26. Tätigkeitsbericht (2004)

14

Rückblick

14.1

Nutzung der Steuernummern ohne Beanstandung

Viele Bürger fürchteten um das Steuergeheimnis, als die bis dahin quasi vertraulich behandelten Steuernummern von den Steuerpflichtigen auf Rechnungen und dergleichen vermerkt werden mussten. Sie wurden damit öffentlich wie Kontonummern. Dem Versprechen der Steuerverwaltung, keine Auskünfte zu erteilen, wenn nur die Steuernummer als Identifizierungsmerkmal genannt wurde, vertraute man nicht (vgl. 25. TB, Tz. 4.10.4). Nach nunmehr fast zweijähriger Erfahrung kann man sagen, dass die Finanzämter wohl tatsächlich ”dichthalten”. Man bezweifelt seitens der Steuerpflichtigen zwar nach wie vor die Sinnhaftigkeit der Verpflichtung, immer und immer wieder die Steuernummer anzugeben, Beschwerden über unzureichende Identitätsprüfungen bei Auskünften durch die Finanzämter oder über sonstige Missbrauchsversuche mit Steuernummern sind uns jedoch nicht auf den Tisch gekommen.


14.2

Firewall endlich korrigiert und ausreichend dokumentiert

Die Überprüfung einer Firewall, die von uns bereits im Januar 2002 durchgeführt wurde, konnte erst Ende 2003 zum Abschluss gebracht werden, weil es nahezu zwei Jahre dauerte, um von dem betreffenden Anbieter prüffähige Unterlagen zu erhalten (vgl. 25. TB, Tz. 7.4.2). Es zeigte sich, dass die Amtsverwaltung, die die Firewall einsetzt, ohne unsere Hilfe wohl nie in den Besitz der vollständigen Dokumentation gekommen wäre. Dabei ging es nicht nur um die Durchsetzung eines formalen Anspruches. Als wir Anfang 2003 die ersten Unterlagen erhielten, stellte sich schnell heraus, dass seitens des Anbieters eine Reihe von Schwachstellen und Inplausibilitäten zu bereinigen waren. Unsere Beharrlichkeit hatte also einen guten Grund.


14.3

Was lange währt, wird nicht zwangsläufig gut!

Jahrelang hatten wir gefordert, die Sicherheitsüberprüfungen im Lande auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Seit Februar 2001 lag der Entwurf eines Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes vor, den das Parlament inzwischen verabschiedet hat. Zeit genug eigentlich, um auch datenschutzrechtlichen Aspekten ausreichend Rechnung tragen zu können. Im Ergebnis lässt sich zwar feststellen, dass der Gesetzestext insgesamt ein akzeptables Datenschutzniveau aufweist. Einige grundsätzliche datenschutzrechtliche Mängel konnten jedoch im Gesetzgebungsverfahren leider nicht beseitigt werden. Dazu gehört insbesondere die Abschaffung der aus datenschutzrechtlicher Sicht wünschenswerten Funktion des Sicherheitsbeauftragten des Landes sowie die Festlegung der sicherheitsempfindlichen Stellen bestimmter lebens- oder verteidigungswichtiger Einrichtungen durch eine Verordnung der Landesregierung (vgl. 23., 24. und 25. TB, Tz. 4.4). Daraus entstehen vermeidbare Risiken beim Umgang mit den besonders sensiblen Daten aus Sicherheitsüberprüfungsverfahren.


14.4

Angaben über Mieter in der Zweitwohnungssteuererklärung

In den letzten Jahren hat es immer wieder Beschwerden über die Neugierde der Kommunen bei der Erhebung von Daten für die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer gegeben (vgl. 24. TB, Tz. 4.10.3). Die entsprechenden Vordrucke einer Reihe von Gemeinden mussten aufgrund unserer Beanstandungen neu gestaltet werden. Dies ist offenbar in der Zwischenzeit geschehen. Die Anzahl der uns erreichenden Beschwerden jedenfalls ist sehr rückläufig. Es fällt zwar immer noch unangenehm auf, dass oft die Namen von Mietern erfragt werden. Da jedoch keine Angaben über die Anschrift zu machen sind, ist ein konkreter Personenbezug nicht gegeben und die Begründung, dass die Namen nur zu Plausibilitätszwecken gebraucht würden, nicht zu widerlegen.


14.5

Steuerverwaltung reklamiert für sich nach wie vor Sonderrechte

Die Abgabenordnung ist eines von vielen Verwaltungsverfahrensgesetzen. Sie hat den gleichen Rang wie z. B. das Sozialgesetzbuch X, das Baugesetzbuch, das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und die Strafprozessordnung. Soweit diese Gesetze keine ausreichenden Regelungen zur Gewährleistung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Bürger enthalten, gelten die Datenschutzgesetze. Das wird in allen Verwaltungsbereichen anerkannt, nur die Steuerverwaltung reklamiert für sich seit Jahren Sonderrechte (vgl. 25. TB, Tz. 4.10.5). Sie ist zwar schnell bei der Hand, wenn es darum geht, den Gesetzgeber zum Aufbau großer Informationssysteme zu bewegen (vgl. Tz. 4.9.1). Die Anpassung der AO an das Niveau der EU-Datenschutzrichtlinie steht jedoch nach wie vor noch aus. Gleichzeitig wird aber eine Anwendung des allgemeinen Datenschutzrechts abgelehnt mit der Begründung, in der AO sei der Datenschutz abschließend und ausreichend geregelt.


