21. Tätigkeitsbericht (1999)



4.8

Schutz des Patientengeheimnisses

4.8.1

Gesetzgebungsvorhaben

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat uns im Berichtszeitraum den Entwurf eines Gesundheitsdienstgesetzes sowie eines Psychisch-Kranken-Gesetzes zukommen lassen. In beiden Fällen wurde auf besondere datenschutzrechtliche Bestimmungen verzichtet, da diese in einem Gesundheitsdatenschutzgesetz Aufnahme finden sollen. Eine solche Konzentration der Datenschutzregelungen im medizinischen Bereich wird von uns begrüßt, wenn damit zugleich eine Verbesserung des Schutzes der hochsensiblen medizinischen Daten erreicht wird. Seit Jahren steht das Ministerium im Wort, tätig zu werden. Ernüchternd war deshalb die aktuelle Mitteilung, daß in absehbarer Zeit die personellen und fachlichen Ressourcen für dieses Gesetzgebungswerk nicht zur Verfügung stünden. Zwar signalisierte das Ministerium erneut seine Absicht, inhaltlich einen "Großen Wurf" zu versuchen. Es sollen nicht nur das öffentliche, sondern auch das private Gesundheitswesen erfaßt und der Einsatz neuer Medien (z. B. Vernetzung, Chipkarten, digitale Krankenakte) einbezogen werden. Allein, die schönsten Absichtsbekundungen sind nichts wert, wenn ihnen keine Taten folgen.

Im Psychisch-Kranken-Gesetz fehlen nach unserer Auffassung Klarstellungen, die die medizinische Selbstbestimmung absichern (Einholung von Zustimmungen, Ermöglichung von Gegendarstellungen, Transparenz für die Betroffenen). Dieses Recht auf Selbstbestimmung steht auch psychisch Kranken zu. Werden deshalb Daten bei der Inanspruchnahme freiwilliger psychiatrischer Hilfen preisgegeben, so dürfen diese nicht ohne weiteres für Zwangsmaßnahmen, z. B. für eine zwangsweise Unterbringung genutzt werden.

Durch das Ende 1999 außer Kraft tretende Bundes-Krebsregistergesetz werden die Länder verpflichtet, flächendeckend bevölkerungsbezogene Register einzuführen bzw. nach Landesrecht weiterzuführen. Seit Beginn des Jahres 1998 ist ein solches Register in Schleswig-Holstein in Betrieb (vgl. 19. TB, Tz. 4.8.1). Um dieses nach Auslaufen des Bundesgesetzes auf eine Rechtsgrundlage zu stellen, wurde ein Gesetzentwurf des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vorgelegt. Das bisherige schleswig-holsteinische Modell wird mit kleinen Modifikationen beibehalten werden. Wir bleiben im Interesse des Datenschutzes sowohl im Rahmen der Gesetzgebung wie auch beim Betrieb des Registers und bei der Durchführung von Forschungsprojekten mit Registerdaten einbezogen.

4.8.2

Neufassung der Ärztlichen Berufsordnung

Die Ärztekammer möchte ihre Berufsordnung entsprechend einer bundesweiten Musterordnung überarbeiten. Damit soll das Standesrecht den neuesten rechtlichen und technischen Entwicklungen angepaßt werden. Aus der Sicht der Patienten besteht Nachbesserungsbedarf.

Gegen die geplante Übernahme der bundesweiten Musterordnung durch die Ärztekammer Schleswig-Holstein mußten wir Bedenken anmelden. Dies betraf zunächst die Einsicht der Patientinnen und Patienten in Akten, die bezüglich Teilen, "welche subjektive Eindrücke oder Wahrnehmungen des Arztes enthalten", ausgeschlossen werden soll. Damit knüpft die Regelung an eine alte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) aus den 80er Jahren an, obwohl inzwischen neuere patientenfreundlichere Urteile vorliegen. Daraus ergibt sich, daß Akteneinsicht für Patienten kein Gnadenakt ist, sondern Bestandteil mediziicher Selbstbestimmung. Die vorgesehene Ausnahme vom Akteneinsichtsrecht der Patienten ist deshalb viel zu weit formuliert. Leider war die Ärztekammer nicht bereit, ihren Entwurf entsprechend zu verbessern.

Dies gilt auch für die Regelung des Umgangs mit dem Patientenarchiv im Fall einer ärztlichen Praxisaufgabe bzw. -übergabe. Mit der vorgesehenen Anordnung, die Patientenakten in diesen Fällen "in gehörige Obhut" zu geben, sind die strengen Regeln der jüngsten Rechtsprechung des BGH nicht ausreichend berücksichtigt. Danach muß der Wille der Betroffenen beim Übergang der Verantwortung über die Patientenakten erkundet und berücksichtigt werden. Dies bedeutet, daß in jedem Fall zuerst versucht werden muß, die Einwilligung der Patienten zu erlangen.

