12       Informationsfreiheit

12.1       Der schwierige Weg zu einem einheitlichen Informationszugangsrecht

Die Vereinbarung im Vertrag der Koalitionsparteien zur Zusammenfassung des Informationsfreiheitsrechts versprach eine schnelle Lösung mit entbüro­kratisierender Wirkung. Das Ergebnis liegt auf der langen Bank der Büro­kratie.

Die Zusammenfassung von Umweltinformationsgesetz (UIG) und Informations­freiheitsgesetz (IFG) zielt auf Verwaltungsvereinfachung ab. Durch einheitliche Verfahren entfallen aufwendige Abgrenzungsprüfungen. Zugleich können Syner­gien genutzt und den Bürgerinnen und Bürgern eine transparente Vorgehensweise geboten werden. Auf der Basis der Koalitionsvereinbarung formulierte das ULD umgehend einen Gesetzesvorschlag, der im Ergebnis UIG und IFG zusammen­führt und Bereinigungen des Verfahrens vornimmt. Statt der 15 Paragrafen des UIG und den 18 des IFG sollte das neue Informationszugangsgesetz (IZG) 19 Paragrafen enthalten, die Doppelungen systematisch vermeiden. Das ULD stellte den Entwurf den Regierungsfraktionen zur Verfügung – eigentlich eine einfache und klare Sache.

Doch dann wurden wir von einem Kabinettsvorschlag zur Änderung des UIG überrascht, der eine angeblich nötige Anpassung an Richtlinien der Euroäischen Union (EU) vorsah, ohne die Koalitionsvereinbarung zu berücksichtigen. Nach­dem dies erkannt wurde, schmort der eingebrachte Gesetzentwurf unerledigt in den Landtagsausschüssen. Der Entwurf des ULD wurde dem Umweltministerium, von dem die UIG-Änderung stammt, zur Stellungnahme gegeben. Dieses meinte im März 2010 in einem Vermerk, der ULD-Entwurf sei geprägt von unsystemati­schen, unpraktikablen und zum Teil unscharfen bzw. umgangssprachlichen Regelungen und sei deshalb zu verwerfen. An einer Stelle wird beklagt, der ULD-Entwurf überhöhe den Datenschutz als Schranke zu Unrecht; an anderer Stelle beklagte das Ministerium, der Datenschutz werde in nicht vertretbarem Maße strapaziert. Der Eindruck, dass Ressortdenken vor Sachlichkeit gestellt wurde, war nicht ganz zu vermeiden. Im April 2010 ging das ULD auf diese Kritik im Detail ein und widerlegte jedes der vorgetragenen Argumente gegenüber den Fraktionen.

Was ist zu tun?
Der Landtag sollte sich nicht weiter von Trägern unbegründeter bürokratischer Bedenken bremsen lassen und ein einheitliches Informationszugangsrecht für Schleswig-Holstein auf den Weg bringen.

12.2       Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse: Auskunft über Vertragsgestaltungen

Alle Jahre wieder stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen sich Behörden zur Abwehr von Informationsersuchen auf Betriebs- und Geschäfts­geheimnisse berufen können.

Ein Antrag auf Zugang zu Informationen kann abgelehnt werden, wenn durch die Übermittlung der Informationen ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offen­bart würde und die schutzwürdigen Belange des Betroffenen das Offenbarungs­interesse der Allgemeinheit überwiegen. Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkun­dig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Geschäfts­geheimnisse betreffen in erster Linie kaufmännisches Wissen.

Auch Bieterunterlagen erfüllen in der Regel die Anforderung an ein Geschäfts­geheimnis. Dies gilt aber nicht für alle Bestandteile eines Angebots oder eines Vertrages. Die Angabe zum Gesamtangebotspreis enthält üblicherweise keine Informationen zur betrieblichen Situation des Bieters, anders als Kostenkalkula­tionen Aussagen zum Umfang der Beschäftigung von Fremdkräften oder zu den durch die Aufgabenerledigung entstandenen Kosten machen. Wenn Informationen aufgrund von Geschäftsgeheimnissen nicht zugänglich gemacht werden dürfen, besteht jedoch trotzdem ein Anspruch auf Zugang zu den übrigen Informationen. Die generelle Verweigerung des Informationszuganges aufgrund von vorliegen­den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist nicht zulässig.

