Dienstag, 26. Juli 2011

5: Stellungnahmen

Datenschutz und Dopingbekämpfung

Positionspapier des 
Landesbeauftragten für den Datenschutz Rheinland Pfalz (LfD Rh.Pf.) und des
Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD)

Mainz und Kiel, 26. Juli 2011

Sportler in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben sich an den LfD Rh.Pf. bzw. das ULD gewandt mit der Bitte um Unterstützung bei der Wahrung ihres Persönlichkeitsrechts im Rahmen der bei ihnen angewendeten Maßnahmen der Dopingkontrolle. Dies gilt für das Überwachungsverfahren, das die Sportler verpflichtet, jederzeit für Dopingkontrolle verfügbar und erreichbar zu sein, für die Art der Durchführung konkreter Doping-Tests sowie den Umgang mit den dadurch erlangten Daten. Diese Eingaben sowie sonstige Anfragen sind der Anlass für das ULD, die rechtlich und politisch äußerst komplexe und konfliktreiche Thematik des Datenschutzes bei der Dopingbekämpfung zu behandeln.

A. Der organisatorische und normative Rahmen

In Art. 7 Abs. 3 a) Anti-Doping-Abkommen des Europarates aus dem Jahr 1989 ist geregelt (i. V. m. Absatz 74 des Erläuternden Memorandums), dass Doping-Kontrollen zu geeigneten Zeiten und mit geeigneten Methoden ohne unverhältnismäßiges Eingreifen in das Privatleben des Sportlers oder der Sportlerin durchgeführt werden.

Die Dopingkontrolle in Deutschland wird durch die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA, Nationale Anti Doping Agentur, Heussallee 38, D-53113 Bonn, Tel.: +49 228 / 81292-0, Fax: +49 228 / 81292-219, www.nada-bonn.de) organisiert. Die NADA ist eine Stiftung des Bürgerlichen Rechts.

Die Durchführung der Dopingkontrolle erfolgt auf der Basis des Nationalen Anti Doping Codes (NADC 2009, Version 2.0).

Der NADC ist die nationale Umsetzung des weltweiten Codes der World Anti-Doping Agency (WADA) mit Sitz in Montreal, Provinz Quebec, Kanada (WADA-Code). Bei der WADA handelt es sich um eine am 10.11.1999 gegründete Stiftung schweizerischen Rechts.

Zentrale rechtliche Grundlage für die Doping-Kontrolle in Deutschland ist der „Standard für Dopingkontrollen“ (NADA-Kontrollstandard, Version 2.0 vom 01.07.2010)

sowie der „Standard für Meldepflichten“ (NADA-Meldepflichtenstandard, Version 2.0 vom 01.07.2010).

Bei diesen Standards handelt es sich jeweils um die nationale Umsetzung der internationalen Vorgaben der WADA durch die NADA.

Schließlich gilt auf nationaler Ebene ein „Standard für Datenschutz (NADA-Datenschutzstandard, Version 2.0 vom 01.07.2010).

Der NADA-Datenschutzstandard ist die nationale Umsetzung des International Standard for the Protection of Privacy and Personal Information (ISPP - WADA-Datenschutzstandard) vom 01.06.2006.

An der Dopingbekämpfung sind neben der WADA und der NADA eine Vielzahl von Anti-Doping-Organisationen (ADOs) beteiligt mit entsprechenden Rechten und Aufgaben gemäß dem NADA- bzw. WADA-Regelwerk. ADOs sind das Internationale Olympische Komitee, das Internationale Paraolympische Komitee, Veranstalter großer Sportwettkämpfe, internationale Sportfachverbände und nationale Sportfachverbände (Begriffsbestimmungen Anhang 1 zum NADC). In Deutschland gehören zu den ADOs vorrangig die im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) organisierten Sportverbände sowie evtl. auch Landessportverbände und Landesfachverbände.

Die Artikel-29-Datenschutzgruppe (Art.-29-DS-Gruppe, WP 162), der Zusammenschluss der Datenschutzaufsichtsbehörden in der Europäischen Union (EU), verabschiedete am 06.09.2009 eine „Zweite Stellungnahme 4/2009 zum Internationalen Standard der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zum Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Informationen, zu entsprechenden Vorschriften des WADA-Codes und zu anderen Datenschutzfragen im Bereich des Kampfes gegen Doping im Sport durch die WADA und durch (nationale) Anti-Doping-Organisationen“ (Workingpaper – WP 162, 0746/09/DE). Darin kommt sie zu dem Ergebnis, dass der WADA-Datenschutzstandard in vieler Hinsicht gegen nationales und europäisches Datenschutzrecht verstößt und dass die verantwortlichen Stellen in der EU „den Welt-Anti-Doping-Code und die Internationalen Standards insoweit unberücksichtigt lassen müssen, als diese dem einzelstaatlichen Recht widersprechen“.

B. Die konkreten Regelungen und Verfahren

Art. 14.6 NADC ist mit „Datenschutz“ überschrieben:

„Zur Planung, Koordinierung, Durchführung, Auswertung und Nachbearbeitung von Dopingkontrollen darf die NADA personenbezogene Daten von Athleten und von am Dopingkontrollverfahren beteiligten Dritten verarbeiten.

Die NADA behandelt diese Daten vertraulich und stellt sicher, dass sie beim Umgang mit diesen Daten in Übereinstimmung mit geltendem nationalen Datenschutzrecht sowie dem Standard für Datenschutz handelt. Die Daten sind zu vernichten, sobald sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden.“

Es ist unstreitig, dass die ADOs den geltenden gesetzlichen Regelungen unterliegen, also auch dem nationalen Datenschutzrecht. So heißt es in Art. 2.2 NADA-Datenschutzstandard: „Die Anti-Doping-Organisationen können Datenschutzgesetzen und –bestimmungen unterliegen, deren Anforderungen über diejenigen dieses Standards für Datenschutz hinausgehen. In Deutschland müssen die Anti-Doping-Organisationen sicherstellen, dass sie personenbezogene Daten in Einklang mit dem BDSG verarbeiten.“

Die Bezugnahme zum Bundesdatenschutzgesetz erfolgt auch in Art. 1 Abs. 5 S. 1 NADA-Datenschutzstandard: „Die Anti-Doping-Organisationen können … durch geltendes nationales (z. B. BDSG) und internationales Datenschutzrecht dazu verpflichtet sein, Vorschriften und Regeln anzuwenden, die über diesen Standard hinausgehen; in Deutschland ergibt sich die Verpflichtung aus dem BDSG.“

Einwilligung

Es ist Voraussetzung für die Teilnahme an internationalen Sportwettkämpfen, dass sich die Sportler dem Regelwerk der NADA bzw. der WADA unterwerfen. Soweit dies mit informationellen Maßnahmen, also der Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden ist, wird dies durch eine Einwilligung der Betroffenen („Zustimmung“) zu legitimieren versucht.

