20. Tätigkeitsbericht (1998)



4.9

Kultusbereich

4.9.1

Wenn vertrauliche Papiere bei der Zeitung statt im Reißwolf landen

Ein Schulleiter beauftragte Schüler mit der Beseitigung von "Altpapier", das vertrauliche Daten enthielt. Durch eine Panne gelangten die Unterlagen an die Presse. Der Schulleiter machte die Erfahrung, wie Datenschutz blitzschnell "Chefsache" werden kann.

"Datenskandal an der Schule" lauteten die Schlagzeilen, die sogar zu einer Erörterung des Falles im Bildungsausschuß des Landtages führten. Was war geschehen? Eine Schule wollte Platz schaffen und hatte sorgsam getrennt: Eine Reihe von Kartons enthielt Altpapier und Pappe sowie unverfängliche Unterlagen ohne Personenbezug. Ein Karton war mit solchen Papieren gefüllt, die sorgsam vernichtet werden sollten; denn sie enthielten u. a. personenbezogene Daten aus Schülerakten wie Tadel, Entschuldigungsschreiben, Entwicklungsberichte, Protokolle von Elterngesprächen und ähnliches. Dieser Container war vor dem Schulsekretariat abgestellt worden und sollte in der Aktenvernichtungsanlage des Schulträgers entsorgt werden.

Der Schulleiter ließ nun eine Schulklasse das Altpapier in die entsprechenden Container der Müllabfuhr bringen. Ein Behälter konnte darin nicht mehr untergebracht werden und blieb auf der Straße stehen. Es war ausgerechnet der mit den sensiblen Unterlagen, den die Schülerinnen und Schüler versehentlich zusammen mit den anderen Kartons abtransportiert hatten. Passanten fanden die Papiere und leiteten einige der Unterlagen der Presse zu.

Wir haben diesen Vorfall als erheblichen Verstoß gegen Datenschutzvorschriften beanstandet, denn der Schulleiter hätte die Vernichtung der sensiblen Daten sorgsamer überwachen müssen.

Was ist zu tun?
Der Umgang mit sensiblen Verwaltungsunterlagen, und dazu gehört auch deren Vernichtung, ist sorgfältig zu organisieren und zu kontrollieren. Die Verantwortung dafür trägt der Behördenleiter.

4.9.2

Der kurze Draht zwischen Kindergarten und Schule

Auffälligkeiten von Kindern im Kindergarten dürfen der Schule nur unter bestimmten Voraussetzungen mitgeteilt werden.

Ein Kind besuchte die erste Klasse einer Grundschule und war wegen einer leichten Wahrnehmungsstörung nicht so leistungsfähig wie andere Kinder seiner Klasse. Die Klassenlehrerin, die den Unterricht der Klasse erst im Laufe des Schuljahres übernommen hatte, empfahl dem Vater deshalb den Wechsel in die Förderschule. Der Vater wandte ein, daß sie seinen Sohn doch erst seit kurzem kenne. Die Lehrerin verwies jedoch darauf, daß ihre bei einem früheren Besuch im Kindergarten gemachten Beobachtungen durch das jetzige Verhalten des Kindes bestätigt würden. Der Vater hielt es für unzulässig, Verhaltensdaten von Kindergartenkindern zu erfassen und diese dann in der Schule weiter zu verwenden.

Es stellt sich die Frage, ob die Schule schon Verhaltensbeobachtungen im Kindergarten vornehmen darf, bevor die Kinder überhaupt in die Schule aufgenommen werden. Die Schule teilte uns dazu zunächst mit, es würden keine Verhaltensdaten im Kindergarten erhoben, sondern nur - wie auch vom Kindertagesstättengesetz zur Vorbereitung auf den schulischen Alltag gefordert - Kontakte zum Kindergarten gepflegt, um den schulpflichtig werdenden Kindern z. B. durch einen Tagesbesuch bei der zukünftigen Schule den Übergang zu erleichtern. Es mußte jedoch auf unsere Nachfrage eingeräumt werden, daß in diesem Falle wohl doch Verhaltensdaten im Kindergarten ermittelt wurden. Der Träger des kommunalen Kindergartens war der Auffassung, daß die Zulässigkeit sich bereits aus dem Zusammenarbeitsgebot des Kindertagesstättengesetzes ergebe.

