24. Tätigkeitsbericht (2002)

13

Informationsfreiheit

13.1

Erfahrungen mit dem Informationsfreiheitsgesetz Schleswig-Holstein


Nachdem das Informationsfreiheitsgesetz knapp zwei Jahre in Kraft ist, lässt sich eine erste positive Bilanz ziehen: Das Gesetz hat sich unspektakulär einen Platz im schleswig-holsteinischen Rechtssystem gesichert.

Das Informationsfreiheitsgesetz Schleswig-Holstein (IFG-SH) führt wie die entsprechenden Gesetze in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen eine bislang nicht gekannte Aktenöffentlichkeit in die Verwaltung ein: Es hat einen vom Grundsatz her verfahrensunabhängigen und voraussetzungslosen Informationszugangsanspruch für alle Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Verwaltung geschaffen. Der Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit gilt nicht mehr. Soll ein Akteneinsichtsgesuch ausnahmsweise abgelehnt werden, so muss dies jetzt begründet werden. Hingegen muss derjenige, der Einblick in behördliche Unterlagen nehmen möchte, dies nicht mehr besonders begründen.

So grundlegend diese Neuerung für das deutsche Recht auch sein mag, so unaufgeregt ist doch seine Handhabung in der bisherigen Praxis der schleswig-holsteinischen Landes- und Kommunalbehörden. Obwohl das Gesetz quasi über Nacht eingeführt wurde und es an einer vorherigen öffentlichen Diskussion mangelte, haben die Verwaltungen relativ flexibel auf die ersten Informationsanträge reagiert.

Die uns bekannt gewordenen Informationszugangsbegehren beziehen sich auf nahezu alle Bereiche der Verwaltung und waren in der ganz überwiegenden Anzahl gut nachvollziehbar. In den Fällen, in denen kein Anspruch auf Informationszugang bestand, war dies zumeist auf die Nichtanwendbarkeit des Gesetzes oder schlicht darauf zurückzuführen, dass die begehrten Informationen bei der Behörde nicht vorhanden waren. In der Mehrzahl der Fälle konnte indes ein Informationszugang erreicht bzw. - häufig nach Präzisierung des Informationsinteresses des Antragstellers - zwischen dem Informationssuchenden und der Verwaltung erfolgreich vermittelt werden. In aller Regel ging es den Informationssuchenden nicht darum, Informationen mit Personenbezug zu erhalten, sodass durch Schwärzung oder Herausnahme bestimmter Aktenteile ein für alle Beteiligten befriedigendes Ergebnis erzielt werden konnte.

Ein Schwerpunkt hat sich bislang im öffentlichen Bauplanungs- bzw. -ordnungsrecht und zunehmend im Ausschreibungs- und Vergaberecht herausgebildet. Zumeist handelt es sich bei den Antragstellern um Bürgerinnen und Bürger. Aber auch Gemeindevertreter, Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes oder private Firmen haben schon entsprechende Anträge auf Informationszugang gestellt. Obwohl das Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich jedermann, d. h. unabhängig davon, wo der Betreffende wohnt oder welcher Nationalität er ist, ein Zugangsrecht gibt, ist die Tendenz zu beobachten, dass die Antragsteller sich häufig im Vorwege einer möglichen eigenen Betroffenheit informieren möchten. So ging es beispielsweise darum, sich rechtzeitig über den Stand eines in der unmittelbaren Nachbarschaft angesiedelten Planungsvorhabens kundig zu machen. Oder aber man wollte schon einmal vorab Einblick in den kommunalen Erschließungsvertrag nehmen, um abschätzen zu können, wie hoch später der Erschließungsbeitrag sein würde. Von steigendem Interesse sind auch diejenigen Fälle, in denen ein Wettbewerbsunternehmen wissen möchte, warum ein öffentlicher Auftrag an ein Konkurrenzunternehmen vergeben worden ist.