14.6

Steuerfahnder in der Grauzone

Wenn Steuerfahnder ermitteln, sind sie Diener zweier Herren. Einerseits erhalten sie Weisungen von ihren Vorgesetzten im Finanzamt. Andererseits erteilen ihnen auch die Staatsanwaltschaften Aufträge. Welche Behörde für welche Aktivitäten die Verantwortung trägt, ist oft nicht leicht zu erkennen, insbesondere wenn mal etwas schief läuft (vgl. 25. TB, Tz. 4.10.7). Trotz offenkundiger Defizite in diesem Bereich hat sich die Steuerverwaltung bisher nicht veranlasst gesehen, für klare Regelungen zu sorgen. Es bedarf offensichtlich erst noch weiterer Konfliktfälle.


14.7

Zu hohe Anforderungen an Systemadministratoren

Selbst Fulltimesystemadministratoren raufen sich immer häufiger die Haare. Die Betriebssysteme und Hardwarekomponenten werden immer komplexer, ohne Vernetzung aller Arbeitsplätze mit der ganzen Internet-Welt droht der Zusammenbruch der Verwaltung, und alle Anforderungen des Managements müssen abends erfüllt sein, selbst wenn sie morgens noch so ungenau formuliert worden sind (vgl. 25. TB, Tz. 7.1). Das Verwaltungsmanagement betrachtet die Systemadministratoren gleichwohl mehr und mehr als einen Kostenfaktor. Ein entscheidendes Umdenken in Richtung auf eine verbesserte organisatorische Anbindung und eine fundierte Ausbildung dieses Bereiches ist in der Praxis nicht zu erkennen. Allerdings ist im kommunalen Bereich eine verstärkte behördenübergreifende Zusammenarbeit bei der Betreuung von IT-Systemen zu erkennen. Dies ist immerhin ein Hoffnungsschimmer.


14.8

Werbung, die die Verbraucher nicht wollen

Im 25. Tätigkeitsbericht (vgl. Tz. 6.1) hatten wir berichtet, dass die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins laut einer Verbraucherumfrage mit unverlangten Werbezuschriften nicht einverstanden sind. Hierüber hat sich der Deutsche Direktmarketing Verband (DDV) beim Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr sowie beim Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein beschwert. Das Innenministerium wies die Beschwerde des DDV in der Sache zurück, während das Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr seine Zuständigkeit verneinte. Die Stellungnahmen sind veröffentlicht unter

www.datenschutzzentrum.de/material/themen/wirtscha/ddvumfra.htm


14.9

Ergebnisse von Kontrollen der schleswig-holsteinischen Wirtschaftsauskunfteien

Wiederholt (vgl. zuletzt 25. TB, Tz. 6.2.1) hatten wir nach der Kontrolle von Auskunfteien beanstandet, dass diese Informationen auch dann weitergeben, wenn das berechtigte Interesse an dem Datenerhalt nur vage begründet ist. Um bundeseinheitlich eine datenschutzkonforme Verfahrensweise herbeizuführen, haben wir dem ”Düsseldorfer Kreis” der obersten Datenschutzaufsichtsbehörden die Beanstandung der beiden nichts sagenden Anfragegründe ”Bonitätsprüfung” und ”Geschäftsanbahnung” mitgeteilt. Der Düsseldorfer Kreis hat den Verband deutscher Wirtschaftsauskunfteien zu einer Stellungnahme aufgefordert. Ein greifbares Ergebnis der Verhandlungen steht noch aus.


14.10

Flucht aus dem Informationsfreiheitsgesetz

Im 24. und 25. Tätigkeitsbericht hatten wir über die Gesetzesauslegung (vgl. dort Tz. 13.1 und Tz. 13.2) einiger Kommunen berichtet, wonach das Informationsfreiheitsgesetz keine Anwendung auf fiskalisches Handeln einer Behörde finden soll. Nach wie vor finden sich keine nachvollziehbaren Argumente für diese Lesart. Im Gegenteil: Weitere Einsichtsersuchen, die uns im Rahmen von Eingaben bekannt geworden sind, belegen, dass bei Bürgerinnen und Bürgern Interesse an der Öffentlichmachung von Vorgängen aus diesem Bereich besteht. Im Zuge der Beratungen des 25. Tätigkeitsberichtes im Landtag kündigten einige Abgeordnete die Prüfung einer Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes mit dem Ziel an, dieses Schlupfloch zu schließen.

14.11

Heimliche Vaterschaftstests

Im 24. Tätigkeitsbericht (Tz. 4.8.10) berichteten wir über heimliche genetische Vaterschaftstests und brachten die Hoffnung zum Ausdruck, dass der Bundesgesetzgeber hierzu ein klares Verbot ausspricht. Leider müssen wir feststellen, dass sich die Praxis der heimlichen genetischen Abstammungsuntersuchungen immer noch weiter ausbreitet. Der Gesetzgeber ist untätig geblieben. Nicht nur das: Das Landgericht München entschied in einem Wettbewerbsverfahren, dass gegen das Angebot solcher Gentests nichts einzuwenden sei. In einer Urteilsanmerkung haben wir zum Ausdruck gebracht, dass dieses Urteil aus Datenschutzsicht verfehlt ist:

www.datenschutzzentrum.de/medizin/genom/vaterschtest.htm

Inzwischen hat das Oberlandesgericht Celle in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren entschieden, dass die heimlich eingeholten Vaterschaftsnachweise das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Kinder verletzen und die Ergebnisse der Gentests nicht verwertet werden dürfen.


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