Dienstag, 7. Januar 2020

IZG-SH und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Der Informationszugang nach dem IZG-SH ist u.a. ausgeschlossen, soweit es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Privaten handelt (§ 10 Satz 1 Nr. 3 IZG-SH) (Behörden können sich nicht auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen (VG Schleswig, Urteil vom 25.03.2015, 8 A 8/14; OVG Schleswig, Beschluss vom 30.03.2005, 4 LB 26/04)).

Im Gegensatz zu z.B. § 7 Abs. 1 Hamburgisches Transparenzgesetz enthält das IZG-SH keine Definition für den Begriff des Betriebs-und Geschäftsgeheimnisses. Aus diesem Grunde wurde bislang die von der Rechtsprechung entwickelte Begriffsbestimmung herangezogen. Danach sind als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis alle Tatsachen, Umstände und Vorgänge zu verstehen, die

  • in einem Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen,
  • nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind,
  • die nach dem bekundeten oder doch erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim bleiben sollen und
  • an deren Geheimhaltung der Betriebsinhaber ein berechtigtes Interesse hat

(VG Schleswig, Urteil vom 25.03.2015, 8 A 8/14; VG Stuttgart, Urteil vom 13.11.2014, 4 K 5228/13; OVG RP, Urteil vom 06.09.2012, 8 A 10096/12; BVerwG, Urteil vom 24.09.2009, 7 C 2/09; BVerwG, Urteil vom 28.05.2009, 7 C 18/08; BVerfG, Beschluss vom 14.03.2006, 1 BvR 2087/03 u.a.; OVG Schleswig, Beschluss vom 22.06.2005, 4 LB 30/04; VG Schleswig, Urteil vom 31.08.2004, 6 A 245/02).

Nach dieser Begriffsdefinition setzt ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis neben u.a. dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Betroffenen nachteilig zu beeinflussen (VG Schleswig, Urteil vom 25.03.2015, 8 A 8/14; OVG RP, Urteil vom 06.09.2012, 8 A 10096/12; BVerwG, Urteil vom 24.09.2009, 7 C 2/09; OVG Schleswig, Beschluss vom 22.06.2005, 4 LB 30/04). In den so geschützten Bereich fallen jedoch nicht nur Informationen, die für sich genommen bereits ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis darstellen, sondern auch Informationen, die Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zulassen (BVerwG, Urteil vom 24.09.2009, 7 C 2/09). Dazu zählen Rückschlüsse auf die Betriebsführung, auf die Wirtschafts- und Marktstrategie, auf Kostenkalkulationen und Entgeltgestaltungen des Unternehmens oder auf sonstige interne Gegebenheiten, Verfahrensabläufe und andere den betrieblichen und geschäftlichen Bereich betreffende Umstände.

In diesem Sinne sind von der Rechtsprechung folgende Informationen als Betriebs- bzw- Geschäftsgeheimnisse bewertet worden:

  • Preise, Preisänderungsklauseln, Vertragslaufzeiten, Haftungsregelungen u.ä. in einem zwischen einem Energieunternehmen und einer Behörde geschlossenen Wärmelieferungsvertrag (VG Schleswig, Urteil v. 31.08.2004, 6 A 245/02).
  • Interne Preiskalkulation (VG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2008, 1 K 3286/08).
  • Die Tatsache, dass öffentliche Subventionen gewährt worden sind (VG Schleswig, Urteil vom 18.12.2007, 12 A 37/06).
  • Angaben zu der gelagerten Menge an gefährlichen Stoffen (OVG RP, Urteil vom 06.09.2012, 8 A 10096/12).
  • Füllmengenunterschreitungen (in Bezug auf einen Antrag, der auf Auskunft über Beanstandungen bei Füllmengenkontrollen der Eichämter gerichtet war) (OVG Schleswig, Beschluss v. 22.06.2005, 4 LB 30/04).
  • Bei Vergabeverfahren: Einheitspreis und Kalkulationsblätter (BVerfG, Beschluss v. 14.03.2006 1 BvR 2087/03).

Der Gesamtpreis (Preis als absolute Zahl) stellt dagegen kein Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnis dar (VG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2008, 1 K 3286).

Am 26.04.2019 ist das (Bundes)Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (GeschGehG) in Kraft getreten (BGBl I, 2019, 466). § 2 Nr. 1 GeschGehG enthält für den Begriff des Geschäftsgeheimnisses folgende Bestimmung:

„Im Sinne dieses Gesetzes ist

1. Geschäftsgeheimnis

eine Information

a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichen Wert ist und

b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und

c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht;
[…]“.

Es ist streitig, ob der Begriff des Geschäftsgeheimnisses gem. § 2 Nr. 1 GeschGehG im Bereich der Informationsfreiheit anwendbar ist, oder ob nach wie vor die von der Rechtsprechung entwickelte Begriffsbestimmung heranzuziehen ist. Da sich der Begriff des Geschäftsgeheimnisses nach § 2 Nr. 1 GeschGehG durch die Aufnahme des Merkmals der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen (Ziffer b) von dem Begriff unterscheidet, der von der Rechtsprechung entwickelt worden ist, wirkt sich dieser Streit in der Praxis aus. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat in seinem Urteil vom 25.04.2019, 6 A 222/16, die Tendenz erkennen lassen, auch nach Inkrafttreten des GeschGehG für den Bereich des IZG-SH auf die bisher von der Rechtsprechung entwickelte Begriffsbestimmung zurückgreifen zu wollen (Tz. 64).