Die bisherige Praxis mit dem Informationsfreiheitsgesetz hat insgesamt gezeigt, dass sich die Mehrzahl der Verwaltungen rasch auf die neue Gesetzeslage einzustellen vermocht hat. Offenbar verfügt Schleswig-Holstein über eine gut entwickelte Informationskultur, die es den Behörden erleichtert, Informationsbegehren von Bürgern nicht als abzuwehrenden Fremdkörper, sondern als Teil einer demokratischen Informationsordnung zu begreifen, wie die nachfolgende Auswahl interessanter Einzelfälle zeigt:

Interessante Einzelfälle

  • Informationen über die Verwendung von Haushaltsmitteln

Der Kreisverband einer Partei wollte in Erfahrung bringen, warum sowohl auf Kreisebene als auch im Bereich einer kreisfreien Stadt seinen politischen Anliegen auf kommunaler Ebene keine Beachtung geschenkt wurde. Entsprechende Anfragen blieben ebenso unbeantwortet. Dabei ging es sogar um solche, die sich auf den Ansatz von Haushaltsmitteln für politische Fraktionen bezogen. Dafür musste die Partei aus der örtlichen Regionalpresse erfahren, dass sie mit einer Bearbeitungsgebühr von bis zu 4.000 DM zu rechnen habe. Die von uns angeschriebenen Kommunen reagierten rasch und stellten die gewünschten Informationen zur Verfügung. Eine zwischenzeitlich von der Partei beim Verwaltungsgericht Schleswig anhängig gemachte Klage konnte daraufhin für erledigt erklärt werden.

  • Zugang zur Unterschriftenliste

Ein Landwirt plante die Erweiterung seiner Schweinemästerei. Gegen sein im Außenbereich der Gemeinde geplantes Bauvorhaben wandte sich eine Reihe von Bürgern der ca. 150 Einwohner zählenden Gemeinde mithilfe eines Bürgerbegehrens, das mit einer Unterschriftenliste verbunden war. Beide Unterlagen waren dem Bürgermeister der Gemeinde im Rahmen der Gemeindevertretersitzung überreicht worden. Der Antragsteller wandte sich an uns, nachdem sein Antrag auf Zugänglichmachung der Unterschriftenliste von der zuständigen Amtsverwaltung mit der Begründung abgelehnt worden war, dass die Unterschriftenliste bei der Beurteilung seines Bauantrages nach den hierfür einschlägigen Vorschriften des Baugesetzbuches ohne Belang sei. Damit wollte er sich nicht zufrieden geben, da er davon ausging, dass das Bürgerbegehren durchaus von Einfluss auf sein Baugenehmigungsverfahren sei. Da er auf eine rasche Verwirklichung der geplanten Erweiterung seiner Schweinemästerei angewiesen sei, gelte es, sich mit möglichen Einwendungen von betroffenen Nachbarn und Bürgern bereits im Vorfeld zu befassen, um etwaige Rechtsstreitigkeiten von vornherein zu vermeiden.

Das Informationsfreiheitsgesetz stellt besondere Anforderungen an den Informationszugang auf, wenn Datenschutzrechte Dritter entgegenstehen. Um die in der Unterschriftenliste enthaltenen Namen zu erfahren, hätte der Antragsteller darlegen müssen, dass er einen Anspruch verfolgt, der sich aus einer konkreten Rechtsbeziehung zu den Unterzeichnern der Unterschriftenliste ergibt. Die von ihm vorgetragenen Umstände waren nicht geeignet, hier ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der Unterschriftenliste zu begründen. Er war deshalb darauf zu verweisen, dass er bei möglichen nachbarrechtlichen Widersprüchen als Drittbetroffener jederzeit Akteneinsicht beantragen kann, im derzeitigen Stadium des Verfahrens aber nicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz.

  • Auskunft über tierschutzrechtliche Maßnahmen

Tierschützer stellten auf einem Reiterhof Mängel bei der Pferdehaltung fest und informierten u. a. den Landrat und das Veterinäramt des Kreises. Nachdem einige Zeit vergangen war, wollten sie wissen, welche aufsichtsbehördlichen Maßnahmen seitens des Kreises getroffen worden waren. Sie erhielten die Antwort, dass der Betrieb von der zuständigen Tierschutzbehörde unter Beteiligung des Amtstierarztes des Kreises regelmäßig überwacht und kontrolliert wurde. Auch seien bereits konkrete Maßnahmen zum Tierschutz erfolgt. Den von den Tierschützern erhobenen Vorwürfen würde auch weiterhin nachgegangen werden. Diese Auskunft genügte den Tierschützern nicht und sie verlangten Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz.

