4.3          Justizverwaltung

4.3.1       IT-Gesetz für die Landesjustiz – Regeln für ein Outsourcing

Im Jahr 2016 ist das IT-Gesetz für die Justiz in Schleswig-Holstein in Kraft getreten. Das Gesetz bildet die Grundlage für die zentrale Verwaltung der Informations- und Kommunikationstechnik der Gerichte und Staatsanwaltschaften durch eine beim Justizministerium eingerichtete Gemeinsame IT-Stelle und die Betreuung der IT durch Dataport. Es enthält zahlreiche Vorgaben für technische und organisatorische Maßnahmen, die dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit dienen sollen.

Zu diesem Zweck sieht das Gesetz u. a. die Einrichtung einer IT-Kontrollkommission vor. Diese hat die Aufgabe, die Einhaltung des Gesetzes, der Verträge mit externen IT-Dienstleistern und aller sonstigen Bestimmungen, die der Bereitstellung von IT-Infrastrukturen, der Betreuung der eingesetzten IT und der Gewährleistung der IT-Sicherheit in den Gerichten und Staatsanwaltschaften dienen, zu kontrollieren. Um eine Kontrolle durchführen zu können, erhält sie umfassende Auskunfts-, Zutritts- und Einsichtsrechte. Ihre Aufgaben und Befugnisse ähneln denen des ULD oder behördlicher Datenschutzbeauftragter. Und auch wenn die Zielrichtung des Gesetzes und damit der Kontrolle durch die IT-Kontrollkommission eine andere ist, gibt es weitgehende Überschneidungen zum Datenschutz. Denn die Maßnahmen, mit denen die richterliche Unabhängigkeit sichergestellt werden soll, sind vielfach dieselben, mit denen die Datenschutzrechte der Betroffenen gewährleistet werden. Es geht um Vertraulichkeit der Datenverarbeitung gegenüber dem Ministerium und gegenüber Dataport genauso wie um die Revisionsfähigkeit der von Dataport getätigten Handlungen.

Folgerichtig sieht das Gesetz vor, dass das ULD die IT-Kontrollkommission bei ihrer Aufgabenwahrnehmung berät. Damit hat das ULD eine neue Aufgabe erhalten: Es berät nun nicht mehr nur im Hinblick auf den Datenschutz, sondern auch unter dem Blickwinkel der richterlichen Unabhängigkeit. Die IT-Kontrollkommission hat sich mittlerweile konstituiert und Kontakt mit dem ULD aufgenommen. Gemeinsam wurden Schulungen durch das ULD vereinbart.

4.3.2       Verantwortung für die Datenverarbeitung klarstellen – zentrale Stelle in der Justiz

Im letzten Tätigkeitsbericht (35. TB, Tz. 4.3.10) hatten wir darüber berichtet, dass Fachverfahren in der Justiz, wie z. B. forumSTAR, häufig zentral vom Justizministerium beschafft und eingerichtet werden. Auch Verträge mit Dienstleistern, wie z. B. Dataport, werden vom Justizministerium geschlossen. Die tatsächliche Nutzung der Fachverfahren erfolgt hingegen in den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Vollzugsanstalten oder anderen Stellen der Justiz. Diese Konstellation entspricht der einer zentralen Stelle nach § 8 Abs. 2 Landesdatenschutzgesetz. Diese Regelung ist ausdrücklich für automatisierte Verfahren geschaffen worden, die gemeinsam von mehreren Stellen betrieben werden. Danach kann die Verantwortung für die Gewährleistung der Ordnungsmäßigkeit des automatisierten Verfahrens von der Verantwortung für die gespeicherten Daten abgetrennt und auf eine zentrale Stelle übertragen werden.

Dies ist für das Verfahren forumSTAR wie für andere Fachverfahren in der Justiz faktisch erfolgt. Damit diese Aufteilung der Verantwortung rechtlich wirksam werden kann, bedarf es nach § 8 Abs. 2 Landesdatenschutzgesetz jedoch einer Rechtsverordnung. In dieser Verordnung ist das Zusammenwirken der zentralen Stelle mit den datenverarbeitenden Stellen, hier den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Vollzugsanstalten und anderen Stellen der Justiz, sowie die Aufteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu regeln.