Was ist zu tun?
Behörden müssen bei einem Einsichtsersuchen in Verträge prüfen, ob diesem Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse entgegenstehen. Dazu gehören in der Regel kalkulatorische Angaben. Die Behörde hat dann einen beschränkten Zugang zu gewähren.

12.3       Keine Informationskosten für nicht rechtsfähige gemeinnützige Vereine

Das Informationsfreiheitsgesetz sieht nicht ausdrücklich eine Antragsberech­tigung für nicht rechtsfähige Vereine vor. Da dahinter immer eine natürliche Person steht, ergibt sich kein praktisches Problem – außer bei den Kosten.

Natürliche Personen sind nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gebühren­pflichtig. Gemeinnützige rechtsfähige Vereine hingegen sind nach dem Verwal­tungskostengesetz (VwKostG SH) generell von der Gebührenpflicht befreit. Stellt sich also die Frage, ob nicht rechtsfähige Vereine rechtsfähigen Vereinen bei der Anwendung des IFG gleichgestellt werden können und müssen. Der Gesetzesbegründung zum IFG lässt sich diesbezüglich nichts entnehmen. Wir halten es jedoch für sachgerecht, nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Vereine in Bezug auf die Antragsberechtigung gemäß dem IFG gleichzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat zum Umweltinformationsgesetz des Bundes festgestellt, dass auch nicht rechtsfähige Vereine einen Anspruch auf Informa­tionszugang haben, soweit der Rechtskreis der Vereinigung durch die konkrete Maßnahme berührt wird und der Verein eine gewisse Kontinuität und ein Mindestmaß an organisatorischer Struktur aufweist. Hinsichtlich des geltend gemachten Rechts muss der nicht rechtsfähige Verein in einem bestimmten Bereich oder in Bezug auf eine bestimmte Angelegenheit nach einem Rechtssatz des materiellen Rechts Rechtssubjekt sein. Dies lässt sich auf unser IFG nach Sinn und Zweck übertragen. Gründe für die Ungleichbehandlung von nicht rechtsfähi­gen und rechtsfähigen Vereinen sind nicht ersichtlich. Nicht rechtsfähige Vereine, soweit sie organisatorisch hinreichend verfestigt sind, eine gewisse Kontinuität und ein Mindestmaß an organisatorischer Struktur aufweisen, sind daher nicht nur gemäß dem IFG antragsberechtigt. Sie können sich auch nach dem VwKostG SH auf ihre Gebührenbefreiung berufen.

Was ist zu tun?
Generell ist der Antragsteller über die anfallenden Gebühren vor dem Informa­tionszugang zu informieren. Für nicht rechtsfähige Vereine ist eine Gebühren­befreiung im aufgeführten Fall anzunehmen.

12.4       Einzelfälle

12.4.1    Polizeibeamte und tote Hunde – keine Preisgabe der Identität der Beamten

Will ein von einer Polizeimaßnahme Betroffener einen Schaden geltend machen und benötigt er hierfür Informationen, so kann das IFG dienlich sein.

Innerhalb des letzten Jahres kam es auf den Autobahnen A1 und A2 bei Bad Oldesloe zu drei Vorfällen, bei denen Hunde mit Streifenwagen absichtlich über­fahren wurden. Die Halterin eines der überfahrenen Hunde begehrte nach dem IFG Informationen zur Identität der an den Polizeieinsätzen beteiligten Beamten. Der Antrag auf Informationszugang ist im Falle der Bekanntgabe personenbezo­gener Daten abzulehnen, es sei denn, der Antragsteller macht ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der begehrten Informationen geltend und überwiegende schutzwürdige Belange der Betroffenen stehen dem nicht entgegen.

