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Kernpunkte:


  • Viele IZG-Anträge zu Corona-Fragen
  • Befugnisse des ULD sollen erweitert werden
  • ULD übernimmt den Vorsitz der Konferenz der Informationsbeauftragten

12  Informationsfreiheit

Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf freien Zugang zu Informationen, über die insbesondere Behörden in Schleswig-Holstein verfügen. Wenn bei der Ausübung dieses Rechts Probleme auftreten, kann das ULD zur Vermittlung eingeschaltet werden. Aber auch informationspflichtige Stellen können sich beraten lassen, wenn Unklarheiten in Bezug auf die Umsetzung des Informationszugangsgesetzes Schleswig-Holstein (IZG-SH) bestehen. Im Berichtszeitraum haben wir eine neue Broschüre zum Informationszugangsgesetz herausgebracht, die sowohl in gedruckter Form als auch online beim ULD erhältlich ist.

 

12.1        Aktuelle Entwicklung bei der Anpassung des IZG-SH an LDSG und DSGVO

In der Vergangenheit haben wir mehrfach darauf hingewiesen, dass das IZG-SH an die geänderten Bedingungen des LDSG und der DSGVO angepasst werden muss. Insbesondere bestehen Unklarheiten, welche Befugnisse das ULD in Bezug auf Prüfungen von der Umsetzung des IZG-SH in öffentlichen Stellen hat, wenn Personen sich beschweren (vgl. TB 39, Tz. 12.1). Mit dem Digitalisierungsgesetz liegt nun auch ein Entwurf für einen geänderten § 14 IZG-SH vor, der sich an unseren schon vor einiger Zeit übermittelten Vorschlägen orientiert. Neben Auskunftspflichten und Betretungsrechten wird in diesem Entwurf beispielsweise geregelt, wann das ULD Beanstandungen aussprechen kann. Unsere Anmerkungen zu dem Entwurf bezogen sich insbesondere auf Klarstellungen in Bezug auf Unterrichtungspflichten gegenüber der zuständigen Rechts-, Dienst- oder Fachaufsichtsbehörde und auf eine Klagemöglichkeit des ULD.

Was ist zu tun?
Die längst überfällige Überarbeitung des § 14 IZG-SH muss zeitnah abgeschlossen werden.

 

12.2        IZG-SH und Corona

Viele Themen durchziehen die Eingaben nach dem IZG-SH, die uns erreichen. Die Coronapandemie war auch im Berichtsjahr das dominierende Thema in den zahlreichen Anfragen: Neben Fragen zu Prüfungsarten und Ausstattung in Laboren interessierten sich die Bürgerinnen und Bürger für genauere Informationen zu Fallzahlen vor Ort in der Gemeinde, in den Schulen oder auch in Seniorenheimen. Diese Anträge waren teilweise von den Behörden mit Verweis auf den Personenbezug dieser Informationen nach § 10 Satz 1 Nr. 1 IZG-SH abgelehnt worden. In den meisten Fällen haben wir die Behörden darauf hingewiesen, dass eine solche pauschale Ablehnung nicht zulässig ist. Dies liegt schon daran, dass jeweils zu prüfen ist, ob die schutzwürdigen privaten Interesse an der Geheimhaltung gegenüber dem öffentlichen Bekanntgabeinteresse überwiegen. Vorher muss jedoch zunächst festgestellt werden, ob überhaupt personenbezogene Daten vorliegen oder es sich um statistische Fallzahlen handelt, bei denen die Anonymität gewahrt bleibt. Wir gehen in der Regel davon aus, dass ab etwa 100 Personen eine ausreichende Anonymität gegeben sein kann, damit praktisch kein Rückschluss auf Einzelpersonen möglich ist. Dabei müssen jedoch weitere Faktoren beachtet werden, beispielsweise in Coronasachverhalten die Anzahl der tatsächlich infizierten Personen. Wenn sich z. B. unter 100 Personen 50 Infizierte befinden, ist eine Rückverfolgung eher wahrscheinlich und eine Personenbeziehbarkeit kann vorliegen. Dies kann auch der Fall sein, wenn über weitere Angaben zu Zeitpunkten Rückschlüsse erleichtert werden. Ist aus den Daten erkennbar, dass z. B. eine Person an einem bestimmten Tag zusätzlich als infiziert eingetragen wurde, kann etwa bezogen auf eine Schule wieder durch Beobachtungen innerhalb eines Klassenverbandes eine Identifizierung der betroffenen Person denkbar sein.

