18. Tätigkeitsbericht (1996)



4.6

Wirtschaft, Technik und Verkehr

4.6.1

Schnelle Reaktion auf unsere Kontrollergebnisse

Aufgrund der letztjährigen Prüfungsergebnisse hat das Verkehrsministerium kurzfristig reagiert. Den Fahrerlaubnisbehörden sind klare Regelungen für den Datenschutz an die Hand gegeben worden.

Die im Vorjahr gewonnenen Erkenntnisse über die Datenverarbeitungspraxis der Führerscheinstellen haben das Verkehrsministerium davon überzeugt, daß einheitliche und präzise Regelungen zur automatisierten und konventionellen Datenverarbeitung bei den Fahrerlaubnisbehörden geschaffen werden müssen. Das Ministerium hat unsere Vorschläge zügig in Verwaltungsvorschriften umgesetzt. Ein Erlaß regelt nunmehr die Speicherfristen in Akten, die Aktenbereinigung, die Aktenführung sowie Aufbewahrungsfristen für Akten, die Speicherinhalte und Speicherfrist bei elektronischer Speicherung sowie die Datenübermittlungen an die Polizei. Ob die Führerscheinstellen die Vorschriften des Erlasses in der geforderten Weise umsetzen bzw. umgesetzt haben, gilt es durch entsprechende Nachkontrollen festzustellen.


Nicht so prompt reagierte eine Führerscheinstelle, deren Verfahrensweise wir im Jahre 1994 beanstandet hatten (vgl. 17. TB, Tz. 4.6.1). Eine Nachkontrolle ergab, daß noch immer keine personellen Maßnahmen ergriffen worden waren, um den fehlerhaften EDV-Datenbestand zu korrigieren und eine nicht mehr aktuelle Altkartei endlich zu vernichten. Obwohl wir dies beim Landrat ausdrücklich monierten, steht für den Abgleich der Altkartei mit dem EDV-Bestand eine personelle Verstärkung der Führerscheinstelle offensichtlich noch immer nicht in Aussicht. Nach dem Erlaß des Verkehrsministers sind die Altkarteibestände bis 31.12.1996 zu vernichten. Wir werden aufmerksam verfolgen, ob die Führerscheinstellen diese Frist einhalten.

Was ist zu tun?
Die Fahrerlaubnisbehörden sollten ihre Datenbestände nach Maßgabe der neuen Verwaltungsvorschriften umgehend bereinigen.

4.6.2

Speicherung personenbezogener Daten aufgrund der Erteilung von Taxenkonzessionen umgehend neu geregelt

Einem Taxiunternehmer hielt eine Zulassungsbehörde viele Jahre zurückliegende Verkehrsverstöße vor, weil Auskünfte aus dem Verkehrszentralregister selbst dann noch aufbewahrt wurden, als sie dort längst gelöscht waren. Das Verkehrsministerium reagierte auf unsere Kritik binnen 14 Tagen mit einem Erlaß.

Nach dem Personenbeförderungsgesetz dürfen Genehmigungen zur Personenbeförderung mit Taxen maximal für vier Jahre ausgesprochen werden. Bei Wiedererteilungen prüft die Genehmigungsbehörde, ob Eintragungen im Verkehrszentralregister vorliegen. So auch im Falle eines Petenten, der seit Mitte der 70er Jahre als Taxiunternehmer tätig ist. Er bekam seine Konzession jedesmal anstandslos verlängert. In seiner Konzessionsakte fanden sich jedoch einige Auszüge aus dem Verkehrszentralregister, die dort längst getilgt waren. Als sich nun im letzten Antragsverfahren der Bürger über den Umgangston der Behörde beschwerte, hielt diese ihm daraufhin alle von ihm begangenen Verkehrsverstöße, die sie in ihrer Akte noch gespeichert hatte, vor.

Wir haben diese Speicherungspraxis beanstandet. Das Personenbeförderungsgesetz legt zwar keine besonderen Speicherfristen fest. Dies bedeutet gleichwohl, daß Daten, soweit sie nicht mehr zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind, unverzüglich zu löschen sind.


Das Verkehrsministerium hat sich unserer Auffassung uneingeschränkt angeschlossen und die Zulassungsbehörden aufgefordert, ihre Akten umgehend auf zu löschende Informationen durchzusehen und zu bereinigen. Bemerkenswert ist, daß die Anweisung an die Zulassungsbehörden bereits 14 Tage, nachdem dem Verkehrsministerium der Sachverhalt durch uns bekannt wurde, erging. Dies hebt sich von den langen Reaktionszeiten anderer Behörden wohltuend ab.

Was ist zu tun?
Die Zulassungsbehörden sollten die notwendige Bereinigung der Daten so zügig durchführen, wie das Verkehrsministerium auf unsere Kritik reagiert hat.

4.6.3

Bundesgesetzgeber plant weitere Verdatung der Autofahrer

Die bislang bekanntgewordenen Entwürfe zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes verheißen nichts Gutes. Die geplante Einführung eines zentralen Fahrerlaubnisregisters stößt auf datenschutzrechtliche Bedenken.

