Montag, 15. November 2004

Die Anforderung von kompletten Klassenlisten von Schulen durch die Ausländerbehörde war datenschutzrechtlich unzulässig

Die Ausländerbehörde von Lübeck hatte Ende 2003 festgestellt, dass drei Schülerinnen und Schüler, die in städtischen Schulen unterrichtet wurden, keine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland hatten. Um nun festzustellen, ob weitere Ausländerkinder ohne legalen Aufenthaltsstatus im räumlichen Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde unterrichtet werden, wandte sich diese über das Städtische Schulamt an alle Schulen und forderte von dort komplette Klassenlisten an. Begründet wurde die Forderung mit einer Vorschrift des Ausländergesetzes, die generell öffentliche Stellen und damit auch Schulen verpflichtet, für die Aufgabenerfüllung erforderlich Daten zur Verfügung zu stellen. Fast alle Schulen übermittelten daraufhin ihre kompletten Listen an die Ausländerbehörde. Wenige Schulen teilten "nur" die Namen und Adressdaten ihrer ausländischen Kinder mit.

Nachdem der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages von diesem Vorgang erfuhr, wandte er sich an das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) mit der Bitte um eine datenschutzrechtliche Bewertung.

Wir vom ULD kamen zu dem Ergebnis, dass die von der Ausländerbehörde pauschale Datenerhebung unzulässig war. Die Vorschrift auf die sich die Ausländerbehörde stützte, rechtfertigte die umfassende Datenweitergabe in keiner Weise. Voraussetzung für eine Übermittlung ist danach, dass der Bezug zu einer konkreten ausländerrechtlichen Maßnahme bestehen muss. Eine Anfrage ohne Kenntnis des Namens des Betroffenen wäre nach dem Ausländergesetz nur dann zulässig gewesen, wenn die Ausländerbehörde sonstige Angaben über die Identität des Ausländers gehabt und die Datenerhebung im Zusammenhang mit einer aktuellen ausländerrechtlichen Maßnahme gestanden hätte. Hier erfolgte dagegen eine Art Rasterfahndung, bei der weit im Vorfeld irgendeiner ausländerrechtlichen Maßnahme erkundet werden sollte, welchen ausländerrechtlichen Status die Schülerinnen und Schüler haben.

Bei der Anforderung kompletter Klassenlisten wurden natürlich auch - und vor allem - Angaben über deutsche Staatsangehörige weitergegeben. Die Befugnisse der Ausländerbehörde sind auf deren sachlichen Aufgabenbereich begrenzt. Hierzu gehört es nicht, Daten über Schüler mit deutscher Staatsangehörigkeit zu erheben und zu verarbeiten. Diese Daten sind für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Ausländergesetz vollkommen irrelevant. Aber auch die Daten der sich legal in Deutschland aufhaltenden ausländischen Kinder hätten - soweit kein Verdacht eines unzulässigen Aufenthalts bestand - wegen der insofern klaren Datenverarbeitungsregelungen des Ausländergesetzes ebenfalls nicht pauschal abgefragt werden dürfen.

Die Schulen hatten diese Klassenlisten ohne weitere Nachfragen zur Verfügung gestellt. Diese Datenübermittlungen waren ebenso wie die Anfrage rechtswidrig. Das Schulgesetz sieht vor, dass Übermittlungen über Schülerinnen und Schüler nur zulässig sind, wenn sie zur Aufgabenerfüllung der erhebenden Stelle (in diesem Falle der Ausländerbehörde) erforderlich sind. Die Schulen hätten bei einer solchen pauschalen Anfrage die Rechtmäßigkeit der Datenerhebungsbefugnis seitens der Ausländerbehörde durch eine entsprechende Nachfrage vor der Übermittlung der kompletten Klassenlisten prüfen müssen.

Aus diesem Grunde wurde sowohl die Datenerhebung durch die Ausländerbehörde als auch die Datenübermittlung durch die Schulen nach dem Landesdatenschutzgesetz beanstandet. Nach einem gewissen Zögern räumte die Stadt ihren Fehler ein und schloss sich der Bewertung des ULD an. Es ist zu hoffen, dass künftig der schulische Erziehungsauftrag nicht durch ausländerrechtliche Interventionen beeinträchtigt wird.