20. Tätigkeitsbericht (1998)



4.4

Justizverwaltung

4.4.1

MEGA/MESTA

Die Automatisierung bei der Justiz wird mit Nachdruck vorangetrieben. Die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen konnte der Justizminister aber immer noch nicht fertigstellen.

Im 19. Tätigkeitsbericht (Tz. 4.4.1) hatten wir darüber berichtet, wie sich aus dem ursprünglich lediglich als Pilotprojekt angelegten Einsatz des Systems MEGA bei einem Amtsgericht plötzlich der Echtbetrieb in acht Amtsgerichten entwickelte. Ende 1997 lief MEGA bereits in zwölf Amtsgerichten. Besonders bemängelt hatten wir, daß ein so wichtiges Verfahren weitgehend ungeregelt eingeführt wurde. Es fehlte an begleitenden Vorschriften, die Einzelheiten der Datenverarbeitung regeln und technische und organisatorische Vorgaben für das Verfahren MEGA machen.

Leider hat sich an dieser Situation bis zum Redaktionsschluß des Tätigkeitsberichtes nichts geändert. Zwar hatten wir mehrfach Gelegenheit, uns zum Entwurf einer Dienstanweisung des Justizministeriums zu äußern und unsererseits Vorschläge zu machen. Wegen der komplizierten Regelungsmaterie und der verschiedenen dabei zu beteiligenden Gremien (Personalrat, Richterrat etc.) kam es bisher aber nicht zu einem Beschluß über den sogenannten Betriebserlaß. Positiv hervorzuheben ist allerdings, daß er - wenn er denn in Kraft tritt - nicht nur für den Einsatz des Verfahrens MEGA in den Gerichten gelten wird, sondern für sämtliche automatisierten Verfahren in den Justizbehörden.

Auch über das Verfahren MESTA haben wir im letzten Tätigkeitsbericht (Tz. 4.4.2) berichtet. Über den Fortschritt der Konzeption waren wir recht gut und frühzeitig unterrichtet. Unsere Stellungnahmen wurden von der Lenkungsgruppe aufgenommen und diskutiert. Wir hatten - ebenso wie Vertreter der Datenschutzbehörden der anderen beteiligten Länder - Gelegenheit, vorzutragen, welche Anforderungen aus datenschutzrechtlicher Sicht an das Verfahren zu stellen sind.

Nachdem in den übrigen beteiligten Bundesländern die Pilotphase von MESTA bei jeweils einer Staatsanwaltschaft bereits im Jahr 1997 startete, hat auch in Schleswig-Holstein zum Jahreswechsel mit der Pilotierung bei der Staatsanwaltschaft Flensburg begonnen.

MESTA stellt gegenüber dem zur Zeit bei den Staatsanwaltschaften im Land eingesetzten Verfahren GAST eine entscheidende Weiterentwicklung dar. Neben dem aus GAST bekannten Informationssystem über Beschuldigten- und Verfahrensdaten (vgl. 18. TB, Tz. 4.4.1) sollen künftig auch die Vorgänge selbst mit EDV-Unterstützung bearbeitet werden. Dazu sind Standardsoftwareprodukte im Bereich der Textverarbeitung mit MESTA verknüpft. Für häufig vorkommende staatsanwaltschaftliche Schreiben werden Standardtexte aufgerufen, die fallspezifischen Daten werden unmittelbar aus der MESTA-Datenbank übernommen.

Als Rechtsgrundlage für MESTA besteht das "Gesetz über die staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister" (StARegG) vom Januar 1996 (vgl. 18. TB, Tz. 4.4.1). Dieses in der Bundesrepublik bislang einmalige Regelungswerk definiert den Umfang der Daten, die in die MESTA-Datenbank aufgenommen werden dürfen. Neben den Verfahrensdaten sind dies in der Regel nur die Daten der Beschuldigten, lediglich in Ausnahmefällen werden Personendaten der Geschädigten oder Anzeigenden gespeichert. Die Daten bleiben für zwei Jahre im landesweiten Zugriff, d. h. es kann von allen fünf Staatsanwaltschaften aus auf sie zugegriffen werden. Weitere drei Jahre sind die Daten lediglich im Zugriff der Staatsanwaltschaft, die sie eingespeichert hat. Danach dürfen die Daten nur noch verwendet werden, um die Akte oder einzelne Schriftstücke (z. B. Urteile), die nach wie vor in Papierform aufbewahrt werden, in der Registratur zu erschließen. Eine Errichtungsanordnung wurde zu Beginn der Pilotierung in Kraft gesetzt und regelt die Einzelheiten des Verfahrens.

