4.8         Steuerverwaltung

4.8.1      Einsicht in die Unterlagen der Steuerfahndung

Betroffene haben einen Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen der Steuerfahndung. Die Steuerverwaltung lehnt weiterhin Auskunftsersuchen von Betroffenen ohne triftigen Grund ab.

Ergeben sich für die Finanzbehörden Anhaltspunkte einer Steuerstraftat, so übergibt sie den Fall der Steuerfahndung. Diese ermittelt, ob der Verdacht begründet ist, und leitet bei dessen Bestätigung ein Strafverfahren ein. Die Betroffenen erhalten im weiteren Verfahren Akteneinsicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung. Erweist sich der Verdacht als unbegründet, erfolgt ein entsprechender Vermerk im Fallheft der Steuerfahndung, und der Fall ist abgeschlossen.

Durch Einsicht in andere Unterlagen der Finanzverwaltung hatte ein Petent erfahren, dass in seiner Sache die Steuerfahndung eingeschaltet worden ist. Er beantragte daher die Einsichtnahme in die Unterlagen der Steuerfahndung. Diese verweigerte die Auskunft mit der Begründung, er habe kein Einsichtsrecht, da die Abgabenordnung (AO) eine solche nicht vorsehe. Dieser Schluss ist falsch.

Die Betroffenen haben einen grundrechtlich gesicherten Anspruch gegenüber öffentlichen Stellen zu wissen, wer was wann wo und zu welcher Gelegenheit über sie gespeichert hat. Dies gilt auch für den Bereich des Steuerwesens (28. TB, Tz. 4.8.2). Die Finanzverwaltung einschließlich der Steuerfahndung muss über solche Anträge nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Würde die Akteneinsicht dazu führen, dass weitere Ermittlungsbemühungen der Fahndungsstelle wesentlich erschwert bzw. das laufende Ermittlungsverfahren gefährdet würde, kann das Interesse an der Geheimhaltung der Informationen überwiegen. Eine Auskunftsverweigerung kann auch mit dem Schutz personenbezogener Daten Dritter gerechtfertigt sein. So müssen z. B. die Namen von Informanten nicht mitgeteilt werden, es sei denn, der Informant hat die Behörde wider besseren Wissens oder leichtfertig falsch informiert.

Unter diesen „Informantenschutz“ fallen selbstverständlich nur natürliche Personen. Die Information von Behörden untereinander basiert ausschließlich auf gesetzlicher Grundlage; es besteht kein berechtigter Schutzzweck der Geheimhaltung. Nach einigen Erörterungen hat die Steuerverwaltung die Unterlagen dem Petenten unter Schwärzung der personenbezogenen Daten Dritter zugänglich gemacht.

Was ist zu tun?

Das Recht auf Akteneinsicht ist ein verfassungsrechtlicher Anspruch, der nur in begründeten Ausnahmefällen nach erfolgter Interessenabwägung abgelehnt werden darf. Die Finanzverwaltung muss Anträge sorgfältig prüfen und gegebenenfalls Teilauskunft gewähren.

 

4.8.2      Data Center Steuern

„Data Center Steuern“ ist das gemeinsame Rechenzentrum der Steuerverwaltungen von Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Schleswig-Holstein. Dienstleister ist dataport, das einen neuen Standort in Rostock eröffnet hat.

Das Steuergeheimnis verpflichtet die Beteiligten, besondere Vorkehrungen zu treffen, um einen unbefugten Zugriff auf die besonders schützenswerten Daten zu verhindern. Im Data Center Steuern in Rostock sollen zukünftig zentral alle Steuern der vier Bundesländer berechnet werden. Gedruckt und versandt werden diese zentral im dataport Druckzentrum am Standort Altenholz in Kiel. Die Steuerverwaltungen, die dataport als Dienstleister beauftragen, und dataport selbst müssen durch vertragliche Regelungen und angemessene technische und organisatorische Maßnahmen den Schutz des Steuergeheimnisses gewährleisten.

Zur Sicherung einer effektiven und effizienten datenschutzrechtlichen Beratung und Kontrolle des Data Center Steuern haben die Datenschutzbeauftragten der beteiligten Länder eine Kooperationsvereinbarung getroffen. Diese

  • sieht eine Abstimmung in allen wesentlichen Fragen vor,
  • vereinbart eine wechselseitige Beauftragung zur Durchführung von effektiven Datenschutzkontrollen vor Ort und
  • hat ein einheitliches Auftreten gegenüber dataport zum Ziel.