Das Gesetz enthält den Grundsatz, dass bei entgegenstehenden Datenschutzrechten Dritter keine Offenbarung der gewünschten Information erfolgen darf. Hiervon kann allerdings dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn der Informationssuchende darlegt, dass er in einer konkreten Rechtsbeziehung zu demjenigen, um dessen Daten es geht, steht und keine überwiegenden schutzwürdigen Belange des Betroffenen entgegenstehen. Mittlerweile hatte der Inhaber des Reiterhofes rechtliche Schritte gegen die Tierschützer unternommen und mit Schadensersatzansprüchen gedroht, sollten diese bei ihrer Aussage bleiben, dass auf dem Reiterhof keine artgerechte Tierhaltung stattfinde. Es ließ sich nicht abschließend klären, ob deshalb bereits eine konkrete Rechtsbeziehung in dem beschriebenen Sinne vorlag.

Darauf kam es aber nicht an, weil Daten hätten offenbart werden müssen, die einem besonderen Berufs- oder Amtsgeheimnis unterliegen. Aufgrund der Tatsache, dass von den Tierärzten des Kreisveterinäramtes sowohl im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Verfahrens als auch im Rahmen eines inzwischen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahrens tierärztliche Untersuchungen und Begutachtungen durchgeführt worden waren, griffen die Schutzvorschriften des Berufs- und Amtsgeheimnisses. Hierzu gehört auch die Schweigepflicht der Ärzte und der Tierärzte. Der Informationszugang musste daher versagt bleiben.

  • Auftragsvergabe zu Gewässeruntersuchungen

Ein Petent hatte sich als Betreiber eines Labors für biologische Gewässeruntersuchungen bei der zuständigen Umweltbehörde um Aufträge zu Gewässeruntersuchungen bemüht. Seine Nichtberücksichtigung machte ihn stutzig und er begehrte Akteneinsicht um festzustellen, warum jeweils ein Konkurrenzunternehmen mit dem Auftrag betraut worden war. Dies wurde abgelehnt. Nach dem IFG-SH habe der Petent keinen Anspruch auf Akteneinsicht, da dieses durch die speziellere Regelung des Umweltinformationsgesetzes verdrängt werde. Im Übrigen handele es sich bei Auftragsvergaben um fiskalische Tätigkeit, die nicht unter das IFG-SH falle.

Wir haben die Auffassung vertreten, dass das Informationsfreiheitsgesetz Schleswig-Holstein auf einen solchen Fall anwendbar ist. Angesichts der in den Akten enthaltenen Angebote der Mitbewerber des Petenten sprach jedoch einiges für das Vorliegen von Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnissen. Ein derartiges Geheimnis ist dann anzunehmen, wenn die im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stehende Tatsache nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich ist und ein Geheimhaltungsinteresse des Unternehmers sowie ein berechtigtes wirtschaftliches unternehmerisches Interesse besteht. Das Vorliegen eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses hindert indes nicht von vornherein die Zugänglichmachung der gewünschten Informationen. Vielmehr muss im Einzelfall eine Abwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen des betroffenen Unternehmers und dem Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit stattfinden.

Es ging dem Petenten indes nicht um die Kenntnis der hinter den jeweiligen Angeboten stehenden Personen bzw. Firmen, sondern darum, den Gang des Vergabeverfahrens nachzuvollziehen. Wir haben der Umweltbehörde daher geraten, die jeweiligen Angebote so zu anonymisieren, dass ein Rückschluss auf personenbezogene Informationen bzw. Betriebsdaten nicht mehr möglich ist. Dem ist die Behörde inzwischen gefolgt.

  • Einsicht in Erschließungsunterlagen

Verschiedene Grundstückseigentümer in einem Erschließungsgebiet wollten sich schon einmal im Vorwege darüber informieren, welche Kosten für Erschließungsleistungen später auf sie zukommen und zu diesem Zweck den Erschließungsvertrag ihrer Gemeinde mit einem großen schleswig-holsteinischen Wohnungsbauunternehmen einsehen. Die Kommune war sich zunächst unsicher, ob damit eine Preisgabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen verbunden gewesen wäre. Nach Einsicht in den Erschließungsvertrag konnten wir die Bedenken nicht teilen. Unabhängig davon, dass hier lediglich eine einzelne Vertragspassage einschlägiges Zahlenmaterial enthielt, aus dem man aber bei einem derart großen Unternehmen schwerlich Rückschlüsse auf die betriebliche Kalkulation hätte ziehen können, war Folgendes zu berücksichtigen: die Allgemeinheit hat ein erhebliches Interesse daran, in welcher Größenordnung sich der für ein Erschließungsunternehmen entstandene umlagefähige Aufwand bewegt, zumal entsprechende Haushaltsansätze bereits in dem öffentlichen Haushaltsplan enthalten sein dürften. Im Ergebnis wurden deshalb die Unterlagen zugänglich gemacht.