Trotzdem sind derzeit noch viele Fragen offen. So sollen die Berechtigungen der Bediensteten, auf bestimmte Datengruppen zuzugreifen, erst auf Ebene der einzelnen Staatsanwaltschaften festgelegt werden. Es wird darauf zu achten sein, daß die Zugriffsbefugnisse bei der Vorgangsbearbeitung streng an der jeweiligen Zuständigkeit orientiert vergeben werden. Gerade angesichts des großen Kreises künftiger Benutzer von MESTA muß die unbefugte Kenntnisnahme sensibler Strafverfahrensdaten sicher ausgeschlossen werden. Die von uns geforderte verschlüsselte Datenübermittlung zwischen den einzelnen Staatsanwaltschaften wird es jedenfalls in der Pilotierungsphase noch nicht geben. Zunächst soll abgewartet werden, ob das Land ein Gesamtkonzept für die Datenverschlüsselung bei der Übertragung von Daten öffentlicher Stellen entwickelt. Auch die Frage der Protokollierung der Datenabfragen ist nicht zu unserer vollständigen Zufriedenheit geklärt worden. Zwar werden die schreibenden Zugriffe vollständig protokolliert. Eine Protokollierung der nur lesenden Zugriffe (Abfragen) wird jedoch voraussichtlich nicht erfolgen, da dies angeblich die Systemressourcen zu stark beanspruchen und das Verfahren damit verlangsamen würde.

Was ist zu tun?
Der Betriebserlaß sollte so schnell wie möglich ergehen. Die noch offenen Fragen bei MESTA sollten vom Justizministerium und den einzelnen Staatsanwaltschaften weiterhin in Zusammenarbeit mit uns geklärt werden.

4.4.2

Informationsfluß beim Täter-Opfer-Ausgleich

Wenn Aufgaben, die bisher dem staatlichen Bereich zugeordnet waren, künftig von Privaten wahrgenommen werden, verschlechtert sich in aller Regel der datenschutzrechtliche Standard. Beim Täter-Opfer-Ausgleich wurden Sicherungen eingezogen, nachdem wir auf Bitten der Gerichtshelfer tätig wurden.

In einem Erlaß des Generalstaatsanwaltes aus dem Jahre 1996 wurde darauf hingewiesen, daß von der Möglichkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs (TOA) verstärkt Gebrauch gemacht werden solle. Außerdem wurden dort Anwendungsfälle, Beteiligte und Verfahren des TOA festgelegt. Wegen des gesetzlich vorgeschriebenen Grundsatzes der Subsidiarität sollen bei der Durchführung des TOA vor allem die freien Träger der Straffälligenhilfe eingesetzt werden. Nur in wenigen Fällen werden noch die beim Land beschäftigten Gerichtshelfer selbst tätig. Die Einschaltung der freien Träger soll nach der Verfügung in der Weise erfolgen, daß die Staatsanwaltschaft "die notwendigen Informationen" an die freien Träger übermittelt. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, daß eine Einverständniserklärung der Beteiligten für die Übermittlung nicht erforderlich sei. In der Praxis bedeutet dies, daß dieser strafgerichtlichen Akte von der Staatsanwaltschaft den freien Trägern ohne weitere Prüfung übermittelt wird.

Das Problem besteht darin, daß das Datenschutzrecht, das für die freien Träger der Straffälligenhilfe gilt, weit unter dem Standard des Landesdatenschutzgesetzes bleibt. Es kommt lediglich der dritte Abschnitt des Bundesdatenschutzgesetzes zur Anwendung, der allgemein das Datenschutzrecht bei nichtöffentlichen Stellen regelt. Diese Art von "Outsourcing" darf jedoch nicht dazu führen, daß das Datenschutzniveau für die Betroffenen unzumutbar absinkt, wenn die Strafverfahrensakten von der Staatsanwaltschaft ohne weitere Sicherungsmaßnahmen an die freien Träger weitergegeben werden. Andererseits ist aus Sicht der mit dem TOA befaßten Stellen nachvollziehbar, daß eine vorherige Einverständniserklärung aller Beteiligten vor der Informationsübermittlung im Regelfall nur unter großem Aufwand eingeholt werden kann. In der Praxis würde die Einholung dieser Einverständniserklärung bereits darauf hinauslaufen, daß mit allen Beteiligten gesprochen und insoweit der TOA fast vorweggenommen wird.

