20. Tätigkeitsbericht (1998)



4.

Datenschutz in der Verwaltung

4.1

Kommunalbereich

4.1.1

Modellprojekt Bürgerbüro

Auch in Bürgerbüros muß der Datenschutz beachtet werden. Die Gemeinde Altenholz versucht dies in einem Modellprojekt zu verwirklichen. Wir begleiten das Vorhaben beratend.

"Wer Bürgerbüros einrichten möchte, muß sicherstellen, daß dabei nicht der Datenschutzservice verschlechtert wird." So schlossen unsere Ausführungen zum Bürgerbüro im letzten Tätigkeitsbericht (19. TB, Tz. 4.1.4). Wir hatten damals mit einigen Gemeinden Gespräche geführt und waren auf Probleme bei der Zweckbindung personenbezogener Daten gestoßen, auf Fragen der Abschottung unterschiedlicher kommunaler Aufgabenbereiche voneinander und auf Risiken, die bei der "offenen" Beratung im Bürgerbüro auftreten.

Inzwischen sind wir von der Gemeinde Altenholz gebeten worden, sie bei der Organisation ihres Bürgerbüros zu beraten und die eingeleiteten Maßnahmen unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten kritisch zu betrachten. Dabei ging es insbesondere um folgende Fragen:

  • Welche Aufgaben werden im Bürgerbüro erfüllt? Besteht die Gefahr unzulässiger Verwendung von Daten, die zu unterschiedlichen Zwecken erhoben wurden?

  • Werden die Besucher des Bürgerbüros über dessen Arbeitsweise ausreichend aufgeklärt und darüber unterrichtet, daß und wann die mehrfache Nutzung ihrer Angaben für unterschiedliche Zwecke von ihrer Einwilligung abhängt?

  • Ist die räumliche Ausstattung des Bürgerbüros so, daß die Kenntnisnahme von personenbezogenen Daten durch Dritte ausgeschlossen ist bzw. werden kann?

Es zeigte sich, daß eine abschließende Bearbeitung durch das Bürgerbüro nur bei Meldeangelegenheiten erfolgt. In allen anderen Fällen werden Anträge entgegengenommen und die Bürger beraten. Die abschließende Bearbeitung und Entscheidung der Vorgänge erfolgt dann in den jeweiligen Fachämtern. Für die Bereiche Bauamt und Sozialhilfe sind nach wie vor ausschließlich die Fachämter zuständig. Ihre Aufgaben sind zu komplex und zu schwierig, um sie mit der vorhandenen Personalkapazität im Bürgerbüro erledigen zu können.

Besucher des Bürgerbüros werden darüber aufgeklärt, daß eine Weiterverarbeitung ihrer Daten durch die Gemeinde nur soweit erfolgt, wie sie es wünschen. Allerdings werden sie auch auf eventuell bestehende Meldepflichten gegenüber der Verwaltung hingewiesen. Zu Problemen mit den Zweckbindungsvorschriften des Datenschutzes ist es nach Angaben der Gemeinde bisher noch nicht gekommen.

Wir haben empfohlen, die Einwilligung der Bürger zur Weiterverarbeitung ihrer Daten nicht nur mündlich einzuholen, sondern sie auch zu dokumentieren. Es ist nämlich leicht möglich, dem Bürger an Ort und Stelle schriftlich zu bescheinigen, welche Anträge rechtswirksam gestellt wurden (Antrag auf Zuteilung einer Mülltonne, Anmeldung eines Hundes, Mitteilung einer Bankverbindung u. ä.) bzw. welche Maßnahmen aufgrund seines Besuches veranlaßt wurden. Ein Exemplar dieses Nachweises könnte von ihm unterschrieben und im Bürgerbüro abgelegt werden. So wäre auch die Herkunft der Daten nachzuweisen, gleichzeitig könnte über Art und Zweck der Datenerhebung aufgeklärt werden.

Die Gemeinde will diese Anregungen aufgreifen. Darüber hinaus ist neben der mündlichen Aufklärung der Betroffenen zusätzlich ein Merkblatt über die Bedeutung des Zweckbindungsgrundsatzes erstellt worden, das die Bürger über die Grenzen einer zulässigen Datenverarbeitung durch die Verwaltung aufklärt. Es wird im Bürgerbüro ausgelegt. Die Besucher können so bei entsprechendem Interesse in Ruhe nachlesen, in welchem Umfang sie mit einer Verarbeitung ihrer Daten durch die Gemeinde rechnen müssen.

Bei unserem Besuch konnten wir schließlich feststellen, daß in dem Großraumbüro mit drei Arbeits- und Besprechungsplätzen auf den Tischen ein deutlicher Hinweis angebracht war, daß für eine vertrauliche Beratung der jeweiligen Angelegenheit auch ein gesondertes Besprechungszimmer zur Verfügung stehe.

Nach diesem überwiegend positiven Eindruck vom Vorgehen der Gemeinde haben wir verabredet, uns mit datenschutzrechtlicher Beratung auch an dem Fortgang des Projektes zu beteiligen. Als weitere Entwicklung ist u. a. ein Zugriff der Bürger zu Informationsangeboten der Gemeinde in automatisierten Systemen beabsichtigt.