Auch im Berichtszeitraum ist die Verordnung über die Einrichtung einer zentralen Stelle nicht erlassen worden. Sie ist jedoch dringend erforderlich, um die datenschutzrechtliche Verantwortung für die Fachverfahren der Justiz den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend zu verteilen. Ohne diese Verordnung bleibt die datenschutzrechtliche Verantwortung vollständig bei den Gerichten, Staatsanwaltschaften und Vollzugsanstalten. Diese kennen weder die Funktionsweise des Verfahrens in allen Einzelheiten noch haben sie hinreichenden Einfluss auf Gestaltung und Konfiguration der Verfahren. Ihrer Verantwortung können sie naturgemäß nicht in vollem Umfang nachkommen.

Was ist zu tun?
Dem Justizministerium sollte dringend die Verantwortung für die Ordnungsmäßigkeit der Fachverfahren der Justiz durch Verordnung übertragen werden.

4.3.3       Kontrollmitteilungen an Finanzämter zu Geldauflagen bei Einstellung von Strafverfahren

Gegen eine Petentin wurde ein Strafverfahren geführt und durch das Gericht gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Als ihr Verteidiger Einsicht in die Gerichtsakte nahm, staunte er: Das Gericht hatte die Verfahrenseinstellung dem für die Petentin zuständigen Finanzamt als sogenannte Kontrollmitteilung übersandt. Das ULD hat diese Übermittlung als unzulässig beanstandet.

Wird ein Strafverfahren gegen Geldauflage eingestellt, dann wird dem Betroffenen in der Regel aufgegeben, einen vom Gericht festgelegten Betrag an eine vom Gericht festgelegte Einrichtung zu zahlen. Bei den Einrichtungen handelt es sich oftmals um solche, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. Geldzuwendungen an diese Einrichtungen können normalerweise von der Steuer abgesetzt werden. Dies gilt jedoch nicht für Zahlungen, die als Auflage einer Einstellung eines Strafverfahrens vorgenommen werden. Solche Zahlungen sind ausdrücklich nicht steuerbegünstigt. Damit die Zahlungen von den Betroffenen nicht als Zuwendung in der Steuererklärung angegeben werden können, informieren die Gerichte die Empfänger der Zahlungen darüber, dass es sich um eine Geldauflage im Rahmen der Einstellung eines Strafverfahrens handelt. Die Empfänger sollen dies berücksichtigen und für die Zahlung keine Spendenbescheinigung ausstellen.

So war es auch im Fall der Petentin. Die Zahlung hätte sie mangels Spendenbescheinigung steuerlich nicht geltend machen können. Die Höhe der Geldauflage überstieg die Grenze für Zuwendungen, die ohne Spendenbescheinigung von der Steuer abgesetzt werden können. Für eine gleichzeitige Information an das Finanzamt bestand also in diesem Fall kein Grund. Somit gab es für die Übermittlung der Daten auch keine gesetzliche Grundlage.

Diese Mitteilung ist nicht zu verwechseln mit Kontrollmitteilungen, die in anderen Fällen an Finanzämter versendet werden. Mit der typischen Kontrollmitteilung informiert eine Stelle das Finanzamt über steuerrelevante Sachverhalte, in der Regel über steuerpflichtige Einnahmen des Steuerpflichtigen. Hier handelt es sich um Sachverhalte und Informationen, auf deren Kenntnis das Finanzamt einen Anspruch hat und die das Finanzamt bei rechtmäßigem Verhalten des Steuerpflichtigen von diesem selbst ohnehin erfährt. Bei der Kontrollmitteilung im Fall der Petentin war es umgekehrt: Bei rechtmäßigem Verhalten der Petentin hätte das Finanzamt nichts von dem Strafverfahren gegen die Petentin erfahren und auch nicht erfahren dürfen.

Was ist zu tun?
Informationen über Geldauflagen in Strafverfahren dürfen in der Regel nicht an Finanzämter weitergegeben werden. Dies darf nur ausnahmsweise erfolgen, wenn im konkreten Einzelfall Anlass zu der Besorgnis besteht, dass der Betroffene die Zahlung rechtswidrig geltend machen wird.

