18. Tätigkeitsbericht (1996)



4.10

Steuerverwaltung

4.10.1

Endlich Regelungen zur Datensicherheit geschaffen

Das Regelungsdefizit bezüglich der Datensicherheit in den Finanzämtern ist endlich behoben worden. Dabei wurde auch die Verantwortung für unzulängliche technische und organisatorische Gegebenheiten klargestellt.

"Gut Ding will Weile haben" mag der Finanzminister gedacht haben, als er sich fast drei Jahre Zeit nahm, um die von uns im Rahmen einer datenschutzrechtlichen Überprüfung einiger Finanzämter im Jahre 1992 festgestellten Defizite bezüglich der Datensicherheit zu beheben. Über die Gründe für diese Zeitverzögerung ist bereits im 17. Tätigkeitsbericht (Tz. 4.5.1) berichtet worden (Sparsamkeit am falschen Platz und Regelungsunschärfen führten zu Bedenken der Personalräte).

Nunmehr ist endlich Bewegung in die Angelegenheit gekommen. Im November 1995 hat der Finanzminister im Einvernehmen mit dem Hauptpersonalrat Anweisungen zur besseren Sicherung von Akten und sonstigen Datenträgern in den Finanzämtern erlassen, die in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert sind.

Da ist zunächst eine Regelung hervorzuheben, die es in dieser Klarheit nach unserer Kenntnis bisher noch in keinem anderen Verwaltungsbereich gibt. Sie lautet: "Für die Einhaltung der Regelungen zum Steuergeheimnis und des Datenschutzes ist jeder Beschäftigte für seinen Bereich verantwortlich. Die persönliche Verantwortung des einzelnen geht allerdings nur so weit, wie auch die erforderlichen Rahmenregelungen für die Einhaltung der Aktensicherheit, die vom Dienstherrn zu schaffen sind (z.B. Abschließbarkeit der Räumlichkeiten), tatsächlich vorhanden sind." Dies bedeutet nichts anderes, als daß bezüglich der Ausgestaltung der konkreten Datensicherungsmaßnahmen zunächst der Dienstherr "am Zuge ist". Strukturelle Mängel in diesem Bereich können nicht den Mitarbeitern angelastet werden. Sie sind nur dann zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie bestehende Regelungen, Weisungen oder Verbote nicht beachten. Es wird an den Mitarbeitern selbst und an ihren Personalvertretungen liegen, die Behördenleitungen zur Abhilfe zu drängen, wenn technische und organisatorische Gegebenheiten Sicherheitslücken aufweisen.

Die einzelnen Bestimmungen des Erlasses zwingen die Finanzämter, (endlich) dafür zu sorgen, daß

  • Steuerakten nur in verschlossenen Räumen bzw. in abgeschlossenen Schränken gelagert werden,

  • technische "Dienstleister" (Reinigungspersonal, Handwerker, Techniker usw. von Fremdfirmen) nicht unbeaufsichtigt in Kontakt mit steuerlichen Unterlagen kommen,

  • über den Verbleib von Steuerakten, die an andere Stellen weitergegeben werden, Buch geführt wird und daß

  • Außendienstmitarbeiter in die Lage versetzt werden, Steuerakten im häuslichen Bereich und während ihrer Tätigkeit beim Steuerpflichtigen in verschlossenen Behältnissen zu verwahren.

Dies wird sicherlich nicht unerhebliche technische und organisatorische Veränderungen in den meisten Finanzämtern zur Folge haben müssen. Deshalb werden wir uns zu gegebener Zeit durch erneute Stichprobenkontrollen davon überzeugen, daß der nachfolgend beschriebene Sachverhalt (vgl. Tz. 4.10.2) sich möglichst nicht wiederholen kann.

Was ist zu tun?
Die Finanzämter sollten den Erlaß des Finanzministers zügig umsetzen.

4.10.2

Steuerakten von Prominenten gestohlen

Der Diebstahl von Steuerakten Prominenter unterstreicht einmal mehr die Richtigkeit unserer Forderung, daß für Datenbestände, die wie Steuerakten einem besonderen Amtsgeheimnis unterliegen, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen sind, die generell nur durch Anwendung physischer Gewalt zu "durchbrechen" sind.