  • Einblick in Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange

Eine schleswig-holsteinische Stadt wollte wissen, ob Bürgerinitiativen Sitzungsvorlagen zu Flächennutzungs- und Landschaftsplänen zur Verfügung gestellt werden müssen. Wir haben dies bejaht, soweit es sich um Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange handelt. Zwar muss z. B. im Rahmen eines Bauleitplanverfahrens der Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses gewährleistet werden. Dieser Schutz gilt indes nicht für alle Arten von Unterlagen. Handelt es sich z. B. um Äußerungen von Trägern öffentlicher Belange, so sind dies - da es sich um extern erstellte Vorlagen handelt, deren inhaltliche Ergebnisse feststehen und von der Behörde nur noch bewertet werden müssen - Unterlagen, die unabhängig vom Stand des jeweiligen Verfahrens zugänglich zu machen sind. Der Kommune wurde geraten, die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange zugänglich zu machen.

Soweit darüber hinaus auch Einsicht in die Anregungen und Bedenken übriger Betroffener begehrt wurde, war hingegen eine Zugänglichmachung der gewünschten Informationen nicht ohne weiteres möglich. Hier hätte die Bürgerinitiative ein rechtliches Interesse, also im Regelfall eine konkrete Rechtsbeziehung zu den Betroffenen, um deren Daten es ging, darlegen müssen, sofern nicht eine Anonymisierung in Betracht kam.

  • Einsicht in Bauscheinakten

Ein rechtliches Interesse muss auch für den Fall dargelegt werden, dass ein Dritter Einsicht in die Bauscheinakte eines Betroffenen nehmen möchte. Derartige Anträge würden mehrfach gestellt. In einem Fall ging es offenbar darum zu erfahren, in welchem Umfang die von einem Nachbarn vorgenommenen Ausgrabungen von der Baubehörde genehmigt worden waren. Sind personenbezogene Daten betroffen, so kann nicht in die gesamte Akte Einblick genommen werden, um festzustellen, was darin enthalten ist, um dann anhand des vorhandenen Inhalts überlegen zu wollen, welche rechtlichen Schritte man gegebenenfalls einleiten möchte. In solchen Fällen ist es immer erforderlich, in einem ersten Schritt - gegebenen-falls unter Zuhilfenahme behördlicher Beratung - anzugeben, in welche Unterlagen konkret Einsicht genommen werden soll. In einem weiteren Schritt ist dann darzulegen, in welcher Rechtsbeziehung man zu den Daten des Betroffenen, um dessen Daten es geht, steht. Generell lässt sich die Aussage treffen, das eine konkrete Rechtsbeziehung in diesem Sinne im Rahmen nachbarschaftlicher Verhältnisse eher gegeben sein wird, während dies bei Außenstehenden wie z. B. einer Bürgerinitiative kaum einmal der Fall ist.

  • Urheberrecht an Bauplänen?

Bei der Bauordnungsbehörde einer schleswig-holsteinischen Inselgemeinde tauchte die Frage auf, ob sie einem Petenten auch Kopien aus einer Bauakte zur Verfügung stellen dürfte. Fraglich war hier insbesondere, ob das Urheberrecht des Planverfassers gegen eine Überlassung von Kopien sprach. Nach unserer Auffassung war dies nicht der Fall. Denn zum einen unterliegen die in Bauakten enthaltenen Baupläne nicht automatisch dem Urheberrechtsschutz. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn das Bauwerk sich als Ausdruck individuellen Schaffens darstellt. Entspricht der Plan eines Wohnhauses hingegen der Darstellung eines üblichen Wohnhauses und zeichnete sich nicht durch besondere gestalterische Elemente aus, wird man nicht von einem dem Urheberrechtsschutz unterliegenden Plan ausgehen können.