 

4.3.4       Weitergabe von Familienfotos aus einer Durchsuchung an den Urheberrechtsverband GVU

Bei einer Durchsuchung der Wohnung eines Beschuldigten hat die Polizei neben tatrelevantem Material auch die Speicherkarte einer Digitalkamera sichergestellt. Die Kamera gehörte nicht dem Beschuldigten, sondern dessen Partnerin. Auf dieser Speicherkarte befanden sich Familienfotos, die für die Ermittlungen nicht von Bedeutung waren. Besonders irritiert hat die Petentin, dass die Polizei die Speicherkarte ungesehen an die Gesellschaft für Urheberrechtsverletzungen e. V. (GVU) zur Auswertung weitergab, obwohl schon eine kurze Durchsicht gezeigt hätte, dass diese keine ermittlungsrelevanten Daten enthielt.

Das ULD hat die Übermittlung der Daten an die GVU als Verstoß gegen Datenschutzvorschriften beanstandet. Für die Übermittlung gab es keine Rechtsgrundlage. Es bestehen schon erhebliche Zweifel, ob die GVU überhaupt zur Unterstützung der Ermittlungen als Sachverständige hinzugezogen werden darf, wie es vorliegend geschehen ist. Das ULD hat Übermittlungen an Interessenverbände von Rechteinhabern auch in früheren Fällen beanstandet (30. TB, Tz. 4.3.3), weil ein Interessenverband nicht als Sachverständiger im Strafverfahren in Betracht kommt. Hierfür fehlt ihm die erforderliche Neutralität.

Dies sah im vorliegenden Fall zunächst auch das Gericht so, das die Petentin mit einer Beschwerde angerufen hatte. Auf eine Gegenvorstellung der Staatsanwaltschaft änderte es seine Auffassung allerdings in diesem Punkt. Das Gericht stellte nunmehr fest, dass es neben der GVU nur einen einzelnen weiteren Sachverständigen für den Bereich der vorliegenden Ermittlungen gibt. Auch dieser würde zur Klärung von Zweifelsfragen hinsichtlich der Rechteinhaberschaft mit der GVU zusammenarbeiten. Daher erkannte das Gericht die GVU als Sachverständige an und wies die Beschwerde insoweit zurück. Das Risiko für die Rechte der Betroffenen erhöht sich jedoch erheblich, wenn private Stellen bei Durchsuchungen hinzugezogen werden oder Auswertungen sichergestellter Materialien übernehmen, statt dass die Strafverfolgungsbehörden selbst die Kompetenz dazu vorhalten oder aufbauen. Im Fall der GVU gilt sogar, dass sie eigene Interessen verfolgt und daher nicht von einer Unparteilichkeit ausgegangen werden kann.

Davon unabhängig war es im vorliegenden Fall unverhältnismäßig, da nicht erforderlich, der GVU ohne vorige Durchsicht sämtliches sichergestelltes Material zur Auswertung zu übermitteln. Hier hätte zunächst durch die Polizei eine erste Sichtung erfolgen müssen. Bei dieser Sichtung hätte vermutlich schnell festgestellt werden können, dass die Speicherkarte der Petentin keine ermittlungsrelevanten Daten, dafür aber zahlreiche persönliche Fotos ihrer Familie enthielt. Dies hat auch das Beschwerdegericht festgestellt.

Die fehlende Vorprüfung kann auch nicht durch eine Einwilligung des Betroffenen ersetzt werden. Eine Einwilligung in eine Datenübermittlung, die für die Ermittlungen nicht erforderlich ist, kann dem Betroffenen nicht abverlangt werden. Diese Möglichkeit scheidet praktisch bereits deshalb häufig aus, weil nicht alle von der Übermittlung betroffenen Personen den Ermittlungsbehörden bekannt sind und um ihre Einwilligung ersucht werden können. Gegen die Einwilligungslösung spricht aber vor allem das Wesen der Eingriffsverwaltung. Dieses ist durch gesetzlich bestimmte Eingriffsbefugnisse der Behörden gekennzeichnet, die den Behörden den für die Aufgabenerfüllung nötigen Handlungsspielraum eröffnen. Das Instrument der freiwilligen Einwilligung kann nicht dazu genutzt werden, die Eingriffsbefugnisse von Behörden zu erweitern oder sie von ihnen obliegenden Pflichten zu befreien (siehe auch 31. TB, Tz. 4.3.6 zur Einwilligung in die Datenübermittlung an die GVU).

