16. Tätigkeitsbericht (1994)



4.2

Kommunalbereich

4.2.1

Probleme einer Stadtverwaltung bei der Umsetzung des neuen Datenschutzrechts

Als Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung kommen auch kommunale Satzungen in Betracht. Der Beachtung der datenschutzrechtlichen Transparenzgebote kommt dabei besondere Bedeutung zu.

Anfragen und Eingaben haben gezeigt, daß die neuen Bestimmungen des LDSG im kommunalen Bereich noch nicht ausreichend umgesetzt worden sind. Zur aktuellen Standortbestimmung haben wir deshalb bei einer Stadtverwaltung eine Prüfung durchgeführt, die ausschließlich die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben der Stadt zum Gegenstand hatte. Dabei standen zwei Problemkreise im Vordergrund:

- Datenverarbeitungsregelungen im kommunalen Satzungsrecht

Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur zulässig, wenn entweder die oder der Betroffene eingewilligt hat oder eine Rechtsvorschrift sie erlaubt. Neben Bundes- und Landesgesetzen können auch Satzungen der Kommunen Befugnisse zur Datenverarbeitung enthalten.

In ihnen sind allerdings die Zweckbindungsvorschriften des LDSG zu berücksichtigen. Die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten ist nämlich grundsätzlich nur für den Zweck zulässig, für den sie erhoben worden sind. Werden Daten, die zur Aufgabenerfüllung benötigt werden, nicht bei Betroffenen erhoben, sondern bereits vorhandenen Datenbeständen entnommen, liegt darin durchweg eine zweckändernde Nutzung personenbezogener Daten, zu der die Verwaltung durch eine ausdrückliche Befugnis in einer Rechtsvorschrift ermächtigt werden muß.

Satzungen kommen als Eingriffsbefugnis in Betracht, wenn festgelegt ist, welche Daten von der Verwaltung aus welchen Datenbeständen für die Erfüllung bestimmter Aufgaben verarbeitet werden dürfen. Der notwendige Inhalt einer solchen Regelung ist im einzelnen von dem konkreten Gegenstand des Verwaltungsverfahrens abhängig. Textvorschläge, wie sie inzwischen vom Innenminister herausgegeben worden sind, können deshalb nur eine Orientierungshilfe sein, die an die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Kommune angepaßt werden müssen.

Die kommunalen Entscheidungsgremien haben durch eine Satzung der Verwaltung nicht nur die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe zu übertragen, sondern auch zu bestimmen, in welchem Umfang zur Erfüllung dieser Aufgabe personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen.

Dabei können sich Beschränkungen aus höherrangigem Recht ergeben. So kann z.B. aufgrund einer kommunalen Satzung nicht das in der Abgabenordnung enthaltene Steuergeheimnis abgeändert werden. Außerdem muß der Grundsatz beachtet werden, daß nach dem Datenschutzrecht personenbezogene Daten nur erhoben werden dürfen, wenn ihre Kenntnis zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben der erhebenden Stelle erforderlich ist.

- Das Aufklärungsgebot im Rahmen der Datenerhebung

Eine zentrale Feststellung im Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts besagt, daß der Bürger einen Anspruch darauf hat, zu wissen, wer welche Daten bei welcher Gelegenheit über ihn verarbeitet. Deshalb ist im Landesdatenschutzgesetz festgelegt worden, daß Betroffene bei der Erhebung ihrer Daten in geeigneter Weise über den Zweck der Datenerhebung, die vorgesehene Art der Weiterverarbeitung und bei beabsichtigten Übermittlungen auch über den Empfängerkreis aufzuklären und auf die Rechtsgrundlage der Erhebung bzw. die Freiwilligkeit hinzuweisen sind.

Werden Daten ausnahmsweise ohne Kenntnis der Betroffenen bei Dritten erhoben, so sind sie in gleicher Weise zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufgabenerfüllung der Behörde möglich ist. Zusätzlich ist bei der Speicherung der Daten sicherzustellen, daß ihre Herkunft nachvollziehbar ist. Diese Verfahrensregelungen verbessern nicht nur den Kenntnisstand des Betroffenen über die Verarbeitung seiner Daten, sie versetzen ihn auch in die Lage, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns selbst beurteilen zu können. Nur wenn dem Bürger bekannt ist, in welchem Umfang tatsächlich seine Daten verarbeitet werden, kann er prüfen, ob dies im Einklang mit dem geltenden Recht erfolgt.

Aus diesem Grund ist auch die Einhaltung der Verfahrensvorschriften nicht nur eine bloße Obliegenheit der datenverarbeitenden Stelle, sondern eine unmittelbar verfassungsrechtlich begründete Zulässigkeitsvoraussetzung für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausdrücklich klargestellt: "Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden."

