17. Tätigkeitsbericht (1995)



8.

Was es sonst noch zu berichten gibt

8.1

Fehlerhafte Dateimeldungen binden Arbeitskraft

Ein Sachbearbeiter in unserer Dienststelle ist zur Zeit vollauf damit beschäftigt, unvollständige, fehlerhafte oder für Dritte nicht verständliche Meldungen zur Dateienübersicht durch schriftliche oder telefonische Rücksprachen bei den Behörden zu korrigieren. Die mehrseitigen, mit Beispielen versehenen Ausfüllhinweise, die wir im Amtsblatt (Amtsbl. Schl.-H. 1992, S. 674) veröffentlicht haben, sind offenbar von vielen Behörden gar nicht zur Kenntnis genommen worden. Wie sonst könnte man sich erklären, daß als Rechtsgrundlagen für Datenspeicherungen z.B. das Grundgesetz angeführt wird oder daß man glaubt, unter der Datenfeldbezeichnung "CARNOFSCY 9" könne jemand sich etwas vorstellen. Bezeichnend sind auch die Angaben zur Speicherungsdauer wie z.B. "verfügbarer Speicherplatz". Ob unter diesen Umständen die vom Landesdatenschutzgesetz geforderte für jedermann verständliche Dateienübersicht jemals Realität werden kann, muß bezweifelt werden.

8.2

Virenprobleme offenbar größer als zugegeben

Datenverarbeiter sind im allgemeinen nicht gerade öffentlichkeitsscheu. Ihre Erfolge beim Einsatz der Informationstechnik zur Rationalisierung und Qualitätsverbesserung werden in den entsprechenden Publikationen hinreichend gewürdigt. Bei hausgemachten Schwierigkeiten hält man sich jedoch gerne "bedeckt". Das gilt z.B. für das Problem der Computer-Viren. Es wird nach wie vor so wenig über Infektionen (Schadensfälle) bekannt, daß man glauben könnte, man habe inzwischen einen hochwirksamen Impfstoff gefunden. Daß die Praxis ein ganz anderes Bild zeichnet, läßt sich aus den Aktivitäten der Datenzentrale ableiten. Sie wird beim Datenträgeraustausch mit ihren Kunden offenbar so von Viren geplagt, daß sie ihnen kostenlos ein Virensuchprogramm zur Verfügung gestellt hat und zum wiederholten Male in mehrseitigen Abhandlungen Vorschläge zur Datenhygiene macht. Durch Virenschäden werden zwar nur in den seltensten Fällen schutzwürdige Belange der Bürger beeinträchtigt. Gleichwohl ist ein Virenbefall aus datenschutzrechtlicher Sicht ein Indikator für Mängel bei den Datensicherungsmaßnahmen. Da man Computerviren nicht bekommt, sondern sich holt, liegt die Vermutung nahe, daß eine Behörde, die insoweit keine wirksamen Abwehrmaßnahmen ergriffen hat, es auch sonst mit der Datensicherheit nicht so genau nimmt. Nur, man redet halt nicht darüber.

8.3

Vorschläge zur kostengünstigen Vernichtung von Altakten

Als Beispiel für den finanziellen Aufwand, den ein wirksamer Datenschutz (vermeintlich) verursacht, werden oftmals die Kosten für die Altaktenvernichtung genannt. Allerdings geht man dabei von den Entgelten für eine "Luxusentsorgung" mit verschlossenen Aluminiumcontainern auf allen Fluren und regelmäßiger Abfuhr durch den Entsorger aus. Dabei wird dann auch noch übersehen, daß diese Methode für besonders sensible Datenbestände gar nicht geeignet ist, weil der Entsorger bereits vor der Vernichtung die Verfügungsgewalt (Schlüsselgewalt) über die Akten erhält. Deshalb unterbreiten wir den Behörden für diese Fälle folgenden sicheren, trotzdem kostengünstigen Vorschlag: Das zu vernichtende Material wird von der Behörde bis zum Abtransport in einem verschlossenen Raum oder Container zwischengelagert. Ein erneuter Zugriff auf die Unterlagen im Zwischenlager wird nicht zugelassen. Hat die Menge ein Volumen erreicht, das eine Direktablieferung beim Entsorger rechtfertigt, werden die Unterlagen unter Aufsicht eines Mitarbeiters der datenverarbeitenden Stelle verladen. Er begleitet den Transport. Die sofortige Vernichtung der Unterlagen nach Ankunft beim Entsorger wird von ihm überwacht. Über den Entsorgungsvorgang wird eine Aktennotiz gefertigt. Unseres Wissens bieten die meisten Entsorger eine solche Verfahrensweise an.