Zum anderen ist es aber selbst dann, wenn der Urheberrechtschutz zu bejahen ist, zulässig, Kopien in einer gewissen Anzahl herzustellen (die Rechtsprechung spricht insoweit von bis zu sieben Stück), wenn sie lediglich privat bzw. zur Verfolgung eigener Interessen verwendet werden. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die kopierten Unterlagen als Grundlage einer Besprechung mit Nachbarn verwendet werden sollen. Einer unsachgemäßen Handhabung der Kopien kann dadurch begegnet werden, das bei ihrer Aushändigung darauf hingewiesen wird, dass die Daten nur zu dem Zweck zu verwenden sind, zu dem sie ausgehändigt worden sind.

  • Auskunft über Behördeninformanten?

Dem Veterinäramt eines Kreises war der Hinweis gegeben worden, dass in einem landwirtschaftlichen Betrieb gegen das Tierschutzgesetz verstoßen worden sei. Die Kontrolle durch das zuständige Amt konnte dies zwar nicht bestätigen, es wurden jedoch Verstöße gegen andere Vorschriften aus dem Bereich der Hygiene festgestellt. Der nunmehr von behördlichen Verfügungen betroffene Landwirt verlangte von dem Kreis Auskunft darüber, welche Person den Fall ins Rollen gebracht hatte. Die Kommunalaufsichtsbehörde bat uns um Prüfung, ob der Informationsanspruch berechtigt war.

Der Landwirt konnte sich zunächst wie jedermann auf den Grundsatz des freien Zugangs zu Behördeninformationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG­SH) berufen. Daneben stand ihm noch eine weitere Rechtsgrundlage zur Verfügung, da er auch Beteiligter eines Verwaltungsverfahrens war. In diesem Fall gewährt das Landesverwaltungsgesetz einen Anspruch auf Akteneinsicht. Daneben kam weiterhin ein Auskunftsanspruch nach dem Landesdatenschutzgesetz (LDSG) in Betracht. Da der fragliche Informant im Zusammenhang mit den im Verfahren gegen den Landwirt gespeicherten personenbezogenen Daten in der Akte vorkam, war auch der Auskunftsanspruch nach LDSG vom Grundsatz her einschlägig.

Allerdings bestehen all diese Ansprüche nicht uneingeschränkt, vielmehr gelten Begrenzungen, bei deren Vorliegen keine Auskunft gegeben werden darf. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn Auskunft darüber begehrt wird, welche Person der Behörde einen Hinweis gegeben hat. Hierzu hat die Rechtsprechung ausgeführt, dass staatliche Behörden ihre Aufgaben nur dann erfüllen könnten, wenn sie Hinweise von dritter Seite erhielten und die Hinweisgeber sich darauf verlassen könnten, dass ihre Identität nicht offen gelegt werde. Aus diesem Grund besteht regelmäßig kein Anspruch auf Auskunfterteilung über den Namen von Informanten. Anders liegt der Fall nur dann, wenn ausnahmsweise die Interessen des Behördeninformanten hinter denen des Auskunftssuchenden zurückstehen müssen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Informant auf die Verleumdung oder falsche Verdächtigung des Betroffenen abzielt. Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Informant die Behörde wider besseren Wissens und leichtfertig falsch informiert hat, so darf seine Identität dem Auskunftssuchenden mitgeteilt werden. Ist dies nicht der Fall, so hat die Auskunft über den Informanten zu unterbleiben, da anderenfalls die Erfüllung der Aufgaben der Behörde gefährdet würde. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergab, dass im Ergebnis kein Anspruch auf Mitteilung des Informanten bestand.

  • Zugang zu Unterlagen über ein Straßenbauprojekt

Ein Bürger einer Großstadt interessierte sich für ein unmittelbar in der Nähe seiner Wohnung geplantes Straßenbauprojekt von zentraler Bedeutung. Die Stadtverwaltung war bereits seit einiger Zeit mit umfangreichen Planungen hinsichtlich der Konzeption und Finanzierung der Anlage befasst. Ein von dem Bürger an die Stadtverwaltung gerichteter Antrag auf Zugang zu ”allen Unterlagen des Straßenbauprojektes” blieb weitgehend unbeantwortet. Der Betroffene wandte sich an uns. Da der Antrag sehr unbestimmt abgefasst war, legten wir ihm zunächst nahe, sein Informationsinteresse näher darzulegen. Nachdem klar war, dass es ihm in erster Linie darum ging, die Möglichkeiten für eine alternative Trassenführung auszuloten und zu erfahren, welche Auswirkungen in ökonomischer und ökologischer Sicht das Vorhaben mit sich bringen würde, setzten wir uns mit der Stadtverwaltung in Verbindung. Mehrere Schreiben mit der Bitte um Stellungnahme blieben zunächst unbeantwortet. Schließlich kam es zu einem gemeinsamen Gespräch mit dem Petenten, in dem die gegenseitigen Standpunkte ausgetauscht wurden. Die begehrte Einsichtnahme in die von der Stadt verworfenen Alternativtrassen sowie in ökologische Gutachten lehnte die Stadt unter Berufung auf den Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses rundherum ab.

