4.8         Steuerverwaltung

4.8.1      Zustellung von Schriftstücken durch dänische Finanzverwaltung

Grenzüberschreitende Steuerhinterziehung und Steuerumgehung führen zu Einnahmeverlusten, verletzen das Prinzip der Steuergerechtigkeit und können Verzerrungen des Kapitalverkehrs und des Wettbewerbs verursachen. Datenschutz hindert nicht die Inanspruchnahme mitgliedstaatlicher Hilfe in der Europäischen Union für steuerstrafrechtliche Ermittlungen.

Ein in Dänemark wohnhafter Petent beschwerte sich über die Zustellung eines Schreibens eines deutschen Finanzamtes durch die dänische Finanzverwaltung. Das Schreiben eröffnete dem Petenten rechtliches Gehör in einem gegen ihn eingeleiteten Steuerstrafverfahren. Der Petent meinte, das deutsche Finanzamt hätte das Schreiben direkt an die dänische Adresse schicken müssen, und die dänische Finanzverwaltung sei nicht befugt gewesen, dieses als einfachen Brief zu versenden.

Tatsächlich ist den deutschen Finanzbehörden erlaubt, bei der Bekanntgabe von Schriftstücken gegenüber im EU-Ausland lebenden Empfängern, welche dem deutschen Steuerrecht unterliegen, die Hilfe ausländischer Finanzbehörden in Anspruch zu nehmen. Dabei leistet das Bundeszentralamt für Steuern internationale Amtshilfe in den Bereichen der Umsatzsteuer und der Ertragssteuer; insbesondere Auskunftsersuchen und Zustellungsbegehren werden so koordiniert. Rechtsgrundlage hierfür ist die Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung. Danach sendet die deutsche Finanzbehörde ihre Verwaltungsakte, Entscheidungen und auch sonstige Mitteilungen, wie etwa die Anhörung in einem eingeleiteten Steuerstrafverfahren, an das Bundeszentralamt, das den anderen EU-Staat um eine Zusendung des Schriftstückes auf dem ausländischen Territorium ersucht.

Im konkreten Fall erfolgte die Zusendung des deutschen Finanzamtes an das Bundeszentralamt in verschlossenem Umschlag. Dieses ersuchte die dänische Finanzbehörde um Zusendung des Umschlages an die dänische Adresse. Datenschutzrechtliche Vorschriften wurden nicht verletzt. Dem deutschen Finanzamt konnte auch nicht vorgeworfen werden, dass die dänische Finanzbehörde die Zusendung mittels einfachem Brief vornahm. Insofern gelten die dänischen Zustellungsvorschriften. Die EU-Verordnung verlangt ausdrücklich Angaben über den Gegenstand der zuzustellenden Verwaltungsakte oder Entscheidungen, Namen und Anschrift des Empfängers sowie alle weiteren zur Identifizierung des Empfängers notwendigen Informationen.

Was ist zu tun?
Im Rahmen der Bekämpfung der Umsatzsteuerhinterziehung ist eine enge Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten vorgesehen. Damit einhergehende Datenübermittlungen sind bei Wahrung der Vorschriften erlaubt.

 

4.8.2      Speicherung von Lohnsteuerabzugsmerkmalen – Bundes-Steuerdatei

Mit dem Entwurf des Jahressteuergesetzes 2008 wird die Ablösung des Lohnsteuerkartenverfahrens durch ein elektronisches Abrufverfahren ab 2011 eingeleitet. Die damit verbundenen gesetzlichen Änderungen halten einer datenschutzrechtlichen Beurteilung nicht stand.

Die zentralisierte Erfassung der deutschen Bevölkerung für steuerliche Zwecke geht ohne Rücksicht auf das Verbot der Vorratsdatenspeicherung voran. Die für Juli 2007 vorgesehene Einführung der Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) hat sich wegen praktischer IT-Probleme verschleppt (29. TB, Tz. 4.8.3) und nicht auf Grund der Einsicht, dass diese aus Grundrechtssicht nicht akzeptabel ist.

https/www.datenschutzzentrum.de/presse/20070629-steuer-id.htm

Im Rahmen des Entwurfes eines Jahressteuergesetzes 2008 ist geplant, die beim Bundeszentralamt für Steuern in Zusammenhang unter der Datenbank mit den Steuer-IDs weitere personenbezogene Daten zu speichern, z. B. die rechtliche Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft, bei Verheirateten die Steuernummer des Ehegatten, Kinder und ihre Identifikationsnummern, der Familienstand und die gewählte Steuerklasse.