Wird beim Erhebungsvorgang das Aufklärungsgebot nicht beachtet bzw. die gebotene Aufklärung im Falle der Datenerhebung ohne Kenntnis der Betroffenen nicht alsbald nachgeholt, stellt dies einen unzulässigen Eingriff in die vom Bundesverfassungsgericht konkretisierte Grundrechtsposition der Betroffenen dar.

Eine andere Frage ist es, bis zu welchem Zeitpunkt die Aufklärung bei einer Datenerhebung ohne Kenntnis des Betroffenen erfolgen muß. Hier mag es angehen, daß trotz der strengen Gesetzesformulierung ("sobald die rechtmäßige Erfüllung der Aufgaben dadurch nicht gefährdet wird") im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips Gesichtspunkte der Praktikabilität berücksichtigt werden können. Erfolgt beispielsweise die Verarbeitung der Daten in einem Abgabenbescheid in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erhebung, so dürfte die Aufklärung zusammen mit dem Erlaß des Bescheides zulässig sein.

Die Ergebnisse der Prüfung

Zum Zeitpunkt der Prüfung waren im kommunalen Satzungsrecht der Stadt noch keine Datenverarbeitungsregelungen enthalten. Die Notwendigkeit entsprechender Regelungen bestand vor allem für folgende Bereiche:

  • Führung eines Grundstückseigentümerverzeichnisses
  • Erhebung der Zweitwohnungssteuer
  • Erhebung von Straßenausbaubeiträgen
  • Durchführung der Baumschutzsatzung
  • Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen an öffentlichen Straßen
  • Erhebung der Kurabgabe
  • Erhebung der Fremdenverkehrsabgabe

Es wurden hauptsächlich Daten aus den zur Prüfung des Vorkaufsrechts übersandten Kaufverträgen nach dem Baugesetzbuch sowie aus Baugenehmigungsunterlagen in zweckändernder Weise ohne Kenntnis der Betroffenen genutzt. Auf der Grundlage der Prüfungsergebnisse konnten die notwendigen Ergänzungen des Satzungsrechts noch vor Ablauf der Ende 1993 auslaufenden zweijährigen Übergangsfrist verabschiedet werden. Anderenfalls wäre ein Zugriff auf die genannten Datenbestände zu Selbstverwaltungszwecken unzulässig gewesen.

Ob über die festgestellten Datenverarbeitungsvorgänge hinaus weitere Datenbestände unter Umständen in zweckändernder Weise genutzt worden sind, konnte nicht abschließend beurteilt werden, da die Herkunft der Daten in den Unterlagen häufig nicht dokumentiert war. Dies zeigt, daß die Beachtung der im Datenschutzrecht festgeschriebenen Dokumentationspflicht eine wichtige Voraussetzung zur Erlangung prüfungsfähiger Unterlagen darstellt.

Auch die Aufklärungspflicht im Rahmen der Datenerhebung ist bis zu unserer Prüfung generell nicht beachtet worden. In Zusammenarbeit mit der Stadt konnten aber praktikable Lösungen erarbeitet werden, die eine Umsetzung des Transparenzgebotes für die Zukunft gewährleisten sollen.

In ihrer abschließenden Stellungnahme hat die Stadt inzwischen angekündigt, nunmehr den datenschutzrechtlichen Anforderungen zu verfahren.

4.2.2

Die Kommunalwahl und ihre Vorbereitung

Meldedaten, die einer Auskunftssperre unterliegen, kommen bei der Kommunalwahl nicht mehr ins Wählerverzeichnis. Viele Bürger fordern darüber hinaus ein Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe ihrer Daten an politische Parteien.

Schon vor einer Reihe von Jahren haben wir darauf hingewiesen, daß bei der öffentlichen Auslegung von Wählerverzeichnissen entsprechend den verschiedenen Wahlordnungen, auch die Daten solcher Bürgerinnen und Bürger offenbart werden, für die im Melderegister zum Schutz ihres Lebens, ihrer Gesundheit, ihrer persönlichen Freiheit oder ähnlicher Rechtsgüter Auskunftssperren vermerkt sind. Der Innenminister lehnte bisher Änderungen des Verfahrens unter Hinweis auf die Rechtslage ab. Außerdem war er der Meinung, daß von den Wählerlisten nur eine geringe Gefahr für den betroffenen Wahlberechtigten ausgehe.

Anläßlich der Beratung der Gemeinde- und Kreiswahlordnung haben wir das Problem erneut aufgegriffen. Die öffentliche Auslegung gesperrter Meldedaten und die fehlende Dokumentation solcher Fälle, in denen durch Dritte Auszüge aus den Wählerlisten angefertigt werden, wurde von uns als unverhältnismäßiger Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht bezeichnet, endlich mit Erfolg.