In den meisten Fällen dürfte jedoch bei Fallstatistiken etwa zu Gemeinden kein Personenbezug mehr vorliegen. So kam es auch in den weit überwiegenden Fällen, in denen wir um Vermittlung gebeten wurden, dazu, dass die Daten doch herausgegeben wurden. Einige Gemeinden und Kreise sind sogar dazu übergegangen, diese Informationen aktiv auf ihren Webseiten bereitzustellen.

Weitere Anfragen mit Corona-Bezug betrafen u. a. Verträge mit CTS Eventim bei der Terminvergabe von Impfterminen und die Datenschutz-Folgenabschätzung für die Luca-App (Tz. 12.3).

Was ist zu tun?
Neben der Verfolgung der Anfragen von natürlichen und juristischen Personen sind auch die informationspflichtigen Stellen weiter zu sensibilisieren, dass „Datenschutz“ kein pauschaler Ablehnungsgrund ist und weitere Prüfungen vorgenommen werden müssen, um den Anspruch auf Informationszugang so weit wie möglich zu erfüllen.

 

12.3        Top 5 der Beschwerden von Petentinnen und Petenten

Vier der fünf häufigsten Beschwerdegründe, die wir im letzten Tätigkeitsbericht (39. TB, Tz. 12.2) aufgeführt haben, gehören auch im Berichtsjahr wieder zu den „Top 5“. Seltener als im Vorjahr wurde bei Ablehnungen auf einen vermeintlichen Missbrauch durch den Antragsteller verwiesen. Hingegen fehlten sehr oft gesetzlich geforderte Abwägungen und Anhörungen bzw. die Abfrage einer Zustimmung, sodass diese Problembereiche nunmehr deutlicher in den „Top 5“ formuliert werden.

1. Keine Antwort

Des Öfteren kommt es vor, dass von informationspflichtigen Stellen auf Anträge gar nicht geantwortet wird. Auch wenn die Kenntnisse bei den Behörden zum IZG-SH und den damit verbundenen Rechten auf Zugang zu Informationen nach unserer Beobachtung zunimmt, so gibt es immer noch Stellen, bei denen diesbezüglich Grundlagenarbeit geleistet werden muss. Insbesondere Anfragen per EMail, die großenteils über das Portal Fragdenstaat.de eingereicht werden, werden immer wieder ignoriert. Allerdings wird in der Regel auf unsere Aufklärung hin zeitnah das Gespräch gesucht und/oder die Informationen werden herausgegeben.


2. Kein Bescheid im Fall einer Ablehnung

Eng verwandt mit dem ersten Punkt ist, dass bei Ablehnungen kein ordentlicher Bescheid nach § 6 IZG-SH erlassen wird. Teilweise wird nur mit formloser E-Mail über die Nichtübermittlung der angefragten Informationen informiert, ohne auf die Rechtsschutzmöglichkeiten nach § 6 Abs. 4 IZG-SH hinzuweisen. Dies hat für die Behörde den zusätzlichen Nachteil, dass dann die Fristen für eine Klagemöglichkeit deutlich verlängert werden. Es zeigt sich aber insbesondere, dass nicht immer bei den informationspflichtigen Stellen erkannt wird, dass es sich bei Anträgen um solche nach dem IZG-SH handelt bzw. diese entsprechend auszulegen und zu bescheiden wären. Die Antragstellerin bzw. der Antragsteller ist nicht in der Pflicht, ausdrücklich auf das IZG-SH hinzuweisen. Es ist Aufgabe der Behörde, im Zweifel von einem Antrag im Sinne des IZG-SH auszugehen oder zumindest diesbezüglich noch einmal bei der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller nachzufragen.

3. Gebühren

Die überwiegende Zahl der uns zur Kenntnis gelangten Verfahren wird von den Behörden kostenfrei durchgeführt. Gelegentlicher Streitpunkt waren aber auch in diesem Berichtszeitraum die Gebühren, die angefragte Behörden den Antragstellerinnen und Antragstellern für die Auskunft auferlegten. Geregelt ist dieses in einer Kostenverordnung des Landes (GVOBl SH 2007, 225). Danach können für umfassende Auskünfte Gebühren bis 250,- Euro und für außergewöhnlich aufwendige Auskünfte Gebühren bis 500,- Euro erhoben werden. Für einfache Auskünfte mit einem Aufwand von einer halben bis dreiviertel Stunde gehen wir davon aus, dass keine Gebühren erhoben werden. Dabei ist zu beachten, dass das grundsätzliche Einarbeiten in den Themenbereich der Informationsfreiheit nicht zum anzusetzenden Verwaltungsaufwand hinzugerechnet werden darf. Dasselbe gilt für die Zeiten, in denen uns die Verwaltungsmitarbeitenden ihre Rückfragen zu den jeweiligen Sachverhalten stellen. Anfragende sollen nicht durch übermäßige Gebühren von ihrem Recht auf Informationszugang abgehalten werden.