"Steuerakten von Prominenten gestohlen", so lautete eine Zeitungsmeldung, in der darüber berichtet wurde, daß ein ehemaliger Finanzbeamter die Steuerakten von sieben prominenten Mitbürgern (darunter die eines Staatssekretärs und eines Richters) aus dem Bestand eines Finanzamtes in seinen Besitz gebracht hatte. Seine Motive und seine Vorgehensweise blieben zwar im Dunkeln, auch wurde der Schaden relativ schnell entdeckt, so daß der Täter die Akten wohl noch nicht einmal selbst studiert hatte. Von sicherheitstechnischer Bedeutung ist jedoch der Umstand, daß bei dem Diebstahl keine physische Gewalt angewendet wurde. Dies bestätigte im Rahmen unserer Nachforschungen auch das betreffende Finanzamt. Der Täter müsse sich durch kriminelle Energie und Ausnutzung seiner Kenntnisse aus der früheren Zugehörigkeit zum Hause Zugang verschafft haben. Es sei auch möglich, daß er sich in das Gebäude habe einschließen oder aber bereits während seiner Dienstzeit Duplikate von Schlüsseln habe anfertigen lassen. Man habe aufgrund dieses Vorfalls neue Sicherheitsschlösser in die Außentüren und "einige besonders sensible" Bereiche im Gebäude eingebaut.

Welche Rolle bei dem Diebstahl Insiderwissen gespielt hat, ist aus unserer Sicht von untergeordneter Bedeutung. Derartige Kenntnisse können mittels schlichter Beobachtung durch eine Vielzahl von Personen erworben und unkontrolliert weiterverbreitet werden. Für Datenbestände, die wie Steuerakten einem besonderen Amtsgeheimnis unterliegen, ist generell zu fordern, daß eine unbefugte Inbesitznahme stets nur mit Anwendung physischer Gewalt erfolgen kann. Sicherheitsschlösser und Schließanlagen bieten nur dann ein angemessenes Sicherheitsniveau, wenn nicht besetzte Büroräume auch tatsächlich verschlossen werden bzw. wenn die personenbezogenen Unterlagen in verschlossenen Behältnissen verwahrt werden. Sie verlieren ihre Wirkung, wenn z.B. die Sicherheitsschlüssel im Schloß stecken, die Schlüsselkästen für Unbefugte frei zugänglich angebracht sind oder die Schlüssel zu Diensträumen von den Mitarbeitern an sich genommen und unbeaufsichtigt gelassen werden.


Daß gerade Akten von Prominenten entwendet wurden, hat die Bedeutung der Datensicherheit in den Finanzämtern (vgl. Tz. 4.10.1) auch in der Öffentlichkeit besonders plastisch gemacht.

4.10.3

"Versprochen ist versprochen" gilt auch für die Steuerverwaltung

Die Steuerverwaltung ist verpflichtet darauf hinzuweisen, daß Kontonummern, die von Steuerpflichtigen freiwillig zum Zweck der Erstattung von Überzahlungen angegeben werden, bei evtl. Vollstreckungsmaßnahmen als Anhaltspunkte für Pfändungen benutzt werden.

Wer ein Kraftfahrzeug anmeldet, wird vom Finanzamt in der gleichzeitig auszufüllenden Steuererklärung für die Kraftfahrzeugsteuer gebeten, bereits zu Beginn der Steuerpflicht ein Konto anzugeben, auf das am Ende der Steuerpflicht ein evtl. Erstattungsbetrag überwiesen werden könne. Dieses Ansinnen ist durchaus logisch. Man bezahlt nämlich die Kraftfahrzeugsteuer für ein Jahr im voraus, und es ist höchst unwahrscheinlich, daß man das Auto genau am Kauftag auch wieder veräußert. In der Regel ergibt sich also am Ende der Steuerpflicht eine Überzahlung. Die Finanzämter sind natürlich daran interessiert, diese möglichst kostengünstig von Konto zu Konto und nicht mittels eines teuren Barschecks abzuwickeln. Andererseits ist niemand verpflichtet, ein Konto zu haben bzw. anzugeben. Mithin liegt ein klassischer Fall der freiwilligen Datenhergabe im Sinne des Datenschutzrechts vor.

Diese Feststellung spielte eine große Rolle in einem Fall, in dem das betreffende Finanzamt Steuerschulden einer Person durch Vollstreckungsmaßnahmen einzutreiben versuchte. Es fand heraus, daß der Steuerschuldner ein Kraftfahrzeug benutzte, befragte das für die Kraftfahrzeug zuständige Finanzamt nach dem dort angegebenen Erstattungskonto und pfändete das auf dem Konto vorhandene Guthaben.

Der Steuerpflichtige machte geltend, dies sei unzulässig. Das Kraftfahrzeugsteuer-Finanzamt hätte den Kollegen des anderen Finanzamtes die Bankverbindung nicht zu Vollstreckungszwecken preisgeben dürfen. Er habe sie nur zu Erstattungszwecken freiwillig offenbart. Demzufolge habe es sich um eine unzulässige Zweckänderung gehandelt.

Das Finanzamt und die Oberfinanzdirektion beriefen sich darauf, daß das Steuergeheimnis nicht verletzt worden sei, weil Daten zwischen den verschiedenen Steuerarten ausgetauscht werden dürften. Außerdem seien die Vollstreckungsstellen nach der Abgabenordnung gehalten, zur Vorbereitung der Vollstreckung die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zu ermitteln. Die Nutzung der Kontoangaben zu Vollstreckungszwecken sei mithin zulässig.