Mit der Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und der Einführung der Fahrerlaubnisverordnung trägt der Bundesgesetzgeber den Vorgaben der EG-Führerscheinrichtlinie Rechnung, durch die das Fahrerlaubniswesen in der Europäischen Union harmonisiert werden soll. Neben den örtlichen Fahrerlaubnisregistern soll ein neues zentrales Register beim Kraftfahrt-Bundesamt eingerichtet werden, in dem alle Inhaber einer Fahrerlaubnis mit Namen, Geburtsdatum und den Fahrerlaubnisklassen registriert sind. Es soll nach Auffassung der Bundesregierung den europäischen Nachbarn ermöglichen festzustellen, ob ein deutscher Fahrer, der im europäischen Ausland aufgefallen ist, eine Fahrerlaubnis besitzt. Für die deutschen Verkehrsbehörden sowie für die Polizei soll das zentrale Fahrerlaubnisregister Vorteile bringen. Nach Meinung des Bundesverkehrsministers erfordert der Abfrageaufwand bei den derzeit über 700 örtlichen Fahrerlaubnisbehörden für Polizei, Ordnungsbehörden und europäische Dienststellen eine zentrale Datei zur Verwaltungsvereinfachung.

Wir halten diese Argumente nur zum Teil für stichhaltig und sehen das Problem, daß hier de facto ein letztlich europaweites zentrales Einwohnermelderegister eines Großteils der Bevölkerung aufgebaut wird, während bislang ein Bundesmelderegister aus guten Gründen abgelehnt wurde. Die Entwürfe des Straßenverkehrsgesetzes und der Fahrerlaubnisverordnung zeichnen sich außerdem durch komplizierte Vorschriften und unübersichtliche Verweisungen aus. Kettenverweisungen über drei oder vier Stationen sind nicht gerade das, was man unter Normenklarheit von Vorschriften versteht. Überdies regeln die Entwürfe die umfangreiche Datenverarbeitung im Bereich der Verkehrsverwaltung nur sehr lückenhaft. Wir haben unsere Kritikpunkte dem Verkehrsminister zugeleitet und gebeten, sie im Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen.

Was ist zu tun?
Der Verkehrsminister sollte unsere Position im anstehenden Gesetzgebungsverfahren gegenüber dem Bund unterstützen.

4.6.4

Bürgerunfreundlich aus Prinzip?

Eine Behörde verweigerte einem Bürger die Akteneinsicht nicht aus sachlichen Gründen, sondern "aus Prinzip". Die Folge waren ein für den Bürger kostspieliger Prozeß und eine datenschutzrechtliche Beanstandung.

Ein Bürger hatte zufällig davon Kenntnis erlangt, daß in seiner Zulassungsakte Informationen gespeichert waren, die auf eine gezielte polizeiliche Überwachung seiner notärztlichen Tätigkeit, für die sein Privatfahrzeug mit Blaulicht und Einsatzhorn ausgestattet war, hindeuteten. Er begehrte daraufhin von der Zulassungsbehörde Akteneinsicht, ohne daß er sich auf eine konkrete Rechtsgrundlage berief. Der Kreis verweigerte ihm die Akteneinsicht unter Hinweis darauf, daß ein Anspruch nach dem Landesverwaltungsgesetz nicht gegeben sei, da in dem Verwaltungsverfahren, mit dem ihm die Sonderrechte (Blaulicht und Einsatzhorn) eingeräumt wurden, seinem Antrag voll entsprochen worden sei. Der Auskunftsanspruch nach dem Datenschutzschutzrecht wurde dabei weder vom Rechtsamt des Kreises noch von der Widerspruchsbehörde, die über den Widerspruch gegen die Ablehnung der Akteneinsicht entscheiden mußte, gesehen.

Die Angelegenheit fand schließlich vor Gericht ihre Fortsetzung. Das Verwaltungsgericht lehnte das Begehren des Bürgers mit denselben Gründen wie die Verwaltung ab. Auch dabei wurde der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch übersehen. Dem Petenten entstanden Kosten von ca. 2 000 DM. Daraufhin wandte er sich an uns.

Bei unserer Prüfung stellten wir fest, daß keinerlei Gründe gegen die Akteneinsichtnahme nach dem Landesdatenschutzgesetz vorlagen. Es zeigte sich sogar, daß die Zulassungsbehörde eigentlich nichts gegen die Akteneinsicht hatte. So heißt es in der Akte an einer Stelle: "Es gibt in der Sache zwar nichts zu verheimlichen. Es geht jedoch um die grundsätzliche Klärung, ob jede abgeschlossene Angelegenheit durch Akteneinsicht wieder aufgerollt werden muß." Die weitere handschriftliche Notiz eines Bearbeiters zeigt ein krasses Beispiel bürgerunfreundlichen Verwaltungshandelns. Dort heißt es: "Die Gewährung von Akteneinsicht wäre zwar mit weniger Aufwand verbunden, aber es geht um das Prinzip."

Wir haben die Verweigerung der Akteneinsicht als erheblichen Verstoß gegen die Vorschriften des Datenschutzrechts beanstandet und dem Bürger geraten, sein ihm zustehendes Akteneinsichtsrecht nunmehr wahrzunehmen. Daran ist er auch nicht durch die unanfechtbare Entscheidung des Verwaltungsgerichts gehindert, denn er kann jederzeit einen neuen Einsichtsantrag stellen.

Dies sieht der Kreis anders. Der Landrat ließ es in seinem letzten Schreiben an uns bei zwei Zeilen bewenden: "In einem Rechtsstaat ist das Institut der Rechtskraft unantastbar. Vor diesem Hintergrund werde ich Herrn ... keine Akteneinsicht gewähren." Diese Argumentation geht nach unserem Dafürhalten völlig am Problem vorbei. Denn das Verwaltungsgerichtsurteil verneint zwar - zu Unrecht - das Akteneinsichtsrecht des Bürgers, enthält aber natürlich kein Verbot für die Behörde, es zu gewähren, wenn sich herausgestellt hat, daß eine Anspruchsgrundlage übersehen worden ist.

Was ist zu tun?
Der Landrat sollte seine Position noch einmal überdenken und das Recht des Betroffenen auf Akteneinsicht beachten.


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