Gemäß Art. 3.1.1 NADA-Meldepflichtenstandard bezieht sich die geforderte Einwilligung der Athleten auf die „Weitergabe seiner Angaben über Aufenthaltsort und Erreichbarkeit an andere Anti-Doping-Organisationen, die befugt sind, ihn einer Probeentnahme zu unterziehen (siehe Artikel 14.6 NADC)“.

Die Einwilligung zu der Meldedatenverarbeitung wird durch die jeweiligen ADO eingeholt und dort vorgehalten.

In Art. 5.3.5 q) NADA-Dopingkontrollstandard ist vorgesehen, dass bei der Probeentnahme die „Zustimmung des Athleten zurVerarbeitung der Testergebnisse in ADAMS“ eingeholt wird. In einem Kommentar hierzu (Anhang 2) wird jedoch ausgeführt: „Die gemäß Artikel 5.3.5 (q) geforderte Zustimmungserklärung der Athleten zur Veröffentlichung der Testergebnisse über ADAMS ist nicht erforderlich. Die NADA nutzt dieses ADAMS-Modul gegenwärtig nicht. Eine Veröffentlichung der Testergebnisse über ADAMS erfolgt demnach nicht.“

Meldepflichten

Art. 5.3.1 NADC schafft die Grundlagen für die Meldepflichten der Athleten: "Für die Planung effektiver Dopingkontrollen und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit für Dopingkontrollen müssen Athleten des Testpools der NADA die gemäß dem Standard für Meldepflichten vorgeschriebenen Angaben zu ihrem Aufenthaltsort und ihrer Erreichbarkeit machen."

Gemäß Art. 1.3 NADA-Meldepflichtenstandard müssen Athleten „vierteljährlich Angaben über Aufenthaltsort und Erreichbarkeit machen, die genaue und vollständige Informationen darüber enthalten, wo sie im kommenden Quartal wohnen, trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen werden. Änderungen sind unverzüglich anzuzeigen.“

Gemäß Art. 3.1 NADA-Meldepflichtenstandard handelt es sich konkret um folgende anzugebenden Daten:

  • Postanschrift
  • E-Mail-Adresse
  • Telefonnummer
  • Bestätigung der Einwilligung
  • Namen und Adresse jedes Ortes, wo sich der Athlet aufzuhalten gedenkt.

Gemäß Art. 3.8 NADA-Meldepflichtenstandard sind von den Athleten des RTP und des NTP die „Angaben über Aufenthaltsort und Erreichbarkeit … grundsätzlich in ADAMS … abzugeben und zu aktualisieren. In Ausnahmefällen, in denen dem Athleten oder dem Dritten kurzfristig kein Internetzugang zur Verfügung steht, können Aktualisierungen der Angaben über Aufenthaltsort und Erreichbarkeit telefonisch oder per SMS vorgenommen werden.“

RTP steht für „Registered Testing Pool“. Dabei handelt es sich um die Gruppe der Sportler, die von jedem internationalen Sportfachverband oder jeder nationalen ADO jeweils zusammengestellt wurde, um sie Anti-Doping-Kontrollen zu unterwerfen. „Jeder internationale Sportverband veröffentlicht eine Liste der Athleten des Registered Testing Pools namentlich oder mithilfe anderer eindeutiger Kriterien“ (Begriffsbestimmungen Anhang 1 zum NADC).

Weiterhin gibt es den nationalen Testpool (NTP), dem alle Athleten angehören, „die einem A-Kader oder einer A-Nationalmannschaft einer Sportart der Risikogruppe B und C angehören, sowie alle Athleten des erweiterten Kreises der Mannschaft für die Olympischen und Paraolympischen Spiele.  … Meldepflichtig für den ATP sind alle Bundeskaderathleten, die nicht bereits Mitglieder des RTP oder des NTP sind“ (Art. 2.5 NADA-Meldepflichtenstandard)

Innerhalb eines 60-minütigen Zeitfensters zwischen 6 und 23 Uhr muss der Athlet für Dopingkontrollen zur Verfügung stehen (Art. 4.1 NADA-Meldepflichtenstandard). Bei Melde- und Kontrollversäumnissen wird ein Disziplinarverfahren durchgeführt.

Verstöße gegen die Mitteilung der sog. "Whereabouts" können gemäß Art. 4.2 NADA-Meldepflichtenstandard zu Sanktionen bis hin zu einer 2jährigen Wettkampfsperre führen. Beim Misslingen einer Kontrolle innerhalb eines "60-minütigen Zeitfensters" wird dem Sportler in jedem Fall zumindest ein fahrlässiger Verstoß angelastet.

Art. 6.3 NADA-Meldepflichtenstandard regelt, dass eine ADO, „die ein Meldepflicht- und Kontrollversäumnis eines Athletenmeldet oder darüber informiert wird,  … die Informationen nur Personen mit berechtigtem Interesse offen(legt), bis feststeht, dass der Athlet … einen Verstoß … begangen hat. … Ungeachtet dessen kann die NADA den nationalen Sportfachverbänden zu jeder Zeit Informationen zu möglichen Meldepflicht- und Kontrollversäumnissen ihrer Athleten offen legen.“

Gemäß Art. 6.4 S. 1 NADA-Meldepflichtenstandard führt die ADO „ein Verzeichnis aller Meldepflicht- und Kontrollversäumnisse der Athleten ihres Testpools.“

Nach Art. 6.5 S. 1 NADA-Meldepflichtenstandard hat ein Athlet das Recht, den Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. 2.4 NADC „in einem Disziplinarverfahren mit voller Beweiswürdigung gemäß den Verfahrensgrundsätzen des Artikel 12 NADC überprüfen zu lassen“.