Was ist zu tun?
Sichergestellte oder beschlagnahmte personenbezogene Daten dürfen nur in dem Umfang an Dritte zur Auswertung gegeben werden, wie es für die Ermittlungen erforderlich ist. Hierzu müssen die Ermittlungsbehörden die Daten nötigenfalls vorher sichten. Eine Einwilligung des Betroffenen kann diesen Schritt nicht ersetzen. Zusätzlich muss die Unabhängigkeit polizeilicher Ermittlungsarbeit gewährleistet werden. Risiken des Missbrauchs personenbezogener Daten durch das Einbeziehen von Dritten müssen unterbunden werden.

4.3.5       Akteneinsichtsrecht für Europaratsausschuss zur Verhütung von Folter

Der Europaratsausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, abgekürzt CPT, führt regelmäßig Kontrollen in deutschen Vollzugs- und Gewahrsamseinrichtungen durch. Streitig ist dabei die Frage, ob er auch Einsichtsrechte in die Gefangenenpersonal- und Krankenakten hat. Rechtliche Grundlage für das Einsichtsrecht ist das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter. Es enthält eine Vorschrift zu den Auskunftsrechten des CPT. Doch diese Vorschrift erfüllt als Regelung des internationalen Rechts nicht die Maßstäbe, die nach deutschem Verfassungsrecht an die Bestimmtheit von Eingriffsbefugnissen anzulegen sind. Insbesondere die deutsche Sprachfassung ist sehr eng gefasst, denn sie gesteht dem CPT nur das Recht zu, Auskünfte zu verlangen. Akteneinsicht ist dort nicht genannt. Die englische Sprachfassung ist hingegen weiter gefasst. Danach ist dem CPT „other information available which is necessary“ („andere verfügbare Informationen, die erforderlich sind“) zur Verfügung zu stellen.

Commitee for the Prevention of Torture (CPT)

CPT ist der Name des Kontrollausschusses, der mit dem Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe eingesetzt wurde.

Das ULD hat in einer Stellungnahme gegenüber dem Justizministerium die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift im Europäischen Übereinkommen ausreicht, um dem CPT Akteneinsicht zu gewähren. Dabei hat das ULD berücksichtigt, dass es sich um internationales Recht handelt, das üblicherweise weitaus weniger bestimmt ist als deutsches Recht. Bei der Auslegung der Vorschrift kann nicht nur die deutsche Sprachfassung betrachtet werden, sondern es müssen auch andere Sprachfassungen berücksichtigt werden. Auch die Entstehungsgeschichte der Regelung ist mit zu betrachten. Aus dieser ergibt sich ein klarerer Umriss des Kontrollauftrags des CPT und der korrespondierenden Unterstützungspflichten der kontrollierten Stellen. Wünschenswert wäre eine deutlichere Klarstellung im nationalen Recht. Da dies jedoch landesrechtlich zu regeln wäre, entstünde die Gefahr unterschiedlicher Rechtsvorschriften. Dies hätte zur Folge, dass ein internationales Kontrollgremium, das unter Beteiligung von Deutschland nach internationalem Recht eingesetzt wurde, in den einzelnen Ländern unterschiedliche Befugnisse hätte. Angesichts dieses bestehenden Risikos hält das ULD ergänzende, klarstellende nationale Regelungen nicht für zwingend erforderlich.

Auch eine Beschränkung des Akteneinsichtsrechts auf solche Akten, in deren Einsichtnahme die Betroffenen eingewilligt haben, ist kein gangbarer Weg. Dies würde die Kontrolle des CPT weitgehend einschränken. Eine anlasslose Kontrolle nach eigenen Kriterien, die sich auch auf Betroffene erstreckt, die nicht mehr in einer Vollzugs- oder Gewahrsamseinrichtung untergebracht sind, wäre damit nicht möglich.