Was ist zu tun?
Kommunen, die den Bürgern mit mehr Service entgegenkommen wollen, müssen auch die datenschutzrechtlichen Anforderungen beachten. Sie können sich dabei gerne von uns beraten lassen.

4.1.2

Bauleitplanung und Öffentlichkeit von Einwendungen

Bebauungspläne werden als Satzungen in einem öffentlichen Verfahren aufgestellt. Personenbezogene Informationen der Beteiligten können aber ausnahmsweise durch Ausschluß der Öffentlichkeit bei den Beratungen vertraulich behandelt werden.

Flächenbezogene Planungen der Kommune berühren fast immer eine Mehrzahl von Bürgern. Das gilt, wenn jemand sein Wohnhaus baut und der Nachbar voller Interesse beobachtet, "was da auf ihn zukommt", wenn eine Straße projektiert wird und im Planfeststellungsverfahren die Beteiligten Gelegenheit haben, Einwendungen gegen das konkrete Bauvorhaben zu erheben und wenn Bauleitpläne entwickelt und in Beratungen Anregungen und Bedenken der Bürger abgewogen werden. Stets erhebt sich dabei die Frage, welche Daten der Beteiligten anderen bekannt werden dürfen oder gar veröffentlicht werden müssen und wieweit ein Anspruch auf die diskrete Behandlung persönlicher Betroffenheit besteht.

So fragte eine Stadt bei uns an, ob die Anregungen und Bedenken zu dem Entwurf eines Bebauungsplanes den Mitgliedern der Stadtvertretung und der Ausschüsse für ihre Beratungen nur in anonymisierter Form zugeleitet werden dürften oder ob im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht der Stadtvertreter eine Namensnennung unschädlich sei, wenn für die Beratungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werde. Die Stadt wies zugleich darauf hin, daß eine wirkliche Anonymisierung der Anregungen schwierig sein könne, wenn diese die Art der Betroffenheit deutlich machten und schon dadurch die Identität des Einwenders erkennbar würde. Darüber hinaus schreibe ein Erlaß des Innenministeriums über das Verfahren bei der Aufstellung von Bauleitplänen die öffentliche Beratung der Einwendungen ausdrücklich vor.

Die Bauleitplanung der Gemeinden ist eine "Normsetzung", die aufgrund des Kommunalverfassungsrechts vom Grundsatz der Publizität beherrscht wird. Über Anregungen zu und Einwendungen gegen Bebauungspläne wird nach dem Baugesetzbuch in den kommunalen Entscheidungsgremien beschlossen und zwar grundsätzlich in öffentlicher Sitzung. Die Öffentlichkeit der Sitzungen kann nur unter den Voraussetzungen, die die Gemeindeordnung dafür festlegt, ausgeschlossen werden. Die Öffentlichkeit ist demnach im konkreten Einzelfall dann auszuschließen, "wenn ... berechtigte Interessen einzelner es erfordern". Dies ist der Fall, wenn aus der Diskussion über Einwendungen persönliche Verhältnisse in einem besonderen Maße offenbart würden.

Auch Unterlagen, die den Gemeindevertretern für die Beratungen zur Verfügung gestellt werden, dürfen einen Personenbezug nur enthalten, soweit dies notwendig ist. In der Regel wird sich aber nicht immer vermeiden lassen, daß Einwendungen den Mitgliedern der Gremien personenbezogen vorzulegen sind, weil anders die Bedenken und die Betroffenheit der einzelnen Bürger nicht beurteilt werden können. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Einwenders ist durch die Pflicht der Gemeindevertreter geschützt, "über die ihnen bei dieser Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren".

Was ist zu tun?
Für die Erörterung von Bauleitplänen sind den kommunalen Gremien soweit erforderlich die Anregungen Betroffener in personenbezogener Form zugänglich zu machen. Die Beratungen sind grundsätzlich öffentlich. Sie sind allerdings so zu führen, daß die Offenbarung personenbezogener Daten soweit möglich vermieden wird. Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, soweit berechtigte Interessen der Einwender es erfordern.

4.1.3

Der Umgang der Mandatsträger mit Sitzungsunterlagen

Sitzungsunterlagen für kommunale Mandatsträger sind Unterlagen der Kommunen und unterliegen den Löschungsvorschriften des Datenschutzrechts.

Ein Disziplinarverfahren gegen den Mitarbeiter einer Kommune endete, ohne daß eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen wurde. Nach dem Personalaktenrecht mußten folglich die entstandenen Vorgänge aus der Personalakte entfernt und vernichtet werden, da sich die erhobenen Vorwürfe als unbegründet herausgestellt hatten. Allerdings waren eine Reihe von Unterlagen auch Mandatsträgern im Rahmen der Beratung des Falles in den gemeindlichen Gremien zur Verfügung gestellt worden.