Durchführung der Dopingkontrolle

Die Durchführung der Dopingkontrollen und damit verbundene Duldungspflichten sind in Art. 5 NADC geregelt. Gem. Art. 5.2.2 sind „Athleten, die dem Testpool der NADA zugehörig sind, an einem Wettkampf teilnehmen oder auf sonstige Weise dem Anwendungsbereich des NADC unterfallen, … verpflichtet, sich Dopingkontrollen der NADA, der WADA und anderer, für die Durchführung von Dopingkontrollen zuständigen Anti-Doping-Organisationen zu unterziehen“.

Gemäß 5.4.1 NADC richtet sich die Durchführung nach dem NADA-Kontrollstandard. Die Kontrollen erfolgen nach definierten Kriterien zielgerichtet (Zielkontrolle nach Art. 2.3.2 NADA-Kontrollstandard) oder durch „zufällige Auswahl (Art. 2.3.3 NADA-Kontrollstandard). „Bis auf wenige Ausnahmen erfolgt die Benachrichtigung über die Probenahme ohne Vorankündigung“ (Art. 3.2.1 NADA-Kontrollstandard). Der kontrollierte Sportler unterliegt einer Vielzahl von Pflichten, u. a. der Pflicht, „sich vom Zeitpunkt der persönlichen Benachrichtigung durch den DCO und/oder Chaperon bis zum Ende des Verfahrens derProbeentnahme unter direkter Beobachtung des DCOs und/oder Chaperons zu bewegen (Art. 3.3.1 e) i) NADA-Kontrollstandard).

CDO ist „eine von der Anti-Doping-Organisation beauftragte Person, der die Verantwortung für die Durchführung der Probenahme vor Ort übertragen wurde“, Chaperon ist insofern eine besonders geschulte Person (Begriffsbestimmungen im NADA-Kontrollstandard).

Bei der Entnahme von Urinproben muss gemäß Anhang C.2 zum NADA-Kontrollstandard der DCO „die Abgabe der Urinprobe direkt beobachten“, was in C.3.9 konkretisiert wird: „Der DCO sorgt für einen ungehinderten Blick darauf, wie die Probe den Körper des Athleten verlässt. … Um einen ungehinderten Blick auf die Abgabe der Probe zu erhalten, weist der DCO den Athleten an, Kleidung, die den ungehinderten Blick auf die Abgabe der Probe verdeckt, abzulegen oder sie entsprechend zu richten.“

„Ziel ist es, sicherzustellen, dass der DCO auch bei Minderjährigen die Abgabe der Probe ordnungsgemäß beobachtet. Minderjährige, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen jedoch die Beobachtung der Probenahme durch den DCO ablehnen“ (Anhang B.3.4 zum NADA-Kontrollstandard). Nach B.3.5 dürfen Minderjährige von einer Vertrauensperson begleitet werden.

Nach Anlage E.3.5 NADA-Kontrollstandard ist geregelt, wie bei ungenügendem Volumen von Urinproben vorgegangen wird: Während der Athlet auf die Abgabe der nächsten Probe wartet, bleibt er unter ständiger Beobachtung und erhält die Möglichkeit zu trinken. Danach erfolgt eine weitere Probenahme.

In Anhang G NADA-Kontrollstandard sind die „personellen Voraussetzungen für die Probenahme“ festgelegt. Darin nicht vorgesehen sind Maßnahmen zur Schulung bzw. zur Feststellung der nötigen Kenntnisse zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Sportler.

Datenübermittlungen zwischen den Anti-Doping-Organisationen (ADOs) sowie an staatliche Ermittlungsbehörden

Art. 14.1 NADC regelt den Datenaustausch zwischen den ADO und der WADA: „Anti-Doping-Organisationen sind über ihre im NADC festgelegten Informationspflichten hinaus berechtigt, sich gegenseitig sowie die WADA über mögliche und tatsächliche Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen durch Athleten oder andere Personen und die Ergebnisse des Ergebnismanagement und des Disziplinarverfahrens zu informieren.“

Gemäß Art. 14.2 S. 2 NADC besteht zudem die Befugnis der Datenübermittlung über „relevante Informationen“ an die zuständige Staatsanwaltschaft oder an das Bundeskriminalamt „nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens …, soweit ein Verstoß gegen das Strafgesetzbuch, das Arzneimittel- oder Betäubungsmittelgesetz … nicht auszuschließen ist“. Bei einem „begründeten hinreichenden Verdacht auf einen Verstoß gegen das Arznei- oder Betäubungsmittelgesetz oder das Strafgesetzbuch (sind) die jeweilige Person zur Anzeige zu bringen.“

Datenspeicherung

Seit 2009 benutzt die WADA das webbasierte Online-Meldesystem „Anti Doping Administration and Management System(ADAMS), mit dem die Sportler ihren Meldepflichten nachzukommen haben.

Die Datenbank wird in Montreal/Kanada betrieben. ADAMS kann von denjenigen ADOs, die seine Nutzung wünschen, zumDatenaustausch verwendet werden. Das zu jedem Sportler in ADAMS geführte Profil enthält zwingend folgende Angaben: Testpool, Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Nationalität, Sportarten und Disziplinen, ADOs mit Zugriffsrechten. Über ADAMS laden die Sportler Angaben hoch zu Aufenthaltsort und Erreichbarkeit.

Die Speicherdauer der Daten zu Testplänen, Testergebnissen, medizinischen Ausnahmegenehmigungen und zugrunde liegenden Dokumenten und Aufzeichnungen beträgt „mindestens“ 8 Jahre, da in Art. 17 WADA-Code 8 Jahre als Zeitraum festgelegt sind, nach dem kein Verfahren mehr gegen einen Athleten oder eine andere Person wegen eines festgestellten Verstoßes eingeleitet werden darf.

Bzgl. Aufenthaltsort und Erreichbarkeit gilt eine Speicherfrist von 18 Monaten, da „jede Kombination aus drei versäumten Tests und/oder Meldepflichtversäumnisse innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten, die von den für den Athleten zuständigen ADOs festgestellt wurden … einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen dar(stellt)“ (Art. 2.4 WADA-Code).

