4.6         Schutz des Patientengeheimnisses

4.6.1      Entwurf eines Gendiagnostikgesetzes des Bundes

Der Entwurf eines Gendiagnostikgesetzes bringt einen deutlichen Fortschritt für den Schutz von besonders sensiblen Daten. Ein Manko ist aber die kom­plette Ausklammerung des Forschungsbereichs.

Im August 2008 beschloss das Bundeskabinett den Entwurf eines Gendiagnos­tikgesetzes. In Teilen geht dieses Regelungsvorhaben auf einen im Jahr 2006 von der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen vorgelegten ähnlichen Gesetz­entwurf zurück. Vor der Verabschiedung des Entwurfs hatte auch das ULD die Gelegenheit wahrgenommen, eine Stellungnahme abzugeben.

Der Gesetzentwurf regelt den Umgang mit genetischen Daten, wobei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betont wird. Im Hinblick auf die weitreichenden Erkenntnisse, die sich aus genetischen Daten ergeben können, hat der Einzelne nicht nur das Recht auf Zugang zu seinen genetischen Daten, sondern auch das Recht auf Nichtkenntnis; er darf nicht zur Kenntnisnahme seiner genetischen Disposition gezwungen werden, wenn er diese ablehnt.

Wie schon von der Rechtsprechung angenommen, soll eine genetische Abstam­mungsanalyse nur erlaubt sein, wenn die Personen, deren Zellmaterial untersucht werden soll, ausdrücklich eingewilligt haben. Heimliche Abstammungsuntersu­chungen bleiben verboten.

Von hoher Bedeutung sind die Regelungen über genetische Untersuchungen im Arbeitsverhältnis und im Zusammenhang mit einem Versicherungsvertrag. Es wird klargestellt, dass der Arbeitgeber nicht verlangen darf, dass sich der Arbeit­nehmer genetischen Untersuchungen unterwirft. Bestimmte, eng umrissene Aus­nahmen sind zulässig bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen. Verboten wird auch die Verwertung von Erkenntnissen aus vorhandenen Genanalysen durch den Arbeitgeber.

Auch Versicherungsunternehmen sollen künftig daran gehindert werden, geneti­sche Erkenntnisse über den Versicherungsnehmer zu erheben oder zu verwerten. Bisher gilt insoweit eine Selbstverpflichtung der Versicherungsbranche; dieses Moratorium läuft allerdings 2014 aus. Eine Ausnahme von dem Verbot soll es geben, wenn eine Versicherung mit einer sehr hohen Versicherungssumme abge­schlossen wird. Allerdings ist fraglich, ob die hierfür festgesetzte Grenze von 300.000 Euro nicht zu niedrig angesetzt ist.

Der Entwurf enhält flankierende verfahrensmäßige Sicherungen. Eine genetische Untersuchung zu medizinischen Zwecken darf nur durch einen Arzt vorgenommen werden. Eine zentrale Bedeutung hat auch die Beratung über die genetische Untersuchung. Teilweise sind solche Beratungen im Kontext mit genetischen Untersuchungen zwingend vorgeschrieben; bei anderen genetischen Untersuchun­gen soll die Beratung nur angeboten werden.
Ein vom ULD in seiner Stellungnahme hervorgehobener wesentlicher Kritikpunkt betrifft das vollständige Fehlen von Regelungen über den Umgang mit genetischen Proben und Daten zu Forschungszwecken. Damit bleibt ein wesentliches Feld ungeregelt und der Einzelne insoweit nur unzureichend geschützt. Dies erscheint unangemessen – gerade angesichts der weiter wachsenden Bedeutung von geneti­scher Forschung und namentlich der Zunahme von Biobanken, die auch genetische Daten vorhalten (Tz. 8.10).

Was ist zu tun?
Das Land Schleswig-Holstein sollte weiterhin darauf hinwirken, dass noch bestehende Defizite des Gesetzentwurfs beseitigt oder fehlende Regelungen in einer späteren Gesetzgebung ergänzt werden.

 

4.6.2      Versagung der Einsicht in Patientenakte beim Betriebsarzt

Jeder Patient hat ein Recht, in die vom Arzt über ihn mit seinen Gesund­heitsdaten geführte Akte Einsicht zu nehmen. Dies gilt auch für Akten beim Betriebsarzt. Unerheblich ist, ob zwischen Arzt und betroffener Person ein Behandlungsvertrag besteht oder der Arzt im Auftrag des Arbeitgebers tätig wird.