Wir haben die Fragen zunächst mit dem Generalstaatsanwalt erörtert, der uns bei der Einschätzung der Problemlage grundsätzlich zustimmte. Mit dem Justizministerium, das für die Beauftragung der freien Träger bei der Durchführung des TOA zuständig ist, haben wir sodann folgendes Vorgehen vereinbart:

Die Gewährung von Finanzmitteln für die freien Träger erfolgt im Wege der Projektförderung. Dem Förderbescheid an die einzelnen geförderten freien Träger wird künftig eine Anlage beigefügt, die dem LDSG entsprechende Bestimmungen zum Datenschutz enthält und die von den freien Trägern zu beachten ist. Neben einem Hinweis auf die Vertraulichkeit und besondere Sensibilität der Daten und die strikte Zweckbindung ihrer Verarbeitung wird u. a. die Pflicht festgeschrieben, nach Durchführung eines TOA sämtliche Unterlagen zurückzugeben und alle Speicherungen zu löschen. Weiterhin wird der Projektträger verpflichtet, Kontrollen durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz zuzulassen.

Somit ist sichergestellt, daß es in diesem sensiblen Bereich nicht zu einem unvertretbaren Risiko für die datenschutzrechtlichen Belange der Betroffenen kommt. Wir werden im Rahmen unserer Kapazitäten durch punktuelle Kontrollen nachprüfen, wie der Datenschutz bei den freien Trägern in der Praxis gehandhabt wird.

Was ist zu tun?
In Fällen wie diesen, in denen öffentliche Aufgaben an Private übertragen werden, sollten die öffentlichen Stellen auch bedenken, daß dies nicht zum Verlust der Rechte der Betroffenen führen darf. Gegebenenfalls ist zu überlegen, wie Private den datenschutzrechtlichen Regelungen des LDSG unterworfen werden können.

4.4.3

Umfang beglaubigter Ausfertigungen von Scheidungsurteilen

Werden Scheidungsurteile zur Vorlage bei anderen Stellen angefordert, reicht es in der Regel, wenn bloß der Urteilstenor von den Gerichten herausgegeben wird. So soll von jetzt ab verfahren werden, wenn nicht ausdrücklich das komplette Urteil beantragt wird.

Eine Petentin hatte bei dem Landgericht Kiel eine beglaubigte Fotokopie des Scheidungsurteils ihrer Mutter angefordert, um diese bei einem Bestattungsunternehmen vorzulegen. Hierfür wäre es ausreichend gewesen, lediglich den Urteilstenor weiterzuleiten, aus dem sich ergibt, wann die Ehe rechtskräftig geschieden wurde. Wahrscheinlich aufgrund eines Mißverständnisses zwischen der Petentin und dem zuständigen Beamten der Geschäftsstelle wurde jedoch eine Kopie des kompletten Urteils mit Schuldspruch, Anhörung der Zeugen usw. übersandt.

Das Landgericht Kiel berief sich in einer Stellungnahme darauf, daß es Sache des Antragstellers sei, ein verkürztes Scheidungsurteil zu beantragen, wenn lediglich der Urteilstenor gebraucht werde. Dagegen spricht jedoch, daß viele Bürger, die mit der Materie nicht so vertraut sind, an diese Möglichkeit zunächst gar nicht denken. Dabei benötigen die bearbeitenden Stellen ganz überwiegend lediglich den Urteilstenor. So werden Dritten sensible persönliche Sachverhalte offenbart, obwohl es hierfür keinerlei Notwendigkeit gibt.

Deshalb haben wir eine Änderung des Verfahrens angeregt und erreichen können, daß zukünftig das gesamte Urteil mit den Entscheidungsgründen nur dann übersandt wird, wenn dies ausdrücklich beantragt worden ist. Mit der Übersendung der verkürzten Urteilsausfertigung wird der Hinweis gegeben, daß auf Wunsch auch die vollständige Fassung erhältlich ist.



Zurück zum vorherigen Kapitel Zum Inhaltsverzeichnis Zum nächsten Kapitel