Montag, 15. Januar 2001

Verwahrung von Patientenakten nach Auflösung einer Arztpraxis durch Tod

Wie ist im Falle des Todes eines Arztes mit den Patientendaten zu verfahren? Was haben Erben zu beachten, und wie verhält es sich, wenn keine Erben vorhanden sind? Der vorliegende Beitrag erläutert diese Fragen aus rechtlicher Sicht und gibt Erben eine erste Hilfestellung.

Im Falle des Todes eines Arztes stellt sich die Frage nach der Aufbewahrung der Patientendaten. Datenschutzrechtliche Fragen treten zumindest dann auf, wenn die nach der Berufsordnung der Ärzte oder anderen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Aufbewahrungsfrist hinsichtlich der Daten noch nicht abgelaufen ist (z. B. § 10 Abs. 3 Berufsordnung Ärztekammer Schleswig-Holstein - BO ÄK SH: 10 Jahre). In diesen Fällen steht die auch im Interesse der Patienten geltende Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht einer Vernichtung der Unterlagen und damit der Löschung der Patientendaten entgegen.

Bei der Beantwortung der Frage nach der rechtlich korrekten Handhabe bezüglich der Daten bzw. Unterlagen sind grundsätzlich zwei Konstellationen zu unterscheiden:

  • Erbe/n ist/sind vorhanden
  • Erbe/n ist/sind nicht vorhanden.

1.   Ist ein Erbe vorhanden, stellt sich die Rechtslage folgendermaßen dar:

Obgleich der Erbe nicht der Berufsordnung der Ärzte unterliegt, hat er den einem Arzt obliegenden Aufbewahrungs- und Obhutspflichten zu entsprechen. Diese Nebenpflichten aus dem Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patienten gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben über und sind von diesem als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 1967 BGB zu erfüllen. Dem Erben steht es frei, ob er die Daten selber verwahren oder in anderweitige gehörige Obhut geben möchte.

Verwahrt er die Daten selbst, darf er bei berechtigten Anlässen Einsicht in die Patientendaten nehmen. So hat er eventuellen Auskunftsansprüchen nachzukommen, indem er den Patienten Einsicht in ihre Unterlagen gewährt oder entsprechende Kopien erstellt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 Strafgesetzbuch (StGB) nach dem Tode des Arztes nicht untergeht. Vielmehr ist nach § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB auch der Erbe zur Beachtung des beruflichen Geheimnisses verpflichtet. Der Gesetzgeber geht von einem Fortwirken der besonderen Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patienten aus, die nach dem Tode des Arztes durch dessen Erben gewährleistet werden muss.

Gibt der Erbe die Patientenunterlagen in anderweitige Obhut, bedarf es zunächst keiner Einwilligung des Patienten, da durch das bloße "in Obhut geben" noch keine Einsichtnahme durch den Verwahrer erfolgt.   Der Wortlaut der BO ÄK SH ist diesbezüglich eindeutig. Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 ist die Einwilligung des Patienten erst dann einzuholen, wenn der Arzt, in dessen Obhut die Daten gegeben werden (bzw. - im Falle einer Erbschaft - derjenige, in dessen Obhut die Daten gegeben werden), in die Daten einsehen oder diese wiederum weitergeben will.

2.   Sind keine Erben vorhanden oder wird die Erbschaft ausgeschlagen, fallen die Patientendaten einschließlich der Pflichten in Bezug auf die Patientendokumentation dem Staat zu. Er hat somit dafür Sorge zu tragen, dass die Daten ordnungsgemäß verwaltet werden bzw. in gehörige anderweitige Obhut gegeben werden. In den meisten Fällen wird diese Aufgabe durch die jeweils zuständige Ärztekammer wahrgenommen, die die Daten gegen Erhebung einer einmaligen Gebühr archiviert und verwaltet.

Ähnlich ist die Handhabe im Falle der "faktischen Herrenlosigkeit" von Patientendaten, d.h. wenn grundsätzlich zwar Erben vorhanden sind, diese sich jedoch nicht um die ordnungsgemäße Verwahrung der Daten kümmern. Erlangt die Ärztekammer von derartigen Vorfällen Kenntnis, nimmt sie die Daten in ihre Obhut. Da das Eigentum an den Patientendokumentationen dem gesetzlichen Erben zusteht, können die Daten (sei es in Akten- oder EDV-Form) jedoch nicht endgültig an die Patienten bzw. den die Behandlung fortsetzenden Arzt herausgegeben werden. Vielmehr wird einem Auskunftsersuchen eines Patienten dergestalt entsprochen, dass diesem die Akten/Datenträger zur Einsicht mit der Bitte um Rückgabe zur Verfügung gestellt werden.

Empfehlung für Erben

Erben von Patientendaten wird empfohlen, sich zum Zwecke einer Beratung hinsichtlich des zukünftigen Umgangs mit den Daten mit der Ärztekammer in Verbindung zu setzen. Die Ansprechpartnerin bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein – Frau Russow – ist telefonisch unter der Nummer 04551-803-131 zu erreichen.