Ein Arbeitnehmer wurde nach der Untersuchung durch den Betriebsarzt vom Nacht- in den Tagdienst versetzt. Hierdurch erlitt er Einkommenseinbußen. Nicht klar war, ob der Arzt konkrete Untersuchungsergebnisse unbefugt an den Arbeit­geber weitergegeben hatte. Der Arbeitnehmer forderte deshalb von dem Arzt umfassend Auskunft über den Inhalt seiner Patientenakte. Diese wurde ihm wieder­holt verwehrt.

Immer wieder verweigern Mediziner Patienten die Einsicht in die über sie geführ­ten Unterlagen. Dabei hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung in den letzten Jahren klar zugunsten der Patienten positioniert. Angaben über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen betreffen den Patienten unmittelbar in seiner Privatsphäre. Sein Einsichtsrecht darf daher nur in besonderen Ausnahme­fällen beschränkt werden, beispielsweise wenn die Kenntnisnahme durch den Patienten medizinisch nicht verantwortbar ist oder wenn persönliche Notizen des Arztes betroffen sind.

Der Arbeitsmediziner rechtfertigte die Einsichtsverweigerung damit, zwischen ihm und dem untersuchten Arbeitnehmer bestehe kein Vertragsverhältnis. Dies ist kein Grund: Der Anspruch auf Zugang zu den Inhalten der Arztakte ist rechtlich vielfach verankert und ergibt sich nicht nur aus dem Behandlungsvertrag.

Ärzte sind bereits aufgrund des verfassungsrechtlich gewährten Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie aufgrund der Regelungen des Datenschutz­gesetzes zur vollständigen schriftlichen Auskunft verpflichtet. Der Arzt wurde vom ULD aufgefordert, dem Arbeitnehmer schriftlich über den Inhalt der Patienten­unterlagen Auskunft zu erteilen.

Was ist zu tun?
Ärzte müssen dem Betroffenen unabhängig vom Bestehen eines Vertragsver­hältnisses Auskunft über den Inhalt der Behandlungsunterlagen gewähren. Zweckmäßigerweise werden für den Patienten Kopien der Unterlagen angefer­tigt. Persönliche Notizen des Arztes dürfen geschwärzt werden.

 

4.6.3      Einhaltung von Sicherheitsstufen bei der Vernichtung von konventionellen Datenträgern

Ein Schredder mit Crosscut oder Streifenschnitt? Sicherheitsstufe 2, 3 oder 4? Wie sind konventionelle Datenträger mit personenbezogenen Daten, die einem besonderen Berufsgeheimnis wie der ärztlichen Schweigepflicht unter­liegen, zu vernichten?

Ausführliche Antworten hierzu finden sich in unserem Beitrag „Datenschutz­gerechte Entsorgung von Patientenunterlagen“:

www.datenschutzzentrum.de/material/themen/gesund/entsorg.htm

Vorweg folgende Anmerkung: Der beste Schredder nützt wenig, wenn die zu vernichtenden Unterlagen über Wochen hinweg in einem Pappkarton irgendwo für jedermann frei zugänglich gesammelt werden. Auch diese Unterlagen sind bis zu ihrer endgültigen Vernichtung sicher aufzubewahren.

Wird ein Fremdunternehmen mit der Vernich­tung beauftragt, muss sichergestellt werden, dass die Mitarbeiter dieses Dienstleisters keine Kennt­nis von den Daten nehmen (können). Dies kann bedeuten, dass ein Mitarbeiter der Arztpraxis die Unterlagen von ihrer Übergabe bis zu ihrer end­gültigen Vernichtung begleitet.

Wer die Vernichtung selbst vornehmen möchte, muss darauf achten, dass die nach der Vernichtung überbleibenden Materialteilchen keine lesbaren Informationen mehr enthalten. Entscheidend ist hierbei die Größe der Materialteilchen. Wer sichergehen will, achtet darauf, dass der Schredder eine Vernichtung nach Sicher­heitsstufe 4 garantiert.

Was ist zu tun?
Bei der Vernichtung von konventionellen Datenträgern mit personenbezogenen Daten, die einem besonderen Berufsgeheimnis wie z. B. der ärztlichen Schwei­gepflicht unterliegen, muss während des gesamten Prozesses darauf geachtet werden, dass Unbefugte keine Kenntnis von den Daten nehmen können.

 

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