Was ist zu tun?
Dem CPT ist auf sein Verlangen Einsicht in Akten zu erteilen, auch soweit personenbezogene Daten betroffen sind. Eine Einwilligung der Betroffenen ist hierfür nicht erforderlich. Gleichwohl sollte Schleswig-Holstein sich für eine bundesweit einheitliche Konkretisierung der Mitwirkungspflichten der kontrollierten Stellen einsetzen.

 

4.3.6       Fehladressierung von E-Mails bei Polizei und Justiz

Ein kommunaler Abgeordneter erhielt im Berichtszeitraum mehrere E-Mails von der Polizei und von der Staatsanwaltschaft. Manchmal handelte es sich um Mitteilungen unter Kollegen, in einem Fall wurden ihm Anträge für Durchsuchungen zugeschickt – sehr sensible Daten! Für ihn bestimmt war jedoch keine dieser E-Mails. Eigentlich hätten sie einen namensgleichen Polizeibeamten erreichen sollen. Grund für den Fehlversand war in allen Fällen eine Verwechslung. Beide Personen sind im globalen E-Mail-Adressverzeichnis der „+1“-Infrastruktur des Landes (Tz. 6.1) geführt. In der Listenansicht des Adressverzeichnisses sind Einträge für beide Personen untereinander aufgelistet, wobei der Eintrag des Abgeordneten mit einem Symbol versehen ist, das externe Empfänger kennzeichnet. Man hätte also an dem Symbol erkennen können, dass die Kommunikation an einen falschen Empfänger gehen würde. Doch in der Listenansicht wird nicht die zugehörige E-Mail-Adresse dargestellt, aus der deutlich hervorgeht, wer externer Empfänger ist. So kann es leicht zu Verwechslungen kommen.

Sowohl die Staatsanwaltschaften als auch die Polizei haben nach Bekanntwerden dieser Fehlversendungen angeordnet, dass das globale Adressverzeichnis als primäres Adressverzeichnis zu deaktivieren ist und stattdessen das lokale Adressverzeichnis der Staatsanwaltschaften oder der Polizei als primäres Adressverzeichnis einzustellen ist. Durch diese Maßnahme wird das Risiko eines versehentlichen E-Mail-Versands an Adressen außerhalb des eigenen Behördenkreises erheblich reduziert.

Das ULD hat auf die Risiken und den richtigen Umgang damit in einer Pressemitteilung hingewiesen:

https://datenschutzzentrum.de/artikel/1048-1.html

Was ist zu tun?
Generell ist beim Versand von E-Mails Umsicht geboten, denn hier kommt es leicht zu Fehladressierungen. Empfänger sind sorgfältig auszuwählen. Dies gilt nicht nur für die Auswahl aus Adressverzeichnissen, sondern auch für die Nutzung der „Antworten“-Funktion und für die Verwendung des CC- und des BCC-Feldes.

 

4.3.7       Mehr Transparenz bei Funkzellenabfragen

Nicht individualisierte Funkzellenabfrage

Bei einer nicht individualisierten Funkzellenabfrage werden von Mobilfunkanbietern alle Verkehrsdatensätze erhoben, die an einem Ort in einem von der Ermittlungsbehörde festgelegten Zeitraum erzeugt worden sind. Dies können Telefonate, SMS oder Datenverbindungen zum Internet sein. Mit der Abfrage soll zumeist ermittelt werden, welche Anschlussinhaber sich in der Nähe eines Tatorts aufgehalten haben. Häufig wird dieses Mittel bei dem Verdacht einer Serienstraftat angewandt, um zu prüfen, ob an unterschiedlichen Tatorten dieselben Telefonnummern oder Mobilfunkgeräte auftauchen.

Die Rechtsgrundlage für nicht individualisierte Funkzellenabfragen ergibt sich aus § 100g Abs. 2 Satz 2 StPO. Laut Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der PIRATEN (Landtagsdrucksache 18/5172) wurden im Jahr 2016 in Schleswig-Holstein 866 nicht individualisierte Funkzellenabfragen durchgeführt.