Wir haben die Stadt darauf hingewiesen, dass es sich dabei im Wesentlichen um extern erstellte Gutachten handelt, bei denen ein Zugangsanspruch unabhängig vom Stand des Verfahrens besteht. Denn derartige extern erstellte Gutachten stehen ihrem Inhalt nach fest und sind nur noch von der Verwaltung zu bewerten. Die Stadt bat sich Bedenkzeit aus. Nachdem wiederum längere Zeit verstrichen war - der Petent wartete nun schon über ein halbes Jahr auf die Entscheidung über seinen Antrag - wandte sich die Stadt an die für sie zuständige Kommunalaufsichtsbehörde. Diese teilte unsere Rechtsauffassung und wies die Stadtverwaltung an, über den Antrag umgehend zu entscheiden. Mittlerweile hat der Petent Einsicht in die begehrten Unterlagen des Straßenbauprojektes erhalten.

  • Streit um die Anwendbarkeit des Gesetzes

In einer Großstadt wurde im Bereich des örtlichen Universitätsklinikums eine Baumaßnahme auf technischem Gebiet ausgeschrieben und nach Durchführung des Vergabeverfahrens an ein Unternehmen vergeben. Eine Konkurrenzfirma wollte sich davon überzeugen, ob dieses Unternehmen tatsächlich das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte. Die mit der Auftragsvergabe betraute Landesanstalt verweigerte die beantragte Akteneinsicht mit der Begründung, das Informationsfreiheitsgesetz sei auf fiskalische Betätigungen der öffentlichen Hand nicht anwendbar. Im Übrigen unterfalle sie ihrer Rechtsform nach bereits nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes.

Mit dieser Entscheidung wollte sich das Unternehmen nicht zufrieden geben und wandte sich an uns. Dass das IFG-SH die rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts nicht ausdrücklich erwähnt, ist ganz offensichtlich auf ein Versehen im Gesetzgebungsverfahren zurückzuführen: Warum ausgerechnet Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sein sollen, wenn der Gesetzgeber auf der anderen Seite ausdrücklich sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts angeführt hat, ist nicht nachvollziehbar. Hier sollte anlässlich einer Gesetzesnovellierung eine Klarstellung erfolgen.

Auch kann es für die Anwendung des Gesetzes nicht darauf ankommen, dass die Behörde hier fiskalisch gehandelt hat. Zunehmend spielt sich behördliches Handeln auch außerhalb der klassischen Handlungsformen des öffentlichen Rechts ab. Man denke dabei nur an das beliebte Outsourcen von Aufgaben. Wollte man das IFG-SH nur auf die klassischen Betätigungsformen der Behörden beschränken, würde man damit dem gesetzlichen Grundanliegen nach mehr Transparenz in der Verwaltung nicht gerecht. Das Transparenzgebot ist gerade bei Vergabeverfahren von großer Wichtigkeit.

Zu prüfen wäre allenfalls gewesen, ob das betroffene Unternehmen für sich den Schutz seiner Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse in Anspruch nehmen konnte. Der Fall ist strittig geblieben, weil sich die Landesanstalt unserer Argumentation nicht anschließen wollte. Eine verwaltungsgerichtliche Klage ist nicht erhoben worden.

Was ist zu tun?
Die Bürgerinnen und Bürger sollten auch weiterhin ihre gesetzlichen Informationsrechte in Anspruch nehmen. Den Behörden steht es gut an, ihre Informationspflichten als Bürgerservice zu begreifen.

