18. Tätigkeitsbericht (1996)



4.5

Umweltschutz

4.5.1

Privatisierung der Abfallentsorgung


Bei der Privatisierung der Abfallentsorgung darf der Datenschutz der Bürger nicht auf der Strecke bleiben. Die Kreise behalten die datenschutzrechtliche Verantwortung auch dann, wenn sie sich privater Firmen bedienen. Diese Erkenntnis setzt sich aber erst allmählich durch.

Der Markt der Abfallentsorgung ist in Bewegung. Mit einer bemerkenswerten Dynamik verändern sich die Bedingungen und die handelnden Akteure. Obwohl die Abfallentsorgung gesetzliche Aufgabe der Kreise ist, sind in erster Linie private Gesellschaften am Werk. Verwundert nehmen die Bürger zur Kenntnis, daß ihnen Bescheide von einer GmbH zugehen oder daß ihre Widersprüche von einer Privatfirma "behandelt" werden. Sie sind verunsichert, und sie fragen uns, wer überhaupt in diesem Zusammenhang Daten erheben darf, wie diese Daten an private Gesellschaften gelangen und zu welchen Zwecken sie dort verwendet werden. Wir haben uns deshalb die Verfahrensweise bei einigen Kreisen etwas genauer angesehen. Dabei haben sich folgende Probleme ergeben.

  • Fehlende Rechtsgrundlagen für die Datenerhebung

    Einige Kreise haben zwar viele Aspekte der Abfallentsorgung in Satzungen bis ins Detail geregelt, nicht aber die Datenerhebung. Da auch die einschlägigen Gesetze keine entsprechenden Regelungen enthalten, ergab sich die Situation, daß eigentlich keine personenbezogenen Daten hätten erhoben und verarbeitet werden dürften und so der Abfallentsorgung das entscheidende Fundament gefehlt hätte.

    Der Kreis Schleswig-Flensburg erkannte dies sogleich und nahm unsere Beratung bei der Erarbeitung entsprechender Satzungsregelungen in Anspruch. Herausgekommen sind dabei Bestimmungen, aus denen klar ersichtlich ist, welche Daten der Kreis aus welchen Quellen erheben darf und zu welchen Zwecken die Daten anschließend verwendet werden dürfen. Inzwischen gehen immer mehr Kreise dazu über, diese oder ähnliche Regelungen auch in ihren Satzungen zu treffen.

  • Dürfen die Daten an private Gesellschaften weitergeleitet werden?

    Die Kreise haben die Abfallentsorgung in weitem Umfang an private Gesellschaften übertragen. Auch das Gebühreninkasso und die dazugehörige Datenverarbeitung lassen sie von privaten Firmen erledigen. Nach dem Wortlaut des Abfallwirtschaftsgesetzes kann die Gebührenerhebung nur auf andere öffentliche Stellen, nicht aber auf private Unternehmen übertragen werden. Private Stellen können lediglich für die Errechnung der Gebührenhöhe und den Versand von Bescheiden im Namen der zuständigen Stellen, also nur mit Hilfsfunktionen, eingeschaltet werden.

    Auf unsere Nachfragen hin hat der Innenminister mitgeteilt, er lege das Kommunalabgabengesetz so aus, daß das Steuergeheimnis nur für kommunale Steuern, nicht aber für sonstige Abgaben gelte. Das Steuergeheimnis stehe folglich der Einschaltung Privater nicht entgegen. Wir haben uns nur mit Vorbehalt dieser Meinung anschließen können, denn der Wortlaut des Gesetzes läßt durchaus auch die gegenteilige Auffassung zu. Wir haben daher empfohlen, bei nächster Gelegenheit die Rechtslage klarzustellen und das Kommunalabgabengesetz entsprechend zu ändern. Der Innenminister hat mitgeteilt, er wolle unserer Anregung folgen.

  • Wie muß der Auftrag an die private Stelle aussehen?

    Ist eine Privatfirma beauftragt worden, so bestimmt sich das weitere Verfahren nach den Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes zur Auftragsdatenverarbeitung. Danach behält der Auftraggeber, also die Kommune, die volle Verantwortung für die Datenverarbeitung, also auch für die Teile, die beim privaten Auftragnehmer ablaufen.

    Wir haben festgestellt, daß Datenbestände und Datenverarbeitung den privaten Entsorgern weitgehend unkontrolliert überlassen wurden. Manchen Kreisen war überhaupt nicht bekannt, was mit den Daten im einzelnen bei den Privatfirmen geschah. So staunten die Mitarbeiter des Kreises nicht weniger als unser Prüfer, als dieser bei einer Routineabfrage seine eigenen Daten gespeichert fand. Dabei wohnte er in einem ganz anderen Kreis. Weitere Nachforschungen ergaben, daß sich die Abfallentsorgungsfirma der EDV-Anlage einer weiteren Firma bediente. Dort waren die Daten aus mehreren Kreisen - der Einfachheit halber, wie gesagt wurde - zusammengeführt und in einer gemeinsamen Datenbank gespeichert worden.

    Daraus war ein unter verschiedenen Gesichtspunkten "interessanter" Datenbestand entstanden. Zum einen hatte sich zumindest in der Datenbank ein "Konzentrationsprozeß" vollzogen, den der Gesetzgeber mit der Zuweisung der Abfallentsorgung an die Kreise gerade nicht gewollt hatte. Zum anderen gehört wenig Phantasie dazu sich vorzustellen, daß je nach sonstigen Geschäftszweigen der auftragnehmenden Firma hier die unterschiedlichsten Verwendungszwecke denkbar sind. Der Bürger dürfte aber zu Recht verärgert sein, wenn seine für Zwecke der Abfallentsorgung erhobenen Daten plötzlich für irgendeine Werbung Verwendung fänden.