Im letzten Tätigkeitsbericht hat das ULD über die Ergebnisse einer Prüfung von nicht individualisierten Funkzellenabfragen in Strafverfahren berichtet (35. TB, Tz. 4.3.1). Der Prüfbericht des ULD ist im Berichtszeitraum veröffentlicht und im Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages diskutiert worden (Landtagsumdruck 18/5038). Betont haben wir die Notwendigkeit, dass die erhobenen Verkehrsdaten spätestens zum Abschluss des Verfahrens gelöscht werden müssen.

In der Diskussion im Ausschuss ging es vor allem um die Transparenz für die Betroffenen. Durch eine Funkzellenabfrage werden oft zahlreiche Personen erfasst und deren Verkehrsdaten anschließend für die Dauer des Ermittlungsverfahrens und in vielen Fällen auch darüber hinaus gespeichert. Wenn sie nicht namentlich identifiziert werden, müssen sie über die Maßnahme nicht benachrichtigt werden. In ihre Grundrechte wurde dennoch eingegriffen, und das völlig ohne ihr Wissen. Diese Situation ist im Hinblick auf den Grundrechtsschutz für die Vielzahl von Betroffenen unbefriedigend. Das ULD hat daher Lösungsideen veröffentlicht, wie durch freiwillige Maßnahmen die Transparenz für die Betroffenen erhöht werden kann (Landtagsumdruck 18/7553).

Zu den im Bericht diskutierten Ansätzen für mehr Transparenz gehören die (verpflichtende) schriftliche Benachrichtigung der Betroffenen, wenn ihre Identität bekannt geworden ist oder sie sich mit ihrer Telefonnummer für eine Mitteilung registriert haben, die Information per SMS-Nachricht, die öffentliche Bekanntmachung sowie eine kombinierte Methode, in der die Nutzenden der Mobilgeräte entscheiden, ob und wie sie informiert werden möchten (siehe Abbildung).

Abbildung: Kombination von Benachrichtigung und Informations-SMS
Abbildung: Kombination von Benachrichtigung und Informations-SMS

In dieser kombinierten Lösung ist es nicht notwendig, dass die Strafverfolgungsbehörden ein Register über diejenigen führen, die eine Information begehren, wenn sie von einer Funkzellenabfrage betroffen sind. Dies könnte stattdessen beim Mobilfunkanbieter oder bei Treuhändern (nicht in der Abbildung dargestellt) geschehen. Auch würden die Strafverfolgungsbehörden bei der Information über die Funkzellenabfrage die bisher unbekannten Identifikationsdaten nicht erhalten. In einer erweiterten Fassung könnte zusätzlich eine Information per (verschlüsselter) E-Mail an zu diesem Zweck von den Betroffenen ausgewählte Adressen versandt werden. Die Betroffenen hätten also die Wahl, ob und wenn ja auf welche Weise und unter welcher (gegebenenfalls wechselnden) Adresse sie informiert werden möchten.

Der Lösungsansatz berücksichtigt nicht nur die StPO mit der (verpflichtenden) Benachrichtigung, sobald die Identität bekannt wird, sondern ergänzt diese Anforderung um eine empfehlenswerte Information für alle anderen Betroffenen. In die Konzeption sind die Überlegungen eingeflossen, wie die Gewährleistungsziele aus dem Standard-Datenschutzmodell (Tz. 6.3) berücksichtigt werden können. Offensichtlich dient die Idee der verbesserten Transparenz, aber auch Datenminimierung und Nichtverkettbarkeit (es sollen keine überschießenden Informationen bei den Strafverfolgungsbehörden vorliegen) und die Intervenierbarkeit (die Betroffenen entscheiden selbst über das Ob und Wie und können bei Bedarf nachfragen) werden berücksichtigt.

Der Prüfbericht des ULD ist veröffentlicht unter:
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/umdrucke/5000/umdruck-18-5038.pdf

Der Bericht „Möglichkeiten für verbesserte Transparenz bei Funkzellenabfragen“ ist veröffentlicht unter:
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/umdrucke/7500/umdruck-18-7553.pdf

 

Was ist zu tun?
Verbesserte Transparenz bei Funkzellenabfragen ist möglich und sollte umgesetzt werden. Das ULD hat einen Lösungsansatz in die Diskussion eingebracht und unterstützt gerne bei der Verfeinerung des Konzepts und der Umsetzung.

 

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