13.2

Informationen über das Informationsfreiheitsgesetz sind gefragt

Neben einer Vielzahl mündlicher und schriftlicher Anfragen zu Einzelfällen war eine spürbare Nachfrage nach Schulungen auf dem Gebiet der Informationsfreiheit zu beobachten. Außerhalb der regulären Kurse zum Informationsfreiheitsgesetz an der DATENSCHUTZAKADEMIE Schleswig-Holstein buchten einige Verwaltungen so genannte Inhouse-Veranstaltungen, die im Rahmen der DATENSCHUTZAKADEMIE Schleswig-Holstein vor Ort durchgeführt werden. Sie sind eine sinnvolle Alternative für den Fall, dass sich innerhalb der jeweiligen Verwaltung bzw. in Verwaltungen mehrerer Nachbarkommunen genügend interessierte Mitarbeiter finden. Veranstaltungen vor Ort als Inhouse-Seminare sind auch weiterhin möglich. Unsere Informationsmaterialien, insbesondere unsere Anwendungshinweise zum IFG-SH, werden rege nachgefragt. Interesse daran besteht offenbar weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus.

Umfangreiche Materialien zum Thema Informationsfreiheit haben wir auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt:

www.datenschutzzentrum.de/informationsfreiheit/

13.3

Entwicklung der Informationsfreiheit in Deutschland und in der EU

Im Mai 2001 verabschiedete das Europäische Parlament eine Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission. Damit hat jetzt jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedsstaat das grundsätzliche Recht auf freien Zugang zu Dokumenten der Organe der EU.

Grundlage des Informationsfreiheitsrechts ist, dass jedes Organ der EU ein Register über die bei ihm vorhandenen Dokumente öffentlich zugänglich machen muss, um eine wirksame Ausübung des Informationszugangsrechts durch die Bürger zu ermöglichen. Das Register soll für jedermann über das Internet abrufbar sein. Damit geht die Verordnung über das hinaus, was bislang Gegenstand der in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen geltenden Informationsfreiheitsgesetze ist: Während dort vorwiegend auf die in den jeweiligen Behörden vorhandenen Informationen abgestellt und nur in Einzelfällen auf eine aktive Zugänglichmachung der Informationen durch das Internet verwiesen wird, wird in der Verordnung unabhängig von einer Antragstellung die Veröffentlichung über das Internet vorangetrieben. Diese Regelung hat noch einen weiteren positiven Effekt: Durch sie kann der Bürger erfahren, welche Dokumente überhaupt bei den einzelnen Organen auf EU-Ebene vorhanden sind. Dies ist angesichts der auf EU-Ebene vorhandenen Vielfalt sicherlich ein großer Pluspunkt.

Positiv fallen ebenfalls zwei weitere Aspekte ins Gewicht: Zum einen sieht die Verordnung für die Bearbeitung von Informationszugangsanträgen - wie das IFG­SH übrigens auch - eine unverzügliche Bearbeitung vor; spätestens binnen 15 Tagen ergeht eine positive oder negative Entscheidung. Im Falle einer ablehnenden Entscheidung hat der Antragsteller dann die Möglichkeit, einen so genannten Zweitantrag, also eine Art Widerspruch, an das betreffende Organ zu richten und um Überprüfung seines Standpunkts zu ersuchen. Über diesen Zweitantrag muss ebenfalls unverzüglich, spätestens aber binnen 15 Arbeitstagen entschieden werden. Konsequenterweise muss das Organ im Falle einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung des Zuganges den Antragsteller über mögliche Rechtsbehelfe unterrichten.

Mit der Regelung, dass vom Antragsteller lediglich Kostenersatz für die Anfertigung von Kopien ab 20 DIN-A4-Seiten verlangt werden kann und Gebühren nicht erhoben werden, geht die Verordnung über die Forderungen des Europäischen Gerichtshofs in seiner Entscheidung über die Angemessenheit von Gebühren hinaus.

Ob sich die Verordnung in der täglichen Anwendungspraxis angesichts der recht unscharf formulierten Ausnahmetatbestände der öffentlichen und privaten Belange - hierunter fallen etwa der Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung oder auch der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen - bewähren wird, bleibt abzuwarten. Hier muss gegebenenfalls nach einer gewissen Zeit nachgebessert werden.

Auch angesichts der Regelung, dass ein aus einem Mitgliedsstaat stammendes Dokument nicht ohne weiteres ohne die vorherige Zustimmung dieses Mitgliedstaates verbreitet werden darf, kann es zu Schwierigkeiten kommen. Denkbar wäre z. B. der Fall, dass man, um an ein Dokument aus Deutschland zu gelangen, den Weg über Schweden wählt, in dem es bekanntlich bereits seit dem Jahre 1766 das Recht auf freie Akteneinsicht gibt. Hier wird man im Einzelnen ermitteln müssen, ob es auf die jeweilige Verfügungsgewalt oder auf den Verfasser des Dokumentes ankommt. Bei einem originär europäischen Dokument, also beispielsweise zu Enfopol, sind jedenfalls die europäischen Organe zuständig.

