feststellen mußten, daß der alte Briefkasten noch da war und offensichtlich nicht rechtzeitig geleert worden war, war es wieder möglich, Briefe zu entnehmen. Auf unsere Beanstandung hin wurde der Mangel jetzt beseitigt.

9.13

Öffentliche Informationen über nichtöffentliche Verfahren?

Warum muß bei Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Name des Schuldners öffentlich in den Gerichten ausgehängt werden, wenn das Verfahren selbst gar nicht öffentlich ist, fragte eine Petentin. Auch nach unserer Auffassung besteht dazu keine Notwendigkeit. Da wir gegenüber den Gerichten keine Kontrollbefugnis haben, können wir nur auf diesem Weg auf das Problem aufmerksam machen und die Gerichte ermuntern, in diesen Verfahren auf den öffentlichen Aushang der Terminsrolle künftig zu verzichten.

9.14

Was fehlt noch? Jubiläumsdaten!

Sensibel zeigte sich der Personalrat einer kommunalen Dienststelle. Die Mitarbeiter wurden von der Verwaltung nämlich aufgefordert, sich in eine Liste einzutragen, wenn sie eine vorgesehene behördeninterne Veröffentlichung ihrer Geburts- und Jubiläumsdaten nicht wünschten. Der Personalrat erhob gegen diese "Negativabfrage" Bedenken. Wir sind der Meinung, der persönliche Glückwunsch im Kreis der Kollegen sei traditioneller Bestandteil des Berufslebens. Eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen halten wir nicht für notwendig, sofern wenigstens eine Widerspruchsmöglichkeit besteht.


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