Das rechtliche Interesse setzt eine konkrete Rechtsbeziehung zwischen Antrag­steller und Betroffenem voraus. Von Bedeutung ist etwa, dass der Antragsteller glaubhaft darlegt, mit dem Betroffenen in einer vertraglichen Beziehung zu stehen, oder dass zivilrechtliche Ansprüche gegen den Betroffenen verfolgt werden. Ein rechtliches Interesse an der Offenbarung der Daten setzt voraus, dass eine konkrete Rechtsbeziehung zwischen Antragsteller und Betroffenem besteht. Im konkreten Fall lag eine derartige Rechtsbeziehung zu den Beamten als Perso­nen nicht vor, sondern zur Polizei, für die die Beamten tätig wurden. Die Petentin hatte also keinen Anspruch auf Kenntnis der Identität der Polizeibeamten.

Was ist zu tun?
Besteht ein rechtliches Interesse des Antragstellers, so kann nach dem IFG ein Zugangsersuchen zu dessen Durchsetzung nicht zurückgewiesen werden.

12.4.2    Gefährdungsbeurteilungen

Ein IFG-Antrag kann lediglich auf Zugang zu den vorhandenen Informatio­nen gerichtet sein, unabhängig davon, ob eine Behörde zu einer Beurteilung gesetzlich verpflichtet war.

Eine Petentin forderte Einsicht in eine Dokumentation zur Gefährdungsbeurtei­lung nach dem Arbeitsschutzgesetz sowie in eine Dokumentation zu den psychi­schen Belastungen am Arbeitsplatz. Gefährdungsbeurteilungen für Arbeitsplätze können sehr umfangreiche Papiere sein, die von der staatlichen Arbeitsschutz­behörde im Rahmen ihrer Aufsichts- und Überwachungstätigkeit eingesehen, aber in den wenigsten Fällen mitgenommen werden. Soweit die staatliche Arbeitsschutzbehörde bei der Unfallkasse Nord die entsprechenden Gefährdungs­beurteilungen nicht kopiert bzw. mitgenommen hat, gelten diese als nicht vorhan­dene Informationen nach dem IFG.

Was ist zu tun?
Aus dem IFG ergibt sich keine Verpflichtung der Behörden, nicht vorhandene Informationen zu rekonstruieren oder zu beschaffen.

12.5       Agrarsubventionsempfänger im Internet – Ende eines Konfliktes

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom November 2010 ist die Auffassung des ULD zur Veröffentlichung personenbezogener Daten von Empfängern von Agrarsubventionen bestätigt und ein langer Konflikt been­det worden.

Seit 2009 veröffentlichten alle EU-Staaten jedes Jahr Informationen über die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirt­schaft und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums. Dabei wurden für jeden Begünstigten die Beiträge unter Nennung des Namens und des Wohnortes der Person oder Organisation, welche die Subventionen erhält, genannt. Diese Veröffentlichungen personenbezogener Daten wurden vom ULD kritisch gesehen (31. TB, Tz. 12.1; 32. TB, Tz. 12.2). Der Europäische Gerichtshof hat nun nach Vorlage durch ein deutsches Gericht entschieden, dass die Rechtsvorschriften, die eine Veröffentlichung der Namen natürlicher Personen, die Empfänger derartiger Beihilfen sind, vorschreiben, teil­weise ungültig sind. Diese Verpflichtung zur Veröffentlichung verletzt das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten. Zukünftig dürfen die Empfänger von EU-Agrarsubventionen nicht mehr in der bisherigen Form veröffentlicht werden. Eine Veröffentlichung zu natürlichen Personen darf lediglich in anonymisierter Form erfolgen.

Was ist zu tun?
Die Veröffentlichung der Daten zu EU-Subventionen sind inzwischen daten­schutzkonform gestaltet. An dieser normativ abzusichernden Praxis muss fest­gehalten werden.

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