In der Gesamtschau lässt sich bereits heute das Fazit ziehen, dass der Zugang zu behördlichen Entscheidungen und Unterlagen der EU-Organe hoffentlich Signalwirkung für den Bundesgesetzgeber hat. Während auf Landesebene mit Nordrhein-Westfalen inzwischen ein weiteres Land über ein Informationsfreiheitsgesetz verfügt, kommt der Bundesgesetzgeber nicht voran. Angesichts der Untätigkeit auf Bundesebene verstärkt sich der Eindruck, dass der Gesetzgeber sein Gesetzesanliegen, das bereits seit 1998 Grundlage des Koalitionsvertrages auf Bundesebene ist, nicht mehr mit hinreichendem Nachdruck verfolgt.

Was ist zu tun?
Die Bürger sind eingeladen, ihre neuen Informationsrechte gegenüber den Organen der EU wahrzunehmen. Der Bund ist aufgefordert, sein angekündigtes Informationsfreiheitsgesetz zügig zu verabschieden.

13.4

Arbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten Deutschlands (AGID)

Die Informationszugangsbeauftragten von Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben sich zur Arbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten Deutschlands (AGID) zusammengeschlossen.

Die Arbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten Deutschlands (AGID) wurde Ende August 2000 in Kiel gegründet, um sich über die datenschutzrechtlichen Bezüge hinaus mit allgemeinen und speziellen Fragen des Informationszugangs zu befassen. Ihr gehören die Informationsbeauftragten der Bundesländer Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein an. Sie tagt zweimal im Jahr. Der Vorsitz wechselt halbjährlich. Im Berichtszeitraum führten Berlin und Schleswig-Holstein den Vorsitz. Ab dem 1. Februar 2002 ist der Vorsitz auf Nordrhein-Westfalen übergegangen, in dem es seit Anfang 2002 ebenfalls ein Informationsfreiheitsgesetz gibt.

Auch im Berichtszeitraum hat sich die Arbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten Deutschlands AGID wiederum in Berlin und Kiel getroffen, um über Fragen des Informationszuganges zu diskutieren. Dabei ging es neben dem Erfahrungsaustausch über die Gesetzespraxis in den beteiligten Ländern im Kern um die Entwicklung der Informationsfreiheit auf europäischer und auf Bundesebene. Begrüßt wurde das In-Kraft-Treten der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, wonach jetzt jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedsstaat das grundsätzliche Recht auf freien Zugang zu Dokumenten der Organe der EU hat.

Die Informationsbeauftragten halten es gerade vor dem Hintergrund dieser positiven Entwicklung auf europäischer Ebene (Tz. 13.3) für dringend geboten, dass der Bundesgesetzgeber sein bereits 1998 im Rahmen des Koalitionsvertrages angekündigtes Gesetzesvorhaben zügig in die Tat umsetzt. Die bisherigen Bemühungen zur Umsetzung der Ankündigung im Koalitionsvertrag lassen den Eindruck entstehen, als könnte das Vorhaben stillschweigend in der Schublade verschwinden. Mit der Realisierung des Informationsfreiheitsgesetzes auf Bundesebene hat es die Bundesregierung in der Hand, ein wichtiges Signal zu setzen: Die freiheitliche Demokratie braucht zu ihrem Funktionieren nicht nur wirksamen Schutz vor äußerer und innerer Bedrohung. Ebenso bedarf es gerade jetzt der Stärkung der Bürgerrechte. Nur so kann eine für das Bestehen des Rechtsstaates unabdingbare Balance zwischen staatlichen Eingriffsbefugnissen und grundrechtlich gewährleisteter Wahrnehmung der Bürgerrechte erreicht werden. Wenn die Bundesregierung auf diese Fragen nur einen geringen Bruchteil der Energie verwenden würde, die nach dem 11. September 2001 für die Verschärfung der Sicherheitsgesetze aufgebracht wurde, wäre eine Verabschiedung des Bundesinformationsfreiheitsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode möglich.





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