Information der Öffentlichkeit

Die Benachrichtigung der Öffentlichkeit ist in Art. 14.3 NADC geregelt mit folgendem relevanten Wortlaut (Art. 14.3.2 S. 1): „Spätestens zwanzig (20) Tage, nachdem die Entscheidung ergangen ist, dass ein Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen vorliegt oder gegen die Entscheidung des Disziplinarorgans kein Rechtsmittel mehr eingelegt werden kann, soll … die Anti-Doping-Organisation die Entscheidung veröffentlichen“. Entsprechendes gilt für Entscheidungen, die im Rechtsbehelfsverfahren ergangen sind (Art. 14.3.2 S. 2).

Voraussetzung für die Information der Öffentlichkeit ist, dass „der Athlet oder die andere Person gemäß Art. 7.2, 7.3 oder 7.4 … benachrichtigt wurde.“ Hierbei handelt es sich um die Benachrichtigung über „von der Norm abweichende Analyseergebnissen“, „atypischen Analyseergebnissen“ sowie „anderen Verstößen gegen Anti-Doping-Bestimmungen“.

C. Datenschutzrechtliche Bewertung

Hinsichtlich der Datenverarbeitung durch die NADA sowie die nationalen Sportfachverbände gilt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Dies ist u. a. in Art. 1 Abs. 5 NADA-Datenschutzstandard ausdrücklich anerkannt.

Einwilligung

Nach § 4 Abs. 1 BDSG ist eine Datenverarbeitung zulässig, soweit dies gesetzlich erlaubt ist oder der Betroffene eingewilligt hat. Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist nach § 4a BDSG, dass diese freiwillig, informiert und gemäß gesetzlich definierten Voraussetzungen abgegeben wird. Da die Einwilligungserklärung Voraussetzung für die Teilnahme an bestimmten Wettkämpfen ist, ist insofern keine Freiwilligkeit gegeben. Die Betroffenen haben keinerlei Möglichkeit eines Alternativverhaltens oder einer Einflussnahme auf das von ihnen zu konsentierende Verfahren. Der Zwangscharakter der Einwilligungen zu der Datenverarbeitung im Rahmen der Meldungen wie der Dopingkontrollen ergibt sich auch aus den Sanktionen und sonstigen Konsequenzen, die sich für die Betroffenen ergeben, wenn sie sich weigern, bestimmten Verpflichtungen des Regelwerkes zu genügen.

Soweit es sich bei Profisportlern um Arbeitnehmer handelt, ist die Abgabe der Einwilligungserklärung nicht nur Voraussetzung für die Teilnahme an den Wettbewerben, sondern schon für die Beschäftigung, z B. bei einem Sportverein. Inwieweit Einwilligungen in Beschäftigungsverhältnissen datenschutzrechtlich zulässig sind, ist streitig. Ein aktueller Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Beschäftigtendatenschutzrecht sieht vor, dass nur unter eng definierten Voraussetzungen Einwilligungen in Beschäftigungsverhältnissen erlaubt sein sollen. In jedem Fall darf der Zugang zu einer beruflichen Tätigkeit nicht zwingend von Einwilligungen zu Datenverarbeitungen abhängig gemacht werden.

Für ihre Wirksamkeit muss eine Einwilligung jederzeit widerrufbar sein mit der Folge, dass von da an die weitere Datenverarbeitung unterbleibt. Gemäß Art. 5.2.1 NADC ist ein vorfristgemäßes Ausscheiden aus dem NADA-Testpool „nur unter den in dem Standard für Meldepflichten aufgeführten Umständen und nach entsprechender Mitteilung an die NADA möglich“. Art. 2.3 NADA-Meldepflichtenstandard sieht aber ein gewillkürtes Ausscheiden eines Athleten aus dem Testpool nicht vor.

Da es sich bei dem NADA-Regelwerk um allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt, unterliegen diese Regelungen einer AGB-Inhaltskontrolle nach § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Mangels Freiwilligkeit der Einwilligungserklärung kann eine personenbezogene Datenverarbeitung hierauf datenschutzrechtlich nicht begründet werden.

Gesetzliche Verarbeitungsgrundlage

Als Rechtsgrundlage für eine Datenverarbeitung kommt weiterhin § 28 BDSG in Betracht. Danach ist die Verarbeitung zulässig, wenn dies zur „für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist“ (§ 28 Abs. 1 S. 1 Art. 1), oder „soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt“ (§ 28 Abs. 1 S. 1 Art. 2).

Gemäß § 3 Abs. 9 BDSG unterliegen „besondere Arten personenbezogener Daten“ einem erhöhten Schutz. Dabei handelt es sich u. a. um Angaben über die Gesundheit oder das Sexualleben. Bei den Erhebungen im Rahmen von Dopingkontrollen werden Gesundheitsdaten erhoben. Nach § 28 Abs. 6-9 BDSG sind die Zwecke der Datenverarbeitung ohne eine ausdrücklich hierauf bezogene Einwilligung (§ 4a Abs. 3 BDSG) eng gesetzlich definiert (medizinische Diagnostik, Gesundheitsversorgung oder Behandlung, wissenschaftliche Forschung). Dopingbekämpfung ist als Zweck nicht vorgesehen und lässt sich auch unter keinen der gesetzlich genannten Zwecke subsumieren.

Da es sich bei den Beziehungen zwischen den Sportlern und der NADA bzw. den weiteren ADOs um monopolartige Beziehungen handelt, kann nicht von einer gleichgewichtigen rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Beziehung ausgegangen werden. Daher ist die NADA unabhängig von der Frage der Rechtsbeziehung zwischen Sportlern und NADA gezwungen, einen objektiven Interessenausgleich vorzunehmen.

Ein solcher Interessenausgleich kann eine Datenverarbeitung nach § 28 Abs. 1 S. 1 Art. 2 BDSG rechtfertigen. Es dürfte unstreitig sein, dass das Interesse, den Einsatz von Doping im Leistungs- und Wettkampfsport zu verhindern, ein berechtigtes Interesse ist, das die NADA und die ADOs für die Allgemeinheit wie für die Sportfachverbände verfolgen können.