    Die betroffenen Kreise wußten nach eigenem Bekunden nichts von dieser Datenorganisation, ein sicheres Indiz, daß der Auftraggeber nicht mehr "Herr der Daten" war. Wir haben deshalb gegenüber den betroffenen Kreisen förmliche Beanstandungen ausgesprochen. Im Kreis Schleswig-Flensburg haben wir an einer Änderung der Verträge zwischen dem Kreis und der Abfallwirtschaftsgesellschaft sowie deren weiteren Unterauftragnehmern mitgearbeitet. Durch die neuen Verträge werden die Auftragnehmer z.B. verpflichtet, die Zweckbindung in allen Phasen der Datenverarbeitung einzuhalten, es werden klare Auflagen bezüglich des EDV-Einsatzes gemacht, und es werden jederzeitige Kontrollen durch den Auftraggeber und durch uns vereinbart. Inzwischen haben auch andere Kreise, nachdem wir die dortigen vertraglichen Regelungen ebenfalls beanstandet hatten - in einem Vertrag hieß es z.B. lapidar, beim Gebühreninkasso sei "der Datenschutz einzuhalten" -, ihre Verträge nachgebessert. Ob damit der Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger in den Fällen der Einschaltung privater Firmen bei der Abfallentsorgung künftig tatsächlich gewährleistet wird, werden weitere Kontrollen zeigen.

  • Was nicht auf Privatfirmen übertragen werden darf

    Eine Eingabe richtete sich dagegen, daß ein Kreis Widersprüche gegen die Abfallgebührenfestsetzung von der privaten Abfallwirtschaftsgesellschaft beantworten ließ. Dabei verfolgte er nach eigenem Bekunden das Ziel, den Bürger in Form einer Beratung davon zu überzeugen, daß die Gebührenfestsetzung rechtens sei, und damit zur Rücknahme seines Widerspruches zu veranlassen.

    Wir stellten fest, daß zwischen dem Kreis und der Abfallwirtschaftsgesellschaft überhaupt keine vertraglichen Regelungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten bestanden. Deshalb haben wir die Weitergabe von Daten an die private Firma generell beanstandet. Überdies haben wir deutlich gemacht, daß eine Übertragung der Aufgabe, Widerspruchsbescheide zu erlassen, auf Privatfirmen nicht zulässig ist.






  • Was hat nach Beendigung der Auftragsverarbeitung mit den Daten zu geschehen?

    Ein Kreis hatte seit Jahren zwei kreisangehörige Städte durch öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Aufgabe der Abfallentsorgung und damit verbunden dem Gebühreninkasso betraut. Die Wahrnehmung der Aufgabe erfolgte im Namen und im Auftrag des Kreises auf der Grundlage des Landesabfallwirtschaftsgesetzes. Bei der Datenverarbeitung handelte es sich um Datenverarbeitung im Auftrag im Sinne des Landesdatenschutzgesetzes. Da der Kreis nunmehr die Aufgaben wieder an sich gezogen hat, kann er vom bisherigen Auftragnehmer auch die dort vorhandenen personenbezogenen Daten der Betroffenen rückübernehmen. Die betroffenen Städte waren lediglich als Auftragnehmer tätig, so daß der Kreis als Auftraggeber datenverarbeitende Stelle geblieben war. Das gleiche gilt natürlich, wenn Auftragsverhältnisse mit privaten Firmen beendet werden und diese die überlassenen Daten zurückzugeben haben.

Was ist zu tun?
Der Innenminister sollte sich für eine Präzisierung der Rechtslage im Kommunalabgabengesetz verwenden. Die Kreise sollten ihre datenschutzrechtliche Verantwortung auch bei der Privatisierung der Abfallentsorgung konsequent wahrnehmen.

4.5.2

Wann kommen die Verordnungen im Umweltrecht?

Während der Schutz personenbezogener Daten im Naturschutz durch die Datenschutzverordnung Naturschutz mittlerweile konkret geregelt ist, läßt sich das Umweltministerium mit den entsprechenden Datenschutzvorschriften nach dem Landeswassergesetz und dem Abfallwirtschaftsgesetz viel Zeit.

Die Datenschutzverordnung Naturschutz wurde durch das Umweltministerium zügig erarbeitet und in Kraft gesetzt, so daß nunmehr klare Detailregelungen das Naturschutzgesetz ergänzen.

Für den Bereich des Abfallwirtschaftsgesetzes und des Wassergesetzes kann eine solche positive Bilanz nicht gezogen werden. Auch in diesen Gesetzen sind Ermächtigungen zum Erlaß konkretisierender Datenschutzverordnungen enthalten. Trotz mehrfacher Aufforderungen, die Verordnungen "auf den Weg zu bringen", reagierte das Umweltministerium lediglich mit der Mitteilung, daß für das Landesabfallwirtschaftsgesetz "demnächst" mit einem ersten Entwurf für eine Datenverarbeitungsverordnung zu rechnen sei. Für eine entsprechende Vorschrift zum Landeswassergesetz könne jedoch wegen der Vielzahl der einzuschaltenden nachgeordneten Behörden frühestens Mitte 1996 mit der Aufnahme entsprechender Tätigkeiten begonnen werden.

Wie notwendig die Konkretisierung der generalklauselartigen Formulierungen in den genannten Gesetzen ist, zeigt die Problematik der Aufgabenprivatisierung im Bereich der Abfallwirtschaft (vgl. Tz. 4.5.1).

Was ist zu tun?
Das Umweltministerium sollte jetzt die notwendigen Verordnungen ohne weitere Verzögerung erlassen.


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