21. Tätigkeitsbericht (1999)



4.6

Wirtschaft, Technik, Verkehr

4.6.1

Ausführungsgesetz zur Insolvenzordnung

Seit Anfang 1999 gilt ein völlig neues Verfahren bei Insolvenzen von Privatpersonen. Durch das schleswig-holsteinische Ausführungsgesetz werden die sensiblen Schuldnerdaten besonders geschützt.

Durch das neue Verfahren zur Verbraucherinsolvenz erhalten "geeignete Stellen" die Aufgabe der Durchführung der außergerichtlichen Schuldenregulierung für Verbraucher. Hierbei soll ein Interessenausgleich zwischen Schuldnern und Gläubigern mit dem Ziel der vollständigen Schuldenfreiheit nach Ablauf von sieben Jahren erreicht werden. So sehr diese Neuregelung im Interesse der Verbraucher zu begrüßen ist, so ist doch zu bedenken, daß bei diesem Verfahren hochsensible Daten anfallen: Angaben zu den finanziellen Verhältnissen, Hintergründe der Verschuldung, familiäre und persönliche Konflikte, Alkohol- oder sonstiger Drogenkonsum, Probleme am Arbeitsplatz, Kriminalität usw.

Natürlich muß hier "Datenschutz" besonders groß geschrieben werden. Weil privatrechtlich organisierte Schuldnerberatungsstellen nach dem Bundesdatenschutzgesetz überhaupt keinem Datenschutzrecht unterliegen würden, wenn sie die Daten nur in Akten verarbeiten, haben wir dem Landtag vorgeschlagen, sie generell dem Landesdatenschutzgesetz zu unterwerfen. Der Landtag ist diesem Vorschlag gefolgt, so daß auch private Schuldnerberatungsstellen wie öffentliche Stellen behandelt werden. Dies hat für die Betroffenen eine Vielzahl von Vorteilen: Die Daten unterliegen einer strengen Zweckbindung; die Datenschutzkontrolle wird von uns wahrgenommen, ohne daß es einer konkreten Beschwerde bedarf; auch sensible Daten in Akten werden geschützt. Zudem wird dadurch sichergestellt, daß bei privaten und öffentlichen Schuldnerberatungsstellen kein unterschiedliches Datenschutzrecht gilt.

Was ist zu tun?
Die "Schuldnerberatungsstellen" haben ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Anforderungen des Landesdatenschutzgesetzes zu unterrichten und die notwendigen technischen und organisatorischen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.

4.6.2

Notwendige Kammermitteilung oder öffentlicher Pranger?

Bundesweit war es bei den Steuerberaterkammern Praxis, wettbewerbsrechtliche Gerichtsurteile gegen einzelne Personen zu veröffentlichen. In Schleswig-Holstein wird dies künftig unterbleiben.

Den Steuerberatern sollte durch die Veröffentlichung von Gerichtsurteilen über die Untersagung von Steuerberatungstätigkeiten die Möglichkeit gegeben werden, die Einhaltung der Unterlassungserklärungen zu kontrollieren und Verstöße hiergegen der Kammer anzuzeigen. Diese Praxis stieß natürlich auf wenig Gegenliebe bei den Betroffenen, die sich öffentlich bloßgestellt fühlten. Sie baten uns um Klärung der Frage, ob die Veröffentlichung ihrer Namen zulässig war. Sie berichteten, daß die Mitteilungen von Steuerberatern in einzelnen Fällen auch dazu genutzt wurden, den nicht zugelassenen Buchprüfern anzubieten, der abgemahnten Tätigkeit unter ihrem Firmenmantel nachzugehen.

Bei der Veröffentlichung der Daten in einer Zeitschrift handelt es sich um eine Übermittlung an nichtöffentliche Stellen. Auch wenn es zu den Aufgaben der Kammer gehört, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, so ist hieraus nicht die Befugnis abzuleiten, derartige Veröffentlichungen vorzunehmen. Von den in Schleswig-Holstein durch die Steuerberaterkammer erstrittenen Unterlassungserklärungen waren ca. 10 % "Wiederholungsfälle". Selbst in diesen Fällen führten nicht die Veröffentlichungen in den Kammermitteilungen zur Anzeige. Die Kammer verzichtet nach unserer Intervention in Zukunft auf die personenbezogene Veröffentlichung erwirkter Unterlassungserklärungen. Die Sachverhalte sollen in einer Form dargestellt werden, die eine Zuordnung zu konkreten Personen nicht mehr ermöglicht. Auch in anderen Ländern konnten die Datenschutzbeauftragten die Steuerberaterkammern zu einer Änderung ihrer Praxis bewegen.

Was ist zu tun?
Die Veröffentlichung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungserklärungen muß künftig in einer Form erfolgen, bei der keine Rückschlüsse auf konkrete Personen möglich ist.

4.6.3

Alle Autobahngegner auf einen Blick

Der Neubau der Autobahn von Lübeck nach Rostock wirft nicht nur ökologische und politische Probleme auf. Im Planfeststellungsverfahren wurden auch datenschutzrechtliche Standards nicht beachtet.

Der über 300 Seiten dicke Planfeststellungsbeschluß für den ersten Streckenabschnitt der A 20 hatte datenschutzrechtliche Haken. Auf 14 eng bedruckten Seiten wurden die Namen aller Einwenderinnen und Einwender aufgelistet. Mitgeliefert wurden teilweise auch Adresse, Flurstücknummer sowie genaue Angaben zu den örtlichen und persönlichen Gegebenheiten. Erkennbar war auch, ob sich ganze Familien dem Straßenprojekt widersetzen. Zwar wurden einzelne Einwendungen im Interesse des Persönlichkeitsschutzes gesondert beschieden. Im zentralen Beschlußtext unterblieb aber jede Form der Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung. Kein Wunder, daß dies einigen Betroffenen nicht gefiel.