Diesem berechtigen Interesse stehen schutzwürdige Datenschutzinteressen der betroffenen Sportler entgegen. Bei einer Abwägung der berechtigten und der schutzwürdigen Interessen sind die einzelnen Formen der Datenverarbeitung gesondert zu bewerten. 

Meldepflichten

Über die Meldepflichten entsteht bei den ADOs ein praktisch vollständiges Bild der stundengenauen Aufenthalte und Sozialkontakte des Sportlers (Bewegungs- und Sozialprofil). Möglichkeiten des privaten Rückzugs und ein Anspruch, in Ruhe gelassen zu werden, werden verwehrt. Der Sportler wird gezwungen, sein Leben jeweils drei Monate im Voraus minutiös zu planen und diese Planungen preiszugeben. Zugleich ist er zu einer Meldung jeder Planänderung verpflichtet. Die Eingriffstiefe dieser Meldepflichten ist äußerst hoch. Diese Meldepflichten sind in ihrer Detailliertheit und Vollständigkeit in der deutschen und europäischen Rechtsordnung einzigartig, sowohl im öffentlichen wie im nicht-öffentlichen Bereich.

Die Meldepflichten führen dazu, dass die Personen faktisch an der Wahrnehmung ihrer Freiheitsrechte gehindert oder zumindest massiv behindert sind bzw. werden können. Erfasst werden auch grundrechtlich besonders geschützte Aktivitäten, etwa die Teilnahme an einer Demonstration oder an einer politischen Versammlung, die Inanspruchnahme medizinischer Hilfe oder der Besuch eines Gottesdienstes. Urlaub ist nicht vorgesehen; auch während einer Urlaubszeit bzw. –reise bestehen uneingeschränkt die Meldepflichten.

Die Regelungen differenzieren nicht oder nur sehr pauschal nach der Doping-Relevanz des jeweiligen Sportart und dem Niveau, auf dem der Sport ausgeübt wird. Sie orientieren sich durchgängig ausschließlich an einer mutmaßlichen Effizienz der Maßnahmen, für die kein Beleg beigebracht wird, und nicht an der Erforderlichkeit und Angemessenheit des Anti-Doping-Systems.

Die Regelungen differenzieren nicht nach der Rolle der überwachten Person. Zwar steht bei den Regelungen der Athlet im Vordergrund. Erfasst werden können nach den Regelungen aber auch alle sonstigen Personen (Betreuer, Trainer, Ärzte, Partner), soweit deren Daten für die Dopingbekämpfung relevant sein können.

Die Meldepflichten betreffen nicht nur den Sportler selbst, sondern auch dritte Personen, bei denen sich dieser aufhält und die mit dem Dopingverfahren persönlich überhaupt nichts zu tun haben. Der Sportler ist gezwungen, deren personenbezogene Daten zu offenbaren. Hierfür hat er aber nach dem deutschen Datenschutzrecht keine hinreichende rechtliche Legitimation, wenn hierfür keine wirksame Einwilligung nach § 4a BDSG erteilt wurde.

Durchführung der Dopingkontrollen

Während der Dopingkontrolle vom Zeitpunkt der Benachrichtigung bis zum Ende der Probenahme, was mehrere Stunden dauern kann, befindet sich der Sportler unter einer Totalkontrolle des DCO bzw. des Chaperon. Hierzu werden keine Ausnahmen geduldet, etwa Kontakt zu Familie, Sexualpartner, Seelsorger, Arzt, sonstige berufliche oder soziale Vertrauensperson.

Diese Totalkontrolle erstreckt sich zumindest teilweise, etwa bei der Urinkontrolle, bis in den Intim- und Schambereich. Der direkte Blickkontakt bei der Entnahme der Urinkontrolle wird begründet mit der Zielsetzung, die Abgabe von Fremdurin zum Zweck der Täuschung zu verhindern. Es bleibt aber fraglich, ob diese hochinvasive und von manchen Menschen als entwürdigend empfundene Maßnahme für diesen Zweck geeignet, tatsächlich erforderlich und verhältnismäßig ist. Tangiert ist insofern nicht nur das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern direkt die in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Unantastbarkeit der Menschenwürde.

Die für Minderjährige vorgesehenen Schutzmaßnahmen sind nicht geeignet, die besonderen altersbedingten Belastungen für die Gruppe zu kompensieren. Es ist nicht bekannt, dass von Jugendlichen Versuche zur Abgabe von Fremdurin erfolgten.

Die Eingriffstiefe der Dopingkontrollen entspricht in anderen Lebensbereichen allenfalls hoheitlichen Maßnahmen im Bereich der Strafverfolgung oder im Bereich der Sicherheit von Justizvollzugsanstalten. Persönlichkeitsschützende Vorkehrungen, die in diesen Bereichen vorgesehen sind, sind bei Dopingkontrollen bisher nicht eingeführt.

Datenübermittlungen

Die rechtliche Grundlage für Datenübermittlungen innerhalb von Deutschland oder dem EU/EWR-Raum besteht in § 28 Abs. 1 S. 1 Art. 1 u. 2 BDSG (s.o.). Danach ist zu gewährleisten, dass die Übermittlung an den Adressaten für den zu erreichenden Zweck erforderlich ist und der Übermittlungsempfänger die datenschutzrechtlichen Anforderungen, also insbesondere dieZweckbindung der Daten beachtet.

Der NADA-Datenschutzstandard enthält aber keine verbindliche Festlegung einer Zweckbindung. Selbst der Zweck wird in Art. 3.1 pauschal mit „Durchführung von Anti-Doping-Maßnahmen“ beschrieben. Dabei wird keine Unterscheidung zwischen repressiven und präventiven Maßnahmen getroffen, auch die Wirkweise dieser Maßnahmen wird nicht ansatzweise näher festgelegt. Die Übermittlung ist nach Art. 6.1 NADA-Datenschutzstandard daran gebunden, dass die Übermittlung erforderlich ist, „damit die Anti-Doping-Organisationen, die die erforderlichen personenbezogenen Daten erhalten, ihren Verpflichtungen gemäß dem Code oder dem NADC und in Einklang mit geltenden Datenschutzgesetzen nachkommen können“. Angesichts der Weite der Pflichten nach dem Code stellt auch dies keine hinreichende Zweckbindung dar.