4. Fehlende Abwägung

Bei den Ablehnungsgründen wurde besonders oft auf das Vorliegen personenbezogener Daten im Sinne des § 10 Satz 1 Nr. 1 IZG-SH oder von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Sinne des § 10 Satz 1 Nr. 3 IZG-SH verwiesen. Mehrfach ließen es die Behörden mit einem dürren Verweis auf das Gesetz bewenden, ohne eine wirkliche Begründung abzugeben. So fehlte die Bewertung, ob die schutzwürdigen privaten Interessen an der Geheimhaltung gegenüber dem öffentlichen Bekanntgabeinteresse überwogen. Auch fehlten mehrfach Aussagen darüber, ob zumindest Teile der begehrten Informationen hätten herausgegeben werden können.

5. Fehlende Anhörung / Bitte um Zustimmung

Informationspflichtige Stellen übersahen mehrfach die Pflicht zur Anhörung der Betroffenen nach § 10 Satz 3 IZG-SH, in der auch eine mögliche Zustimmung abgefragt werden kann.

Auf unsere Vermittlung hin wurden die notwendigen Abwägungen und Nachfragen bei den Betroffenen zur möglichen Einwilligung in die Weitergabe der Informationen nachgeholt. Manchmal ergaben sich hieraus doch Möglichkeiten, um zumindest teilweise den Anfragen auf Informationszugang zu entsprechen. Einen besonderen Schwerpunkt in diesem Bereich bildeten erneut Anfragen zur Einsicht in Bauakten, wobei gerade bei diesen meist nur schwerlich Informationen ohne Personenbezug abgetrennt werden können.


Was ist zu tun?
Die informationspflichtigen Stellen müssen sich über ihre Rechte und Pflichten bei der Bearbeitung von Anträgen nach dem IZG-SH bewusst sein. Hierzu stellt das ULD Informationsmaterial zur Verfügung, das regelmäßig weiterentwickelt wird. Eine neue Broschüre in der „Praxis-Reihe“ bietet Unterstützung. Auch stehen wir gerne für Fragen zur Verfügung.

 

12.4        Einige besondere Fälle

Einige besondere Verfahren gab es in diesem Jahr:

1. Herausgabe Eventim-Verträge

Beim Ministerium für Soziales Gesundheit, Jugend, Familien und Senioren SchleswigHolstein war von mehreren Personen der Antrag gestellt worden, die Verträge mit der Firma CTS Eventim AG & Co. KGaA zu übermitteln. CTS Eventim war damit beauftragt worden, das System zur Vergabe von Impfterminen in Schleswig-Holstein zu entwickeln. Die Herausgabe der Verträge war jedoch verweigert worden. Als Begründung diente dabei der Verweis auf § 2 Abs. 4 Nr. 2 IZG-SH, da es sich um Informationen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens bzw. dem Erlass von Rechtsverordnungen handele.

Dies konnten wir nicht nachvollziehen: § 2 Abs. 4 Nr. 2 IZG-SH betrifft zwar den Erlass von Rechtsverordnungen, zu denen auch die Verordnungen des Landes zur Bekämpfung des COVID 19-Virus mittels Testverfahren und Impfungen gehören. Zur geschützten Tätigkeit zählen insbesondere die Erstellung der Entwürfe sowie die Verfahren der Abstimmung der Entwürfe mit anderen Ressorts bzw. anderen Ländern und dem Bund und den externen Interessenvertretern. Der hier erbetene Vertrag mit der Firma CTS Eventim stellte nach unserem Verständnis jedoch erst eine Folge aus dem Gesetzgebungsverfahren dar. Uns war nicht nachvollziehbar, weshalb der Vertrag unmittelbarer Teil des Gesetzgebungsverfahrens sein sollte. In den Verordnungen wurde die Firma nicht erwähnt.

Dies sah auch die Behörde ein, sodass sie im weiteren Verlauf von dieser Argumentation abrückte und die erbetenen Unterlagen – zumal der Petent Klage beim Verwaltungsgericht in Schleswig eingereicht hatte – zumindest teilweise übermittelte.