8.4

Veröffentlichung behördlicher Telefonverzeichnisse

Im Bemühen um eine bürgerfreundliche Verwaltung gehen immer mehr Behörden dazu über, ihr Telefonverzeichnis zu veröffentlichen. Es enthält in der Regel neben den Namen und Telefonnummern der Mitarbeiter auch Angaben über deren Funktion innerhalb der Verwaltung.

Gegen eine solche Veröffentlichung bestehen aus datenschutzrechtlicher Sicht keine Bedenken. Die Mitarbeiter sind hier nicht in ihrer Eigenschaft als natürliche Person und damit als Träger von Grundrechten angesprochen. Sie nehmen vielmehr als Funktionsträger öffentliche Aufgaben für die Behörde wahr. Erst wenn über eine bloße Darstellung behördlicher Tätigkeit hinaus die dienstrechtliche Bewertung eines persönlich zurechenbaren Verwaltungshandelns erfolgt (z. B. im Rahmen eines Disziplinarverfahrens), ist der Mitarbeiter als natürliche Person angesprochen, der Datenschutzrechte für sich in Anspruch nehmen kann. Diese Schwelle wird bei der Veröffentlichung eines Telefonverzeichnisses nicht überschritten.

8.5

Alle Eigentümer in einem Baugebiet sollten einander kennen - oder nicht?

Werden Grundstücksgrenzen neu vermessen, so wird darüber eine "Abmarkungsmitteilung" für den Eigentümer erstellt und als Anlage ein "Grenzprotokoll" beigefügt, aus dem alle betroffenen Grundstücke und die beteiligten Eigentümer hervorgehen. Dies war bislang auch in Schleswig-Holstein Praxis.

Ein Petent war nicht damit einverstanden, daß auf diesem Wege allen an der Vermessung eines größeren Neubaugebietes beteiligten Grundstückseigentümern auch die Eigentumsverhältnisse an seinem Grundstück bekannt werden sollten. Wir haben in Verhandlungen mit dem Innenminister erreicht, daß künftig bei Zusendung der Unterlagen Grundstückseigentümern nur die Namen derjenigen anderen Eigentümer bekannt gegeben werden, mit denen sie eine gemeinsame Grundstücksgrenze haben. Im Grenzprotokoll werden die anderen Grundstücke nur durch Numerierung und nicht mehr durch Benennung des Eigentümers gekennzeichnet.

8.6

Veröffentlichung von Prüfungsberichten der Rechnungsprüfungsämter

Die Gemeindeordnung ist mit dem Ziel geändert worden, daß Schlußberichte über Rechnungsprüfungen der Rechnungsprüfungsämter künftig öffentlich auszulegen sind. Eine größere Transparenz kommunaler Verwaltungstätigkeit sollte so erreicht werden. Wir wiesen in den Beratungen darauf hin, daß solche Berichte zwar in der Regel nur Informationen über die Verwaltung und ihre Funktionsträger enthalten und insoweit datenschutzrechtlich unbedenklich sind. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, daß sie auch schutzbedürftige Informationen über Einzelpersonen enthalten. Solche Daten sollten nicht öffentlich einzusehen sein. Der Landtag ist unserem Vorschlag gefolgt. Er hat die Veröffentlichung ausgeschlossen, soweit "... schutzwürdige Interessen einzelner entgegenstehen." Die Änderung ist inzwischen in Kraft getreten.

8.7

Verabschiedung eines Gleichstellungsgesetzes

Ein zentraler Punkt in dem vom Landtag verabschiedeten Gleichstellungsgesetz war aus unserer Sicht die für die Gleichstellungsbeauftragten vorgesehene Befugnis, ggf. auch gegen den Willen von Betroffenen in deren Personalakte Einsicht zu nehmen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Bei konsequenter Anwendung dieser Regelung dürfte eine solche Einsichtnahme in der Praxis kaum Bedeutung erlangen. Durch das Wort "soweit" wird dem Dienstherrn die Pflicht auferlegt, im Einzelfall zu prüfen, ob eine die Betroffenen weniger belastende Form der Unterrichtung der Gleichstellungsbeauftragten, insbesondere die Erteilung von Auskünften aus der Personalakte, möglich ist. Aus unserer Beratungs- und Prüfungstätigkeit ist uns bisher kein Fall bekannt geworden, in dem über die bloße Weitergabe der erforderlichen Personaldaten hinaus eine Einsichtnahme in die vollständige Personalakte tatsächlich notwendig gewesen wäre, um eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung für die Gleichstellungsbeauftragten zu gewährleisten.

Unserer Empfehlung, das Informationszugangsrecht der Gleichstellungsbeauftragten der Regelung für Personalräte nachzubilden, ist der Landtag leider nicht gefolgt.