Die Übermittlung von Verdachtsdaten erfolgt zu einem Zeitpunkt, bei dem eine umfassende Sachverhaltsaufklärung und insbesondere eine Anhörung des Betroffenen noch nicht gewährleistet sind. Diese frühe Übermittlung ist oft nicht erforderlich und begründet die Gefahr einer unbegründeten bzw. unberechtigten Vorverurteilung.

Von den Datenübermittlungen sind in starkem Maße Gesundheitsdaten betroffen. Eine Übermittlung von solchen Gesundheitsdaten setzt nach den §§ 3 Abs. 9, 4a Abs. 3, 28 Abs. 6-9 BDSG eine wirksame Einwilligung der Betroffenen voraus. Eine solche Einwilligung wird nicht im konkreten Fall eingeholt. Selbst auf eine pauschale Einwilligung, die den rechtlichen Anforderungen ansatzweise genügen könnte (s. o.), wird verzichtet.

Nach § 4 Abs. 3 S. 1 BDSG ist der Betroffene bei einer Datenerhebung zu informieren über die Identität der verantwortlichen Stelle, Zweckbestimmung und die Kategorien der Empfänger, soweit der Betroffene nach den Umständen des Einzelfalls nicht mit der Übermittlung an diese rechnen muss (vgl. § 33 Abs. 1 BDSG). Eine solche Information ist auch Wirksamkeitsvoraussetzung für eine datenschutzrechtliche Einwilligung nach § 4a BDSG. Erfolgt keine entsprechendeBenachrichtigung des Betroffenen, so werden damit regelmäßig schutzwürdige Interessen i. S. d. § 28 Abs. 1 BDSG beeinträchtigt. Ein Sportler muss nicht damit rechnen, dass eine für ihn unüberschaubare Zahl ihm nicht bekannter ADOs Zugriff auf seine Daten nehmen kann. Dem Regelwerk der WADA bzw. NADA ist nicht zu entnehmen, dass insofern wirksame Zugriffsbeschränkungen bestehen (Art.-29-Datenschutzgruppe, WP 162, Ziff. 3.2.5).

Das Recht zur Übermittlung an eine ADO in einem Drittland ist nach den §§ 4b, 4c BDSG zu bewerten. Eine Übermittlung an eine Stelle in den Raum der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) ist wie eine Übermittlung innerhalb von Deutschland zu bewerten. Entsprechendes gilt für Drittländer, bei denen ein angemessenes Datenschutzniveau nach § 4b Abs. 3 BDSG festgestellt worden ist. Dies ist z. B. der Fall für die Schweiz und Kanada, wo sich der Sitz der WADA befindet. In diesem Zusammenhang muss aber darauf hingewiesen werden, dass für Kanada die Angemessenheit des Datenschutzes für das dortige Gesetz über personenbezogene Informationen und elektronische Dokumente (Personal Information Protection und Electronic Documents Act – PIPEDA) festgestellt wurde. Dieses Gesetz ist aber mangels kommerzieller Ausrichtung von ADAMS nicht auf diese Datenbank anzuwenden. Für die Sitzregion Quebec gibt es keine entsprechende Feststellung der Angemessenheit des Datenschutzniveaus.

Besteht kein angemessenes Datenschutzniveau im Empfängerland, so bedürfte es anderweitiger ausreichender Garantien hinsichtlich des Schutzes des Persönlichkeitsrechts und der Ausübung der damit verbundenen Rechte. Diese müssten von der zuständigen Aufsichtsbehörde nach § 4c Abs. 2 S. 1 BDSG genehmigt werden. Eine derartige Genehmigung ist nicht bekannt. Der WADA-Datenschutzstandard (ISPP) ist nicht geeignet, einen angemessenen Datenschutzstandard i. S. d. europäischen Datenschutzrechts sicherzustellen. So ist nicht ansatzweise gewährleistet, dass eine zweckändernde Datenweiterleitung unterbleibt. Ebenso wenig ist gewährleistet, dass eine unabhängige Kontrolle der Datenverarbeitung oder anderweitig die Wahrung der Betroffenenrechte sichergestellt wird (vgl. Art. 7.1 NADA-Datenschutzstandard).

Die Befugnis, Ergebnisse aus Dopingkontrollen an Behörden, insbesondere auch an Sanktions- und Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln, steht im Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Gebot, sich nicht selbst belasten zu müssen (Nemo-Tenetur-Grundsatz).  

Datenspeicherung

In Ermangelung einer Rechtsgrundlage für die Datenübermittlungen besteht eine solche auch nicht für die darauf folgenden Datenspeicherungen, insbesondere im System ADAMS. Hinsichtlich der Zeiträume für die Speicherung von 18 Monaten (Aufenthaltsort und Erreichbarkeit) bzw. 8 Jahren hat die Art.-29-Datenschutzgruppe festgestellt, dass diese zu lang bemessen sind (Ziff. 3.5 WP 162).

Information der Öffentlichkeit

Eine Veröffentlichung von Dopingkontrollergebnissen ist eine Datenübermittlung an einen unbestimmten Adressatenkreis. Damit ist eine Zweckbindung der Daten nicht mehr möglich. Die Daten sind in diesem Bereich besonders dazu geeignet, die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen massiv zu beeinträchtigen und darüber hinausgehend die gesamte sportlerischeExistenzgrundlage zu zerstören. Insofern kann diese Maßnahme nur verhältnismäßig sein, wenn eine umfassende Prüfung unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze und insbesondere unter Beachtung der Beschuldigtenrechte und nach Anhörung des Betroffenen erfolgt ist, und sich bei dieser Prüfung zumindest ein schwerer Verdacht eines wesentlichen Verstoßes ergab.

Diese Voraussetzungen werden nicht berücksichtigt: Schon ein geringer Verstoß kann eine Veröffentlichung auslösen. Zwar ist eine vorherige Benachrichtigung vorgesehen, diese kann aber kurz zuvor erfolgt sein, so dass keine adäquateReaktionsmöglichkeit des Betroffenen gesichert ist. Die Benachrichtigung bezieht sich auch nicht auf die Veröffentlichung, sondern lediglich auf die Feststellung eines angeblichen Verstoßes. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die in jedem Fall erfolgen müsste, ist nicht vorgesehen und prozedural nicht gewährleistet. Art. 14.3.2 sieht die Veröffentlichung nicht als den Ausnahmefall, sondern als den Regelfall an („soll … veröffentlichen“).

