4.7         Wissenschaft und Bildung

4.7.1      Ist der „gläserne Schüler“ geplant?

Das Bildungsministerium will sich an einer zentralen Schülerdatenbank der Bundesländer beteiligen. Der Bildungsverlauf jeder Schülerin und jedes Schülers soll dort mithilfe einer persönlichen Identifikationsnummer von der Einschulung bis zur Schulentlassung verfolgt werden können.

Lange Zeit ohne öffentliche Aufmerksamkeit verfolgten die Bildungsverwaltungen der Länder und die Kultusministerkonferenz (KMK) das Ziel der Einführung einer bundesweiten Schuldatenbank. Darin sollen die Bildungsverläufe von Schülerinnen und Schülern von der Einschulung bis zur Schulentlassung pseudonymisiert und damit personenbeziehbar verfolgt werden können. Einer einheitlichen Schüler-Identifikationsnummer (ID) sollen viele Daten zur Person und zum Schulverlauf zugeordnet werden, z. B. Nationalität, Muttersprache, Elternhaus, zu sämtlichen Schuljahren Art der Schule, Wiederholungen, Schwerpunkte und Ziele der Ausbildung. Darüber könnte die gesamte Schulkarriere nachvollzogen und bewertet werden. Leider zeigten das Bildungsministerium und die Kultusministerkonferenz – trotz unseres Hinweises – lange Zeit kein Problembewusstsein. Es wird bis heute versichert, dass an den personenbezogenen Daten kein Interesse bestehe. Über die Schüler-ID, zu der die aktuellen Identifizierungsangaben aufbewahrt werden, wäre jederzeit eine Reidentifizierung und Zuordnung der Daten möglich. Sicherungen zur Verhinderung des „gläsernen Schülers“ wurden nicht angeboten. Ein Schelm, der Böses dabei denkt? Im Sommer 2006 machte sich jedenfalls über die Pläne bundesweit Empörung breit.

Um die geplante Datenverarbeitung zu legitimieren, ist eine Ergänzung des Schulgesetzes erfolgt. Die darin genannten Zwecke sind jedoch so unpräzise, dass sie den verfassungsrechtlichen Ansprüchen nicht genügen. Wir haben dem zuständigen Ministerium mitgeteilt, dass mit der verabschiedeten Regelung keine Grundrechtseingriffe legitimiert werden können. Auf besondere Schutzregelungen für das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen verzichtete man. Die Regelung stellt auf eine IT-Infrastruktur ab, die in Schleswig-Holstein überhaupt noch nicht existiert und deren Kosten nicht beziffert wurden.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten hat sich für einen Verzicht der Schüler-ID ausgesprochen. Sie ist einmütig der Auffassung, dass die verfolgten Ziele mit weniger einschneidenden Mitteln als einer Totalerhebung angestrebt werden müssen. Welche Informationsbedürfnisse die Bildungspolitiker für welche Zwecke haben, hatten sie selbst fünf Jahre nach Beginn der Planungen immer noch nicht klar definiert. Von Planungsgrundlagen und PISA ist immer wieder die Rede. Die Teilnahme an den durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen wie PISA, IGLU oder TIMMS war bisher freiwillig. Wir haben den Eindruck, dass solche Tests ausreichende Erkenntnisse über Schülerlaufbahnen geben können. Das geplante zentrale Register wäre ein nicht erforderlicher und damit unverhältnismäßiger Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Schülerinnen und Schüler.

Was ist zu tun?

Die Planungen zur Einrichtung einer zentralen Schülerdatenbank und zur Vergabe von Schüler-Identifikationsnummern sollten aufgegeben werden.

 

4.7.2      Informationstechnologie an Schulen

Die Einführung moderner Informationstechnologie in den Schulverwaltungen gestaltet sich schwierig: Unklare Verantwortlichkeiten, eine angespannte Finanzlage und ein fehlendes zentrales Konzept führen zu datenschutzwidrigen Zuständen. Das ULD unterstützt Initiativen zur Standardisierung innovativer, datenschutzfreundlicher Lösungen.

Viele Schulen befinden sich beim IT-Einsatz in einer konzeptionellen Notlage, die durch den Einsatz einfach anzuwendender Standardsystemkonzepte zu beheben versucht wird. Das ULD unterstützt die beiden Modellprojekte „sh21 Basis“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie das Standardisierungsprojekt „Landesnetz Bildung“ des Ministeriums für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein. Durch standardisierte Systemkonzepte besteht die Hoffnung, das Datenschutzniveau an Schulen zu heben, indem die lokale Systemadministration von konzeptionellen Tätigkeiten entlastet wird.

Diese Konzepte müssen sicherstellen, dass die Schulen selbst als für den Datenschutz verantwortliche Stellen ihren Kontrollpflichten nachkommen können. Die Entwürfe müssen die lokale Verantwortung berücksichtigen und durch Dokumentation und Technikunterstützung die Ordnungsmäßigkeit der Datenverarbeitung prüfbar machen. Zudem muss durch flankierende Schulungen der Schulverwaltungen sowie der Lehrer das Datenschutzwissen beim IT-Einsatz verbessert werden.

Zu den Aufgaben der Projektverantwortlichen für „sh21 Basis“ und „Landesnetz Bildung“ gehört eine sorgfältige Evaluation nach Abschluss des Projektes. Da im „Landesnetz Bildung“ mit realen personenbezogenen Daten gearbeitet wird, gehört hierzu auch die konkrete Beachtung der Anforderungen von Datenschutz und Datensicherheit.

Was ist zu tun?

Bevor die Ergebnisse der Modellprojekte flächendeckend verfügbar gemacht werden, müssen sie auf Herz und Nieren bezüglich Datenschutz und Datensicherheit geprüft werden.

 

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