Nach dem Schulgesetz ist vor der Einschulung eine Schulreifeuntersuchung durchzuführen, von deren Ergebnis die Schule unterrichtet wird. Der Schularzt stellt dabei fest, ob ein Kind aufgrund seiner Entwicklung in der Lage ist, den Anforderungen der Grundschule zu folgen, oder ob gegebenenfalls eine andere Schulform angeraten ist. Bei der Untersuchung soll zumindest ein Elternteil anwesend sein, sie erfolgt also mit Kenntnis der Erziehungsberechtigten. Auch die Ergebnisse eines etwaigen Schulreifetests müssen mit den Eltern besprochen werden. Diese Maßnahmen beginnen jedoch erst, wenn die Eltern aufgefordert werden, ihr Kind zur Schule anzumelden. Die Schule hat somit bis zur Einschulung des Kindes keine Berechtigung, Leistungs- oder Verhaltensdaten zu erheben.

Während unsere Rechtsauffassung bei der Schule auf wenig Gegenliebe stieß, hat der Träger des kommunalen Kindergartens reagiert. Er hat seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf hingewiesen, daß Verhaltens- und Leistungsdaten von Kindern nur mit Einverständnis der Eltern übermittelt werden dürfen.

Was ist zu tun?
Das Bildungsministerium sollte den Schulen gegenüber klarstellen, welche Informationen die Schulen für die Feststellung der Schulreife erhalten dürfen.

4.9.3

Ewiger Zankapfel: Unterrichtung der Elternvertreter

Immer wieder wehren sich einzelne Eltern dagegen, daß Elternbeiratsmitglieder Unterlagen über ihre Kinder einsehen. Bislang möchte das Kultusministerium keine Abhilfe schaffen.

Schon im 18. Tätigkeitsbericht (Tz. 4.9.5) sprachen wir es an: Es sind Fälle denkbar, in denen die berechtigten Interessen von Eltern oder Schülern eigentlich dazu zwingen, Mitgliedern der Elternvertretung Einsicht in Unterlagen von Einzelfällen zu verweigern, auch wenn z. B. in Zeugniskonferenzen Teilnahme- und Beratungsrechte der Elternvertreter bestehen. Häufig handelt es sich um Fälle, in denen Familien aufgrund nachbarrechtlicher oder anderer Streitigkeiten verfeindet sind. Im vergangenen Jahr fragte wiederum eine Schule an, ob Eltern der Information der Elternvertreter über Zeugnisnoten widersprechen können.

Das Bildungsministerium wies bislang immer darauf hin, daß die Klassenelternbeiratsvorsitzenden gesetzliche Mitglieder der Klassenkonferenz seien, bei Zeugnis- oder Versetzungskonferenzen zur Teilnahme mit beratender Stimme eingeladen würden und vor dem Hintergrund dieser im Gesetz festgelegten Position den Eltern der betroffenen Schüler kein Widerspruchsrecht gegen Informationen der Elternvertreter eingeräumt werden könne. Es gälten die allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts, die entsprechende Einschränkungen nicht vorsähen. Überdies unterlägen die ehrenamtlich tätigen Elternvertreter der Verschwiegenheitspflicht. Wolle man hier in speziellen Situationen Sonderregelungen einführen, so dürfe das nur im Rahmen einer Gesamtschau über vergleichbare Verfahren geschehen, wie sie auch bei anderen Ausschuß-, Konferenz- und Gremienentscheidungen ablaufen.

Wir meinen, daß man ohne große Probleme in begründeten Konfliktfällen durch die Einräumung einer Widerspruchsmöglichkeit Abhilfe schaffen könnte. Die den Elternvertretungen mit ihrer Wahl übertragene Aufgabe, Rechte von Schülern und Eltern zu vertreten, läßt eine Parallele zu solchen ehrenamtlich tätigen Personen nicht zu, die die Allgemeinheit bzw. das Allgemeinwohl zu vertreten haben. Die Diskussionen mit dem Bildungsministerium über die Notwendigkeit, klarere Regelungen im Schulgesetz zu schaffen, werden fortgesetzt werden müssen.

Was ist zu tun?
Eltern sollte ein (zu begründendes) Widerspruchsrecht gegen die Unterrichtung des Elternbeirats über Angelegenheiten ihres Kindes eingeräumt werden.


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