Entgegen der weitverbreiteten Auffassung von Mandatsträgern gehören Sitzungsvorlagen nicht zu ihren privaten Unterlagen. Es handelt sich vielmehr um Daten, die sie ausschließlich in ihrer Eigenschaft als Funktionsträger erhalten. Als Mitglied in einem politischen Entscheidungsgremium tragen sie zur Aufgabenerfüllung der Kommune bei. Die Vertretungskörperschaft ist als datenverarbeitende Stelle im datenschutzrechtlichen Sinne anzusehen.

Auch für sie gelten die datenschutzrechtlichen Löschungsregelungen. Deshalb sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß dadurch schutzwürdige Belange der oder des Betroffenen beeinträchtigt werden.

Im konkreten Fall war die Löschung zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Betroffenen geboten. Die Mandatsträger mußten die Sitzungsvorlagen über das Disziplinarverfahren vernichten.

Was ist zu tun?
Die Kommunen haben dafür Sorge zu tragen - im Rahmen einer Satzung -, daß ihre Mandatsträger personenbezogene Daten nur solange aufbewahren, wie es für ihre rechtmäßige Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Die Einzelheiten könnten geschäftsordnungsmäßig in einer "Datenschutzdienstanweisung für Mandatsträger" festgelegt werden.

4.1.4

Wenn Detektive Ordnungswidrigkeiten ermitteln

Privatdetektive dürfen nicht zielgerichtet Tatsachenermittlung für Ordnungswidrigkeitenverfahren - z. B. im Zusammenhang mit der Kurtaxe - betreiben.

Eine Fremdenverkehrsgemeinde in Schleswig-Holstein hatte eine Detektei beauftragt, Ermittlungen und Kontrollen zu Verstößen gegen die Kurabgabesatzung durchzuführen. Mitarbeiter der Detektei befragten auf der Straße Passanten u. a., ob sie Kurgäste seien, eine Kurkarte besäßen und wer ihr Vermieter sei. Auf der Grundlage dieser Ermittlungen sollten Ordnungswidrigkeiten der Vermieter festgestellt und geahndet werden. Der örtliche Bürger- und Vermieterverein bat uns, die Zulässigkeit einer solchen "Privatisierung" zu prüfen.

Wir hatten gravierende Bedenken gegen diese Form der Datenerhebung. Die gezielte Tatsachenermittlung zum Nachweis von Ordnungswidrigkeiten ist mit der Durchführung von Bußgeldverfahren so eng verbunden, daß sie mit dieser untrennbar zum Gesamtkomplex der hoheitlichen Aufgaben gehört. Zwar ist eine Übertragung hoheitlicher Aufgaben unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Sie setzt jedoch eine ausdrückliche Beleihung auf gesetzlicher Grundlage voraus. Eine Grundlage fehlt im vorliegenden Fall. Bloße Verwaltungshilfe scheidet ebenfalls aus. Denn die planmäßige Ermittlung und Dokumentation von Verstößen gegen die Satzung steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der originären Aufgabe der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Sie kann nach der Rechtsprechung deshalb auch dann nicht auf private Auftragnehmer übertragen werden, wenn die zuständige Behörde Ort, Zeit und Umfang der Kontrollen bestimmt und der einzelne Mitarbeiter direkt den Weisungen des Auftraggebers unterworfen ist. Wir haben die gewählte Form der Datenerhebung nach alledem beanstandet.

Was ist zu tun?
Dient eine Datenerhebung durch Private unmittelbar der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, so ist sie untrennbarer Bestandteil hoheitlicher Tätigkeit und darf nur nach ausdrücklicher Beleihung erfolgen.

4.1.5

Grenzen für den Vollstreckungsbeamten

Ein Vollstreckungsbeamter darf den Vermieter des Schuldners nicht über Einzelheiten der Zwangsvollstreckung unterrichten.

Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel; dies mußte schließlich auch ein kommunaler Vollstreckungsbeamter einsehen. Nachdem die Mahnung wegen einer Forderung über 100 DM beim Betroffenen keinen Erfolg gezeigt hatte, wandte er sich kurzerhand an den Vermieter des Zahlungspflichtigen und stellte eine richterliche Durchsuchung der Wohnung in Aussicht, die gegebenenfalls auch mit einer zwangsweisen Öffnung der Tür verbunden gewesen wäre. In diesem Zusammenhang offenbarte er gegenüber dem Vermieter Details aus dem Vollstreckungsverfahren. Durch diese Unterrichtung des Vermieters sollte wohl auch erreicht werden, daß dieser den Zahlungspflichtigen drängen sollte, seine Schuld zu begleichen.

Zwar dürfen Vollstreckungsbeamte im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeit Daten bei Dritten erheben. Dies darf jedoch nicht dazu führen, daß Daten aus dem Zwangsvollstreckungsverfahren den Dritten gegenüber offenbart werden. Geschieht dies dennoch, liegt möglicherweise ein strafrelevanter Sachverhalt, zumindest ein Verstoß gegen das Datengeheimnis (§ 6 LDSG) vor. In dem geprüften Fall war die unbefugte Offenbarung personenbezogener Daten gegenüber dem Vermieter zu beanstanden.

Was ist zu tun?
Vollstreckungsbeamte brauchen Durchsetzungsvermögen, aber auch ein Gespür für die Sensibilität des Vorgangs für den Schuldner.


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