2. Luca-App

Die Luca-App war Gegenstand einer Anfrage beim IT-Verbund Schleswig-Holstein unter Einbindung von Dataport. Einige Informationen konnten auf unsere Vermittlung hin weitergegeben werden, nicht jedoch die angefragte Datenschutz-Folgenabschätzung. Begründet wurde dieses damit, dass eine solche nicht vorlag.

Tatsächlich bezieht sich das IZG-SH nur auf bei Behörden vorhandene Informationen. Eine Beschaffungspflicht von Informationen aufgrund einer Anfrage besteht nicht. Sollte eine Petentin bzw. ein Petent dabei zu der Vermutung kommen, dass dieses unrechtmäßig sei, so kann losgelöst vom IZG-SH eine Beschwerde bei uns eingereicht werden.

3. Protokolle Ministerpräsidentenkonferenzen

Ein weiterer Fall betraf die Herausgabe der Protokolle der Ministerpräsidentenkonferenzen anlässlich der Abstimmung von Corona-Maßnahmen durch die Staatskanzlei. Die angefragte Behörde verwies dabei darauf, dass lediglich die veröffentlichten Ergebnisprotokolle in Form von Beschlüssen vorliegen würden. In diesem Zusammenhang machten wir deutlich, dass grundsätzlich alle bei einer Behörde vorhandenen Unterlagen Gegenstand einer IZG-SH Anfrage sein können und somit auch weitergehende Protokolle bzw. Notizen erfasst sein können. Dabei können sich aus § 9 oder § 10 IZG-SH Ablehnungsgründe ergeben, beispielsweise bei nachteiligen Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen, die Beziehungen zum Bund oder einem anderen Land oder wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse am Funktionieren von Verwaltungsabläufen bezüglich interner Mitteilungen oder noch nicht abgeschlossener Schriftstücke usw. besteht. Dies muss jedoch begründet werden, wobei dies jeweils mit dem öffentlichen Bekanntgabeinteresse abgewogen werden muss. In diesem Fall bekräftigte die Behörde, dass nur die Ergebnisprotokolle vorhanden seien.

4. Anonymer Antrag

Der Antrag eines Petenten wurde zunächst nicht bearbeitet, da sich dieser nur per E-Mail über Fragdenstaat.de an eine informationspflichtige Stelle gewandt hatte. Diese verlangte eine ladungsfähige Adresse.

Wir vertreten jedoch die Ansicht, dass eine anonyme Antragstellung zulässig ist, da das IZG-SH keine weiteren Vorgaben hierzu macht und es sich um ein Recht für jede Person handelt. Die Übermittlung der Antwort ist über Fragdenstaat.de möglich. Sollten Gebühren erhoben werden, kann gegebenenfalls eine andere Bewertung erfolgen. Diese Ansicht ist jedoch auch nach Urteilen von Verwaltungsgerichten in anderen Bundesländern nicht unumstritten, sodass wir die Entwicklung aufmerksam weiterverfolgen.

Was ist zu tun?
Wir unterstützen Petentinnen und Petenten bei ihren Beschwerden gegenüber informationspflichtigen Stellen und erreichen in vielen Fällen, dass zeitnah zumindest erste Teile der gewünschten Informationen zur Verfügung gestellt werden.

 

12.5        Vorsitz der Konferenz der Informationsbeauftragten

Am 1. Januar 2022 übernimmt das ULD turnusgemäß von Sachsen-Anhalt den Vorsitz der Konferenz der Informationsbeauftragten in Deutschland. Zum üblichen Programm gehört dabei, zwei Sitzung des Arbeitskreises Informationsfreiheit (AKIF) und zwei Sitzungen der Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland (IFK) zu organisieren. Wir hoffen dabei, dass diese Sitzungen im Mai, Juni, September und November in Präsenz in Schleswig-Holstein stattfinden können, bereiten aber auch alternative Möglichkeiten vor.

Daneben planen wir, Akzente bei der Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsrechts zu setzen. Dies betrifft die aktuellen Gesetzgebungsvorhaben in den Bereichen Informationsfreiheit sowie die Tendenz zu modernen Transparenzgesetzen, erweiterten Open-Data-Ansätzen und Integrationen von anderen Informationsrechten wie im Verbraucherrecht oder auch Umweltrecht. Ein Schwerpunkt soll auf dem Thema Informationsfreiheit „by Design“ und praktischen Umsetzungsfragen liegen.

Was ist zu tun?
Neben der Durchführung der üblichen Arbeitskreissitzungen und Konferenzen der Informationsfreiheitsbeauftragten wollen wir wichtige Akzente setzen, beispielsweise zu Informationsfreiheit „by Design“.

 

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