8.8

Ermächtigung zur Sektenbeobachtung im Landesdatenschutzgesetz

Die Absicht der Landesregierung, eine Dokumentationsstelle für Aktivitäten von Sekten und sektenähnlichen Vereinigungen einzurichten, wurde in dem Moment datenschutzrelevant, als deutlich wurde, daß sie auch personenbezogene Daten verarbeiten soll. Aus diesem Grund wurde § 29 a in das LDSG eingefügt. Die Regelung stellt klar, daß die Rechte der Sekte selbst und der einzelnen Sektenmitglieder dann zurücktreten müssen, wenn aufgrund konkreter Tatsachen zu befürchten ist, daß von ihrer Tätigkeit Gefahren für das Recht auf Leben, Gesundheit, Eigentum, Persönlichkeitsentfaltung und Menschenwürde, ausgehen.

Zweck der Dokumentation ist die Aufklärung und Warnung einzelner Bürger und von Gruppen, die mit solchen Sekten, Vereinigungen oder von ihnen beherrschten Institutionen in Kontakt kommen.

Die Dokumentationsstelle soll dazu öffentlich zugängliche bzw. bei öffentlichen Stellen vorhandene Informationen erheben, dokumentieren und über sie informieren. Besondere Verwendungsregeln für Daten, wie etwa im Sozialgesetzbuch, stehen einer Weitergabe von Informationen an die Dokumentationsstelle entgegen. Das gleiche gilt auch für besonders geschützte Daten, die einem besonderen Amts- oder Berufsgeheimnis unterliegen. Eine regelmäßige Aussonderung entbehrlicher Daten und eine Begrenzung des Empfängerkreises von Informationen runden die datenschutzrechtliche Einbindung dieser Dokumentationsstelle ab, die mittlerweile durch Bekanntmachung der Ministerpräsidentin vom 14.11.1994 errichtet worden ist. An der Entwicklung eines Datenschutzkonzepts für die Dokumentationsstelle sollen wir beteiligt werden.

8.9

Dokumentation von Übermittlungsersuchen der Verfassungsschutzbehörden an die Staatsanwaltschaft

Das Landesdatenschutzgesetz verlangt grundsätzlich die Dokumentation von Datenübermittlungen, so daß der Betroffene auch darüber Auskunft erhalten kann.

Bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten ist die Besonderheit zu beachten, daß ihr Inhalt aufgrund der Einsichtnahmerechte auch Dritten zugänglich gemacht werden kann. Dazu zählen nicht nur Behörden, sondern auch Kranken- und Sachversicherungen sowie die Vertreter von Nebenklägern. Sie würden bei einer Einsichtnahme erfahren, daß sich für den Betreffenden auch der Verfassungsschutz "interessiert" hat. Um dies zu verhindern, werden entsprechende Anfragen künftig nicht mehr in der Ermittlungsakte, sondern in den Handakten der Staatsanwaltschaft, die Dritten nicht zur Einsicht zur Verfügung stehen, dokumentiert. Dem Betroffenen muß der entsprechende Schriftverkehr jedoch bei Einsichtnahme in die Akte zugänglich gemacht werden.

8.10

Forschungsprojekt "Gläserne Schule"

Von dem Forschungsprojekt zur Suchtvorbeugung mit der Bezeichnung "Gläserne Schule" erhielten wir durch Zufall Kenntnis. Auf unsere Nachfragen teilte uns die Koordinierungsstelle schulische Suchtvorbeugung (KOSS) mit, daß es sich um ein schulbegleitendes Projekt handele, an dem sich viele unterschiedliche Schulen in Schleswig-Holstein beteiligten und das im Auftrage des Instituts für Praxis und Theorie in der Schule (IPTS) durchgeführt werde. Sein Ziel sei es, mit Hilfe eines Fragebogens u.a. das Freizeitverhalten von Schülerinnen und Schülern zu untersuchen, um hieraus schulbezogen aber ohne Personenbezug Erkenntnisse für die schulische Suchtprävention zu erlangen.

Die Schülerinnen und Schüler werden zu Kindheit und Familie, Schule, Wohnsituation, Freizeit, Tabakkonsum, Trinkgewohnheiten, nach dem Gebrauch legaler Rauschmittel und zu ihrer Gesundheit befragt. Keine Frage, daß auf diesem Wege ein sensibles Datenprofil entsteht. Deshalb haben wir der Anonymisierung besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Sie wird unserer Feststellung nach dadurch erreicht, daß

  • Schülerinnen und Schüler die Bögen ohne Identifizierungsmerkmale unbeobachtet ausfüllen,

  • die Bögen in verschlossenen und nicht gekennzeichneten Umschlägen unverzüglich zu dem auswertenden Institut der Universität transportiert werden.

Die statistische Aufbereitung, die an die Schulen als Balkendiagramm zurückgeliefert wird, läßt eine Zuordnung der Ergebnisse nur bis zur Klassenstufe zu. Datenschutzverstöße können bei diesem Verfahren vermieden werden.


Zurück zum vorherigen Kapitel Zum Inhaltsverzeichnis Zum nächsten Kapitel