Die Art.-29-Datenschutzgruppe hat festgestellt, dass die Veröffentlichung von Verstößen gegen das Anti-Doping-Regelwerk im Internet unverhältnismäßig ist, weil es weniger einschneidende Maßnahmen gäbe, mit denen die gleichen Wirkungen (Abschreckung, Verhinderung einer unberechtigten Wettkampfteilnahme) erreicht werden könnten (z. B. ein „Zertifikat des guten Charakters“, weniger invasive Öffentlichkeitsarbeit, vgl. Ziff. 3.6 WP 162).

Sonstige datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen

Innerhalb der NADA, der WADA und den Sportfachverbänden besteht kein strukturiertes Datenschutzmanagement. Vorgesehen ist lediglich die Einrichtung – von in Deutschland gesetzlich ohnehin geforderten (§§ 4f, 4g BDSG) – betrieblichen Datenschutzbeauftragten (Art. 7.1 NADA-Datenschutzstandard). Es ist nicht einmal ausdrücklich vorgesehen, dass sich die Betroffenen an diesen wenden können. Aussagen zur staatlichen Datenschutzaufsicht fehlen völlig. Ein adäquates Beschwerdesystem ist, soweit bekannt, bisher nicht eingerichtet. Ebenso fehlt es an strukturierten Verfahren bei datenschutzrechtlich relevanten Abläufen (z. B. bei Übermittlung falscher und unzulässiger Daten), an geklärten Verantwortlichkeiten, an klaren Freigabeprozeduren, an Kontroll- und Audit-Maßnahmen sowie an einem Berichtswesen.

D. Datenschutzpolitische Diskussion

Das Regime von NADA und WADA wird in der Öffentlichkeit und bei den Betroffenen unterschiedlich bewertet. So wird die Dopingkontrolle von den Fußballverbänden (Weltfußballverband FIFA) Europäischer Fußballverband UEFA, Deutscher Fußballbund DFB) als übertrieben angesehen. Prominente Sportler kritisieren die praktizierte Dopingmelde- und -Testpflicht, z. B. der Tennisspieler Rafael Nadal: „Wir fühlen uns durch die Meldepflicht wie Kriminelle. Das ist Verfolgungswahn und nicht fair. … Ich bin der Erste, der einen fairen und vollkommen sauberen Wettbewerb will. … (Aber) es ist besonders im Tennis besonders schwierig zu sagen, wo man sich am nächsten Tag aufhält“. Die Fußballspieler Michael Ballack und der Stabhochspringer Danny Ecker kritisierten „unannehmbare Einschränkungen der persönlichen Freiheit“. Die britische Ruderin Annie Vernon wies darauf hin, dass die Regelungen weit in ihre Intimsphäre eindringen (de.wikipedia.org Stichwort „World Anti-Doping Agency 28.06.2011 m.w.N.).

Die zuständigen Sportfunktionäre weisen die Kritik zurück. WADA-Generaldirektor David Howman sprach bei der Kritik an ADAMS von „Berührungsängsten“ mit einer neuen Technologie. DOSB-Präsident Thomas Bach konzedierte zwar, dass das System „Athleten einiges zumutet“ und nicht perfekt sei. Das Meldesystem sei aber „freiwillig“ und auf Leistungssportler beschränkt. Die schweigende Mehrheit der Athleten sei für dieses System. Der Chef der WADA John Fahey meinte, rigoroses flächendeckendes Testen sei das beste Mittel gegen Doping und habe einen hohen Abschreckungseffekt.

Das Koordinierungsforum der WADA (CAHAMA) und die Monitoring Group des Europarats-Übereinkommens gegen Doping sowie Arbeitsgruppen zu rechtlichen und wissenschaftlichen Fragestellungen beraten im Rahmen des Europarats die Kompatibilität des ISPP mit dem europäischen Datenschutzrecht (Deutscher Bundestag, Unterrichtungen durch die Bundesregierung BT-Drs. 17/5987 u. 5988, S. 9 bzw. 11).

Am 12.05.2011 veröffentlichte die UNI Global Union die Studie

„Adverse Analyzing“ – a European Study of Anti Doping Organization Reporting Practices and the Efficacy of Drug Testing Athletes

Daraus ergibt sich, dass bei der WADA wenige bis keine Untersuchungen durchgeführt wurden, um die Wirksamkeit der praktizierten Anti-Doping-Kontrolle zu erkunden. Die angewendeten Verfahren beruhen nicht auf statistisch überprüfbaren Fakten. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bisher aufgedeckte Doping-Verstöße sich auf wenige Sportarten und Länder konzentrieren. Von den 445 festgestellten Verstößen bezögen sich 207 alleine auf Belgien. Die 445 Verstöße stammten zu 49,7% aus 5 Sportarten: Kraftdreikampf, Gewichtheben, Rugby, Radsport und Bodybildung. Nur 11 von insgesamt 49 nationalen ADOs in Europa würden den Transparenzanforderungen des WADA-Codes genügen. Die Wirksamkeit der Meldepflichten können gemäß der Studie mangels verfügbarer Daten überhaupt nicht bewertet werden. Schon auf der beschränkten Datenbasis kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit der Dopingtests fraglich und in jedem Fall unverhältnismäßig ist. Im Hinblick auf die Wahrung der Menschenrechte der Sportler sei die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Rechtmäßigkeitsanforderungen nach nationalem Recht von zentraler Bedeutung. Die Studie fordert eine standardisierte Berichterstattung über das Doping-Kontrollsystem und die Herstellung eines Gleichgewichtes zwischen Öffentlichkeit und Datenschutz.