Die Ärztekammer wie auch das Gesundheitsministerium erkannten die von uns aufgezeigten Probleme an. Dennoch war es nicht möglich, klarere und patientenfreundlichere Regelungen durchzusetzen. Wir werden der Ärztekammer präzisierende Erläuterungen vorlegen, damit negative Auswirkungen auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Patienten soweit wie möglich vermieden werden.

Was ist zu tun?
Die Schwächen der neuen Berufsordnung sind im Rahmen der Auslegung und Anwendung auszugleichen.

4.8.3

Patientenakten für die Kassenzahnärztliche Vereinigung?

Bei der notwendigen Kontrolle der Abrechnung medizinischer Leistungen muß Rücksicht auf das Patientengeheimnis genommen werden. Konflikte lassen sich auf Dauer nur durch eine sachgerechte Datenorganisation bei den Ärzten vermeiden.

Geld ist im Gesundheitswesen zum zentralen Konfliktanlaß geworden: Wer muß welche medizinischen Kosten tragen? Wo bestehen Einsparpotentiale? Welche Leistungen sind überflüssig oder überteuert? Bei der Abrechnung medizinischer Leistungen werden naturgemäß personenbezogene Daten offenbart, die dem besonderen Schutz der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Hier gilt es Lösungen zu finden, die das notwendige Maß an Nachprüfung von Abrechnungen ebenso wie das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient berücksichtigen. Es ist daher kein Wunder, daß auch die Datenschutzbeauftragten in die Diskussionen über die Finanzierung des Gesundheitssystems hineingezogen werden.

Eine Zahnärztin beschwerte sich darüber, daß sie von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) aufgefordert worden war, "zur sachlich-rechnerischen Überprüfung und ggf. Berichtigung Ihrer kons.-chir. Abrechnungen II/96 und III/96" u. a. die Kopien von 134 Patientenkarteikarten vorzulegen. Insgesamt sollte sie Unterlagen über 262 Personen einreichen.

Tatsächlich sieht das Sozialgesetzbuch V zur Rechnungskontrolle die Vorlagepflicht von Befunden bei der Kassenärztlichen Vereinigung vor. Anhand der vollständigen Beschreibung der erbrachten Leistung sollen Plausibilitätskontrollen ermöglicht werden. Genügen diese Prüfungen nicht, so sieht das Gesetz eine Wirtschaftlichkeitsprüfung oder eine Kontrolle durch den Medizinischen Dienst vor. Das Vorlegen vollständiger Karteikarten an die KZV geht aber weit über das Erforderliche hinaus, da hierauf auch andere Angaben als Befunde sowie Angaben über Behandlungen außerhalb des Überprüfungszeitraumes enthalten sind. So teilte die Petentin mit, daß unter den von ihr Behandelten auch ein Mitarbeiter der KZV sei. Bei Vorlage der gesamten Karteikarte hätte die KZV hochsensible Informationen über einen ihrer eigenen Bediensteten erfahren können.

Obwohl eine solch weitgehende Datenoffenbarung unzulässig ist und für die Ärztin diese zu einer strafrechtlich relevanten Verletzung ihrer Schweigepflicht geführt hätte, sah sich die KZV nicht gehindert, eine Entscheidung "nach Aktenlage" anzukündigen, sollten nicht endlich die Unterlagen vorlegt werden. Die Zahnärztin erklärte sich bereit, für eine umfassende Abrechnungskontrolle mit all ihren Karteikarten in die KZV zu kommen, um dann auf Nachfrage gezielt Einblick in ihre Unterlagen zu geben. Dies war aber für die KZV "aus verwaltungspraktischen Erwägungen" nicht gangbar. Die von der KZV vorgeschlagene Schwärzung aller überschüssigen Informationen auf den Karteikarten wollte wiederum die Petentin wegen des damit verbundenen unverhältnismäßigen Aufwandes nicht akzeptieren. Bei Redaktionsschluß war die Sache noch nicht entschieden.

Was ist zu tun?
Die Ärztinnen und Ärzte sollten angehalten werden, ihre Patientenunterlagen von vornherein so zu organisieren, daß die absehbar abrechnungsrelevanten Angaben problemlos von den besonders sensiblen medizinischen Zusatzinformationen zu trennen sind.


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