Bereits heute werden die entsprechenden Lohnsteuerabzugsmerkmale auf den Lohnsteuerkarten eingetragen. Künftig soll die Speicherung der Daten auch bei Personen erfolgen, die sich nicht in einem Beschäftigungsverhältnis befinden. Nach Ansicht der Bundesregierung könne das Bundeszentralamt nur auf diesem Wege die elektronischen Abzugsmerkmale ohne zeitliche Verzögerungen automatisiert bilden und dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen. Durch manuelle Bearbeitung einer Meldung im Einzelfall ausgelöste Verzögerungen rechtfertigen die voraussetzungslose Sammlung von personenbezogenen Daten nicht. Die Speicherung von personenbezogenen Daten muss stets dem Erforderlichkeitsgrundsatz genügen.

Der Gesetzesentwurf sieht weiterhin vor, dass sich der Arbeitgeber für den Abruf der Lohnsteuerabzugsmerkmale authentifizieren und hierfür seine Wirtschaftsidentifikationsnummer sowie die Steuer-ID und den Tag der Geburt des Arbeitnehmers mitteilen muss. Eine solche Authentifizierung kann den unberechtigten Zugriff Dritter auf die Lohnsteuerabzugsmerkmale nicht ausschließen. Bei der Erbringung elektronischer Informations- und Kommunikationsdienste muss der Arbeitgeber nach den Vorschriften des Telemediengesetzes seine Wirtschaftsidentifikationsnummer allgemein ständig verfügbar halten. Ehemalige Arbeitgeber oder sonstige unbefugter Dritter können die zum Abruf nötigen Informationen unter Umständen leicht in Erfahrung bringen und damit sensible Informationen abrufen.

Die 74. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat im Oktober 2007 eine Entschließung verabschiedet, das im Gesetzesentwurf geplante Vorhaben der Umstellung auf ein elektronisches Verfahren vom Jahressteuergesetz 2008 zu trennen.

www.thueringen.de/datenschutz/74_konferenz/zentrale_steuerdatei

Was ist zu tun?
Ein derart bedeutsames Projekt bedarf einer gründlichen fachlichen Analyse sowie einer öffentlichen politischen und verfassungsrechtlichen Diskussion.

 

4.8.3      Insolvenzhinweis als Adresszusatz

Eine zustellfähige Adresse besteht gewöhnlich aus dem Vor- und Nachnamen des Empfängers, Straße und Hausnummer sowie Postleitzahl und Ortsname. Ein lesbarer Hinweis auf die Insolvenz des Adressaten darf hingegen nicht im Adressfeld erscheinen.

Ein Petent erhielt von einem Finanzamt einen Steuerbescheid, in dessen Adressfeld der Zusatz „In Insolvenz“ zu lesen war. Auf die Datenschutzproblematik hingewiesen, entschuldigten sich die Mitarbeiter des Finanzamtes bei dem Betroffenen umgehend für diese Adressierung. Bei den entsprechenden Adressangaben handelte es sich um einen Eingabefehler, wobei der Hinweis auf die Insolvenz nicht einmal zutreffend war. Das Finanzamt sicherte zu, den fehlerhaften Datenbestand sofort zu bereinigen.

Das Finanzamt erklärte, die Aufnahme des Adresszusatzes erfolge aus verfahrenstechnischen Gründen. Das Insolvenzverfahren sei ein öffentliches Verfahren, daher müsste die Aufnahme eines entsprechenden Adresszusatzes möglich sein. Gleichwohl verpflichtete sich das befragte Finanzamt, künftig eine Adressierung mit dem Hinweis „In Insolvenz“ auch in begründeten Fällen zu unterlassen. Dies ist auch nötig, da die Postadressierung einen anderen Adressatenkreis zu einem anderen Zweck erreicht als die Mitteilung über Insolvenzverfahren. Das Finanzministerium des Landes unterstützte die datenschutzgerechte Gestaltung der Adressierung durch ein klärendes Schreiben an alle Finanzämter in Schleswig-Holstein. So wird eine landesweit einheitliche Handhabung der Adressierung von Steuerbescheiden erreicht.

Was ist zu tun?
Finanzämter sind zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet. Verhältnisse, die im Rahmen eines Besteuerungsverfahrens bekannt geworden sind, dürfen nicht unbefugt offenbart werden, auch nicht durch Verwendung von Zusätzen im Adressfeld von Schreiben.

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