E. Ein datenschutzpolitischer Vorschlag

Die Bekämpfung von Doping ist sicherlich berechtigt. Das aktuelle Anti-Doping-System greift jedoch in gravierender Weise in die Persönlichkeitsrechte der Sportler ein. Es bedarf dringend einer klaren, demokratisch legitimierten gesetzlichenEingriffsgrundlage, die für alle Beteiligten hinreichend transparent ist und zugleich Rechtssicherheit schafft. Die datenschutzrechtlichen Probleme stellen sich bei der WADA-Datenverarbeitung, v. a. über ADAMS, wie auch auf nationaler Ebene durch die NADA, die nationalen ADOs und den damit verbundenen Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (RIS) bei Aufenthaltsmeldungen, Doping-Kontrollen, bei internationaler Datenweitergabe an andere Anti-Doping-Organisationen (ADOs), der langfristige Lagerung von Proben und bei der Veröffentlichung von Doping-Verstößen.

Dem Staat kommt im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine Schutzfunktion zu. Der Staat ist insbesondere dort verpflichtet, regulierend oder intervenierend tätig zu werden, wo ein Selbstschutz durch die Betroffenen überhaupt nicht oder nur schwer möglich ist. Das ist hinsichtlich der weltweit erfolgenden Doping-Kontrollen der Fall. Hinzu kommt, dass das ein Thema von hoher sozialpolitischer Relevanz ist. Dies ist zweifellos beim Sport und der dort nötigen Doping-Bekämpfung der Fall, wie die NADA auf ihrer Webseite bestätigt:

„Der Sport vermittelt Grundwerte, die in der Gesellschaft von elementarer Bedeutung sind.  In kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich werden Werte wie Toleranz, das Prinzip der Chancengleichheit, das Leistungsprinzip und der Grundsatz der Fairness so konsequent vorgelebt, praktiziert und eingeübt wie im Sport.“

http://www.nada-bonn.de/nada/

Es ist geradezu unerträglich, dass in einem derart sensiblen Bereich die Persönlichkeitsrechte von Sportlern so missachtet werden. Verantwortlich sind hierfür zunächst die ADOs, allen voran die WADA und die NADA. Verantwortlich sind aber auch die Politik, die Verwaltung und der Gesetzgeber, wenn diese die Datenschutzverstöße unkommentiert hinnehmen.

Da es sich um ein weltweites System und ein weltweites Problem handelt, kann eine grundlegende Besserung nur international erfolgen, z. B. durch völkerrechtliche Regelungen. Diese in Angriff zu nehmen, ist wiederum Aufgabe der Politik, der Bundesregierung und des Gesetzgebers.

Solange eine befriedigende multilaterale Lösung nicht realisierbar ist, ist es für den deutschen Gesetzgeber geboten, national zu handeln und zumindest im Einflussbereich des deutschen Rechts grundrechtskonforme Verhältnisse anzustreben. Hierzu wird der Erlass eines Gesetzes zum Anti-Doping-System vorgeschlagen, das zugleich die Persönlichkeitsrechte der Sportlerinnen und Sportler schützt.

In einem solchen Gesetz sollten nicht nur die Pflichten von Sportler geregelt werden, sondern auch diejenigen von Trainern, Verbänden, Funktionären, (betreuenden) Ärzten und weiteren verantwortlichen Personen. Diese aus Sicht des ULD zu wünschende gesetzliche Eingriffsgrundlage in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht zu verwechseln mit dem in der Vergangenheit immer wieder geforderten Anti-Doping-Gesetz, dessen Regelungsschwerpunkt in der Erweiterung der Strafbarkeit von Doping-Tatbeständen liegt. Selbstverständlich könnten beide Überlegungen miteinander verbunden werden, ohne dass dies aber zwingend wäre. Vorrangige Zielsetzung muss sein, dass das gegenwärtige Anti-Doping-System abgelöst wird und die damit verbundenen weitgehenden Eingriffe in die Rechte der Athleten mit massiven Grundrechtsverletzungen ein Ende finden.

Sinnvoll wäre ein transparentes Beirats-Verfahren, bei dem - unter Beteiligung und maßgeblicher Einbeziehung der Sportler-Vertretung - die jeweiligen Kontroll-Verfahren, die erfassten Doping-Methoden und -Mittel sowie sonstige Festlegungen in Konkretisierung der allgemeinen gesetzlichen Regelungen vorgenommen werden.

Aus Datenschutzsicht geregelt werden könnte und müsste:

  • Wer sind die Betroffenen und Beteiligten?
  • Welche Tests werden vorgenommen (allgemein, Konkretisierung in dem transparenten Beiratsverfahren)?
  • Welche Datenverarbeitungen sind erlaubt (einschließlich Übermittlungen ins Ausland und Lagerfristen)?
  • Betroffenenrechte (Auskunft, Benachrichtigung, Datenkorrektur, Einwilligung, Widerspruch, Gegendarstellung)
  • Kollektivrechte der Sportler-Vertretung
  • Rechtsbehelfsmöglichkeiten.

Diese gesetzliche Regelung sollte so flexibel sein, dass sie mit den aktuellen WADA-Strukturen zumindest im Ansatz in Einklang gebracht werden können.

Kurzfristig und evtl. als Vorarbeit für ein Gesetz könnte von der NADA eine Verhaltensregel nach § 38a BDSG erarbeitet werden, die dann vom insofern zuständigen Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) gebilligt werden könnte.

Mittelfristig sollte aber ein internationales Abkommen erarbeitet werden, in dem nicht auf nationaler, sondern auch globaler Ebene die o. g. Fragen geklärt werden. Hierfür könnte eine nationale Regelung Vorbild sein. Entsprechende Bestrebungen sind in die UNO sowie über den Europarat möglich. Ein möglicher auch regional begrenzter, aber zugleich weltweit stilbildender Regelungsansatz kann über die Gremien der Europäischen Union (EU) verfolgt werden.

Das derzeitige Anti-Doping-System hat sich in Reaktion auf Ereignisse im Wettkampfsport teils wildwüchsig entwickelt, ohne dass die Kontrollverfahren eine strukturierte durchdachte Systematik aufweisen. Es bestehen Zweifel, dass das System ausreichend effektiv und vor allem verhältnismäßig ist, um die gegenwärtigen Eingriffe zu rechtfertigen. Es ist deshalb notwendig, eine geordnetere rechtsstaatliche und grundrechtskonforme Struktur zu finden und umzusetzen.

 

Mainz/Kiel 26.07.2011

Edgar Wagner, Thilo Weichert