Wir haben unter der Federführung des Landesdatenschutzbeauftragten Mecklenburg-Vorpommerns zu den erforderlichen vertraglichen Regelungen zwischen den Steuerverwaltungen und dataport Hinweise gegeben. Außerdem haben wir ein Sicherheitskonzept des Auftragnehmers eingefordert, das auch den Anforderungen des LDSG und der DSVO gerecht wird. In dem Vertrag sind den Auftraggebern Weisungs- und Kontrollrechte einzuräumen.

Was ist zu tun?

Steuerverwaltungen und dataport haben die gemeinsame Aufgabe und Pflicht, das Steuergeheimnis technisch und organisatorisch zu schützen. Die Steuerverwaltungen müssen dataport vertraglich zu entsprechenden Vorkehrungen verpflichten.

 

4.8.3      Einführung einer einheitlichen Steuernummer

Von Juli 2007 an soll eine für jede Bürgerin und jeden Bürger zu vergebende einheitliche Steuernummer zur Optimierung des Besteuerungsverfahrens beitragen. Deren Speicherung ist auch in den Melderegistern vorgesehen. Zur Bereinigung der Meldedaten will das Bundeszentralamt für Steuern einen bundesweiten Abgleich vornehmen. Vieles ist bisher noch völlig unklar.

Mit der Vergabe einer einheitlichen steuerlichen Identifizierungsnummer (Steuer-ID) an alle Bürger soll die Qualität der Steuererhebung erhöht und damit eine größere Steuergerechtigkeit erreicht werden. Hiergegen bestehen grundsätzlich Datenschutzbedenken (26. TB, Tz. 4.9.1).

Konkrete Bedenken haben wir gegen den vorgesehenen bundesweiten Abgleich der zu übermittelnden Meldedaten. Die entsprechende Rechtsverordnung des Bundes erlaubt pauschal „die Zusammenführung und Bereinigung sämtlicher von den Meldebehörden zu übermittelnden Daten“, ohne weitere Einzelheiten für das Verfahren festzulegen. Das Bundeszentralamt für Steuern wird ermächtigt, im Vorfeld des Vergabeverfahrens weitere Meldedaten zu Erprobungszwecken zu erheben und weiterzuverarbeiten. Offensichtlich bestanden bei Verordnungserlass noch keine konkreten Vorstellungen darüber, wie überhaupt ein Abgleich realisiert werden kann. Weitere handwerkliche Mängel sind angesichts der kurzen Entwicklungs- und Probezeit vorprogrammiert.

Ergeben sich bei dem geplanten Abgleich Konfliktfälle, müssen die beteiligten Meldebehörden unterrichtet werden, um diese unter Einbeziehung der Betroffenen aufzuklären. Der Verwaltungsaufwand dafür wird erheblich sein. Es ist absehbar, dass zusätzlich Außendienstmitarbeiter für Ermittlungen vor Ort eingesetzt werden müssen. Entscheidend ist die Frage, welche und damit auch wie viele Fälle unter welchen Voraussetzungen als Konfliktfälle ausgewiesen werden. Ein elektronischer Abgleich kann allenfalls Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Melderegisterdaten geben. Seriöse Aussagen darüber, ob und in welchem Umfang die Meldedaten tatsächlich unrichtig sind, lassen sich bisher nicht einmal ansatzweise machen. Folgende Fragen sind noch unbeantwortet:

  • Ist das Abgleichverfahren überhaupt geeignet, um jedenfalls das Gros der Fehler in den Meldedaten aufzudecken?
  • Welche Daten werden wie abgeglichen?
  • In welchen Fällen liegen Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit von Meldedaten vor?
  • Wann sind diese Anhaltspunkte so konkret, dass ein Konfliktfall ausgewiesen wird?

Trotz fehlender Antworten hat der Verordnungsgeber den Startschuss für den Abgleich gegeben. Es kann nur gehofft werden, dass das Bundeszentralamt für Steuern – wie auch immer – die notwendigen Lösungen in der verfügbaren Zeit finden wird. Von einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung kann derzeit jedenfalls keine Rede sein. Es kann dazu kommen, dass die Meldebehörden mit viel Aufwand die berühmten Stecknadeln im Heuhaufen suchen müssen und viele Bürgerinnen und Bürger mit „Meldeverstößen“ konfrontiert werden, die sie nie begangen haben. Ohne ein klares, Erfolg versprechendes Verfahren ist weder der Verwaltungsaufwand für die Meldebehörden noch die Inanspruchnahme der Bürgerinnen und Bürger zu Kontrollzwecken zu rechtfertigen.

Was ist zu tun?

Der Melderegisterabgleich muss verschoben werden, bis gesicherte Erkenntnisse über das Verfahren und die Qualität der zu erzielenden Ergebnisse vorliegen.

 

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