Im Jahr 1990 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß es für eine ordnungsgemäße Begründung von Planfeststellungsbeschlüssen nicht erforderlich ist, daß die geltend gemachten Einwendungen personenbezogen veröffentlicht werden. Unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes der Betroffenen genüge es, daß den Betroffenen eine Nummer bekannt gegeben werde, unter der ihre Daten in den Planfeststellungsbeschluß aufgenommen worden sind. Auf diese Weise können individuelle Einwendungen der jeweiligen Person richtig zugeordnet werden.

Diese Rechtsprechung wurde vom Landesamt für Straßenbau ignoriert. Auf unsere Beanstandung hin sagte es jetzt zu, in Zukunft Planfeststellungsbeschlüsse hinreichend zu anonymisieren. Die Einwender werden bei der Zustellung des Beschlußtextes über ihre jeweilige Kennziffer individuell informiert.

Was ist zu tun?
Bei der Veröffentlichung von Planfeststellungsbeschlüssen ist darauf zu achten, daß die personenbezogenen Angaben über Einwender verschlüsselt dargestellt werden.

4.6.4

"Videokameras" an Autobahnbrücken?

An vielen Autobahnbrücken sind in den letzten Monaten technische Systeme, die Videokameras ähneln, installiert worden. Bürger wandten sich mit der Frage an uns, ob dies der Auftakt zur totalen Überwachung sei.

An vielen Autobahnbrücken wurden im vergangenen Jahr solarbetriebene Geräte für ein Verkehrsinformations- und Leitsystem installiert. Diese Geräte sehen aus wie Videokameras und veranlaßten Bürger zu der Annahme, daß es sich hierbei um neue Überwachungsgeräte handelt, mit denen womöglich Bewegungsprofile erstellt werden können. Unsere Anfrage beim Verkehrsministerium ergab, daß das von einer Privatfirma betriebene System lediglich die Anzahl der die Meßgeräte passierenden Fahrzeuge und deren Geschwindigkeit erfaßt. Diese Informationen werden z. B. als Grundlage für Staumeldungen im Rundfunk benutzt.

Darüber hinaus werden diese Daten der Straßenbauverwaltung für statistische und planerische Zwecke überlassen. Auch die Straßenverkehrsbehörden, die Polizei und die Katastrophenschutzbehörden können diese Informationen nutzen. Ein Personenbezug kann mit ihnen jedoch nicht hergestellt werden. Aus den uns vorliegenden Verträgen zwischen den beteiligten Stellen ist auch nicht die Absicht erkennbar, künftig das individuelle Fahrverhalten zu überwachen. Das Verfahren ist also derzeit datenschutzrechtlich unbedenklich.

4.6.5

Zulassungsstellen sind keine Dienstleister für Versicherungen

Es gehört nicht zu den Aufgaben von Zulassungsbehörden, Kfz-Versicherungen von sich aus anläßlich der Vorlage von Versicherungsdoppelkarten vor möglichen Betrügern zu warnen.

Eine Kraftfahrzeugzulassungsbehörde erhielt von der Polizei den Hinweis, daß eine bestimmte Person womöglich unter Vorlage einer erschlichenden Versicherungsbescheinigung (sogenannte Versicherungsdoppelkarte) ein Fahrzeug anmelden wolle. Dieser Hinweis wurde gespeichert. Als der Betroffene tatsächlich in der Zulassungsstelle erschien, um ein Fahrzeug anzumelden, setzte sich der Sachbearbeiter mit der Versicherung in Verbindung. Diese teilte mit, sie sei nicht bereit, das Fahrzeug zu versichern. Er versuchte es daraufhin erneut unter Vorlage der Versicherungsdoppelkarte einer anderen Versicherung. Der Vorgang wiederholte sich: Auch diese Versicherung verweigerte auf Nachfrage durch die Zulassungsbehörde den Versicherungsschutz. Der Betroffene vertrat die Ansicht, die Zulassungsbehörde müsse ein Fahrzeug zulassen, wenn eine Versicherungsdoppelkarte vorgelegt werde. Rückfragen bei der Versicherung seien unzulässig.

Tatsächlich ist die Zulassungsbehörde nach den Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung nicht berechtigt, die Gültigkeit einer korrekt ausgefüllten Versicherungsdoppelkarte einer Versicherung anzuzweifeln und bei der Versicherung nachzufragen. Dies gilt selbst dann, wenn der Zulassungsbehörde Hinweise vorliegen, daß der Betreffende tatsächlich verdächtig ist, Betrugsdelikte im Zusammenhang mit Kfz-Versicherungen begangen zu haben. Das Verkehrsministerium teilt unsere Rechtsauffassung. Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, daß die Kfz-Versicherungen bei der Ausgabe der Versicherungsdoppelkarten im eigenen Interesse ausreichende Sorgfalt walten lassen müssen und nur denjenigen Personen einen Versicherungsnachweis für die Zulassungsstellen aushändigen, mit denen sie auch tatsächlich einen Versicherungsvertrag abschließen wollen. Wir haben deshalb die Verfahrensweise der Zulassungsbehörde beanstandet. Diese teilte uns daraufhin mit, sie werde zukünftig entsprechende Rückfragen bei den Versicherungen unterlassen.



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