Die neue Kommunalwahlordnung untersagt die öffentliche Auslegung von Daten Wahlberechtigter, die nach dem Landesmeldegesetz gesperrt sind. Damit ist das Problem zumindest für die anstehenden Kommunalwahlen gelöst. Es ist allerdings wichtig, auch für die anderen Wahlen einen gleichen Datenschutzstandard zu erreichen. Der Innenminister wurde daher aufgefordert, entsprechende Regelungen in den Wahlrechtsbestimmungen des Landes und des Bundes und für die europäischen Wahlen zu initiieren.

In Wahlkampfzeiten versuchen Bürgerinnen und Bürger in wachsendem Maße, sich der Wahlpropaganda extremer Parteien zu entziehen, deren Auftreten sie als unangemessen, belästigend oder sogar beleidigend ansehen. Das Landesmeldegesetz läßt zu, Parteien und Wählergruppen in den sechs Monaten vor der Wahl Melderegisterauskünfte über Wahlberechtigte, geordnet nach Altersgruppen, zu erteilen. Allerdings kann die Meldebehörde nach eigenem Ermessen entscheiden, ob solche Listen überhaupt herausgegeben werden oder nicht. Die Entscheidung kann aus Gründen der Gleichbehandlung jedoch nur für alle Parteien und Gruppen gleichmäßig getroffen werden. Das Landesmeldegesetz läßt überdies gegen die Entscheidung keinen Widerspruch betroffener Bürgerinnen und Bürger zu. Ein Unterlassungsanspruch gegen solche Auskünfte wird bei der bestehenden Rechtslage von der Rechtsprechung abgelehnt, es sei denn, im Melderegister ist eine Auskunftssperre eingetragen.

Diese Rechtslage empfinden wir ebenso wie viele Bürgerinnen und Bürger als unbefriedigend. Es sollte geprüft werden, ob nicht durch eine Änderung der melderechtlichen Bestimmungen dem einzelnen Wahlberechtigten, ähnlich wie bei der Weitergabe seiner Daten für die Erstellung von Adreßbüchern, ein Widerspruchs- oder Abwehrrecht eingeräumt werden sollte. Dies entspräche dem Bild des mündigen Wahlbürgers und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gleichermaßen.

4.2.3

Direkter Zugriff des Rechnungsprüfungsamtes auf Verwaltungsdaten?

Ein direkter Zugriff des Rechnungsprüfungsamtes auf die Daten der Fachabteilungen ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Er muß aber durch geeignete Vorkehrungen auf das notwendige Maß begrenzt werden.

Eine Kreisverwaltung wandte sich mit der Frage an uns, ob das Rechnungsprüfungsamt über seine EDV-Terminals zu Prüfungszwecken Daten aus anderen Abteilungen der Kreisverwaltung direkt abrufen dürfe.

In unserer Stellungnahme haben wir darauf hingewiesen, daß

  • die Rechnungsprüfungsämter auf konventionellem Weg wie im Online-Verfahren nur insoweit Zugriffsrechte auf die Daten der Fachabteilungen haben dürfen, wie sie diese für Zwecke der Kontrolle benötigen,
  • die grundsätzliche Zulässigkeit der Nutzung von gespeicherten Daten zu Prüfungszwecken durch Rechnungsprüfungsämter nicht automatisch zu einer umfassenden und unkontrollierten Zugriffsberechtigung führen darf,
  • von ihrer Aufgabenstellung her den Rechnungsprüfungsämtern nur Lese-, keine Schreibrechte in den zu prüfenden Datenbeständen eingeräumt werden dürfen, daß es den Mitarbeitern des Rechnungsprüfungsamtes keinesfalls möglich sein darf, auf die Betriebssystemebene der EDV-Systeme zu gelangen,
  • durch ein innerhalb der Rechnungsprüfungsämter einzusetzendes Sicherungsverfahren zudem sichergestellt werden muß, daß die Mitarbeiter tatsächlich nur auf die ihrer Zugriffsberechtigung unterliegenden personenbezogenen Daten zugreifen können,
  • die in den Rechnungsprüfungsämtern eingesetzten Datenverarbeitungsgeräte und Programme gegenüber der sonstigen Hard- und Software der Behörde keine Sonderstellung einnehmen, daß sie also entsprechend den Regelungen des LDSG gesichert, registriert und dokumentiert werden müssen,
  • schließlich sichergestellt werden muß, daß die durch das Rechnungsprüfungsamt ggf. kopierten Daten nach Abschluß der Prüfung unverzüglich gelöscht werden.

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