Auf den ersten Blick möchte man den Steuerbehörden Recht geben. Wo kämen wir denn hin, wenn säumige Steuerzahler die Konten, auf denen sie Geldbeträge "geparkt" haben, auf diese Weise gezielt dem Zugriff der Vollstreckungsbeamten entziehen könnten. Spräche sich diese Möglichkeit herum, fände man unter den Kraftfahrzeugsteuer-Erstattungskonten bald die Nummern vieler "millionenschwerer Sparbücher".

Diese Argumentation greift jedoch zu kurz. Die Kernfrage lautet nämlich: "Ist das Finanzamt an sein Versprechen gebunden, das Konto nur für Erstattungszwecke zu speichern?" Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist diese Frage mit einem klaren "Ja" zu beantworten.

Die Zweckbindungsregelungen finden zwar dann ihre Grenzen, wenn eine Rechtsvorschrift eine Verarbeitung zu anderen Zwecken erlaubt oder im Einzelfall zwingend voraussetzt. Auf diesen Umstand sind die Betroffenen jedoch bei der Datenerhebung hinzuweisen. Das gilt insbesondere dann, wenn sie gebeten werden, die Angaben freiwillig zu machen. Auch das ist im Datenschutzrecht festgeschrieben.

Es mag den Finanzämtern nicht leichtfallen, auf den bundesweit millionenfach benutzten Vordrucken eine entsprechende Formulierung unterzubringen. Bis ihnen dies gelungen ist, gilt jedoch der Grundsatz: "Versprochen ist versprochen." Hierauf haben wir die Oberfinanzdirektion hingewiesen.

Was ist zu tun?
Der Finanzminister sollte auf eine Änderung der Vordrucke hinwirken oder die Finanzämter müssen sich an ihre Zusagen konsequent halten.

4.10.4

Die Freiheit, zu viel Steuern zu zahlen

Auch wenn man zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet ist, ist die Angabe von steuermindernden Sachverhalten stets freiwillig. Ein Gesellschafter kann durchaus ein Interesse daran haben, daß seine Mitgesellschafter über bestimmte nur ihn betreffende Sachverhalte nichts erfahren.

In vielen Fällen wird man durch das Steuerrecht gezwungen bzw. tut gut daran, gemeinsam mit mehreren Personen eine "einheitliche" Steuererklärung abzugeben. Das gilt z.B. für Mitglieder von Personengesellschaften, Grundstücks- und Erbengemeinschaften, aber ebenso, wenn sich Ehegatten zur Einkommenssteuer zusammen veranlagen lassen. Zweifellos ist man auch unter diesen Bedingungen verpflichtet, alle Angaben zu machen, die zur vollständigen Erfassung der steuerpflichtigen Sachverhalte erforderlich sind. Man kann sich nicht darauf berufen, daß aus Gründen des Steuergeheimnisses die anderen "Mitsteuerpflichtigen" über bestimmte Gegebenheiten nicht informiert werden dürfen.

Gilt dies aber auch für Angaben, die steuermindernden Charakter haben? Diese Frage war zu klären in einem Fall, in dem ein Finanzamt, weil sich die zwei Mitglieder einer Grundstücksgemeinschaft nicht über die Abgabe einer gemeinsamen Erklärung einigen konnten, die Einzelbeträge einfach aus den jeweiligen persönlichen Einkommenssteuererklärungen in ein sogenanntes "gesondertes und einheitliches Feststellungsverfahren" übernommen hatte. Über die vollständige Erfassung der Einnahmen gab es keinen Streit. Einer der Gesellschafter beklagte sich jedoch darüber, daß auf diese Weise steuermindernde Ausgaben, die nur ihm zuzurechnen waren, dem anderen Mitgesellschafter bekanntgeworden waren. Hieraus ergäben sich so große zivilrechtliche Probleme, daß er es vorgezogen hätte, auf die steuerliche Berücksichtigung zu verzichten. Er sehe in der Verfahrensweise des Finanzamtes einen Bruch des Steuergeheimnisses.

Das Finanzamt rechtfertigte sein Tun mit dem gesetzlichen Auftrag, bei der Steuerfestsetzung "alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände, zu berücksichtigen". Dem konnten wir uns ebenso wie der Betroffene nicht anschließen. Kein Steuerpflichtiger kann verpflichtet werden, steuerliche Vergünstigungen auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Was für ihn günstig ist, kann er nach seinen eigenen Maßstäben selbst entscheiden. Hieraus folgt, daß er in einer Steuererklärung, auch wenn man zu deren Abgabe gesetzlich verpflichtet ist, die Angaben über steuermindernde Sachverhalte und Beträge stets freiwillig erfolgen.

Was ist zu tun?
Die Finanzämter sollten dies künftig beachten.


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