Dienstag, 7. Januar 2020

Ist es zulässig, eine Vielzahl gleichlautender IZG-SH-Anträge bei verschiedenen informationspflichtigen Stellen einzureichen?

In der Praxis kommt es durchaus vor, dass die antragstellende Person einen IZG-SH-Antrag, der auf jeweils die gleichen Informationen gerichtet ist, bei verschiedenen informationspflichtigen Stellen stellt. Fraglich ist, ob ein derartiges Vorgehen zulässig, oder als „offensichtlich rechtsmissbräuchlich“ zu werten ist (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 1 IZG-SH).

Das Gesetz selbst enthält keine Definition darüber, wann von einer offensichtlichen Rechtsmissbräuchlichkeit auszugehen ist. In der Rechtsprechung sind dazu zwei Fallgruppen entwickelt worden, nämlich der sog. behörden- und der verwendungsbezogene offensichtliche Missbrauch der Antragstellung (VG Neustadt a.d. Weinstraße, Urteil vom 21.09.2015, 4 K 146/15.NW; OVG Koblenz, Urteil vom 30.01.2014, 1 A 10999/13.OVG). Für die Beantwortung der o.g. Frage ist der behördenbezogene offensichtliche Missbrauch näher zu betrachten. Von einem behördenbezogenen offensichtlichen Rechtsmissbrauch ist auszugehen, wenn der Antrag ausschließlich zu dem Zweck gestellt wurde (und dazu geeignet ist), die Arbeitskraft der informationspflichtigen Stelle zu binden bzw. wenn die antragstellende Person bereits über die begehrten Informationen verfügt (vgl. VG Neustadt a.d. Weinstraße, Urteil vom 21.09.2015, 4 K 146/15.NW; OVG Koblenz, Urteil vom 30.01.2014, 1 A 10999/13.OVG; OVG Schleswig, Urteil vom 06.12.2012, 4 LB 11/12, Tz. 53; Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 16/722 (zum UIG SH), Seite 34 (zu § 7 Abs. 1 Nr. 2); Drs. 17/1610, Seite 24 (zu §§ 9, 10)).

I.

Daraus folgt, dass das Vorgehen der antragstellenden Person, einen gleichlautenden IZG-SH-Antrag bei verschiedenen informationspflichtigen Stellen einzureichen, dann als behördenbezogener offensichtlicher Missbrauch zu werten ist, wenn die informationspflichtige Stelle nachweisen und begründet darlegen kann, dass die antragstellende Person die Anträge einzig aus der Motivation heraus streut, den Verwaltungsablauf durch Binden der Arbeitskraft zu verzögern. Diesen Nachweis zu führen, ist in der Praxis nahezu unmöglich – insbesondere vor dem Hintergrund, dass die antragstellende Person den Antrag nicht begründen und damit die Motivation auch nicht darlegen muss (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 06.12.2012, 4 LB 11/12, Tz. 53).

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass ein IZG-SH-Antrag grundsätzlich nicht aus dem Grunde als offensichtlich rechtsmissbräuchlich zu werten ist, weil er bei mehreren informationspflichtigen Stellen gestellt worden ist. Diese Einschätzung vertritt explizit das OVG Schleswig in seinem Beschluss vom 10.07.1996, 4 L 222/95, Tz. 31 (noch zur früheren Rechtslage) und führt dazu aus:

„[…] Der Senat vermag zunächst weder der Auffassung des Beklagten noch der des Verwaltungsgerichts zu folgen, der Antrag sei rechtsmissbräuchlich i.S. § 7 Abs. 3 UIG gestellt […]. Offensichtlich rechtsmissbräuchlich i.S. v. § 7 Abs. 3 UIG wäre der Antrag nur dann, wenn der Kläger bereits über die entsprechenden Daten verfügte. Dies ist nicht allein deswegen der Fall, weil er einen entsprechenden Antrag bei der Stadt gleichzeitig mit dem hier streitigen gestellt hat. § 7 Abs. 3 UIG verbietet es nicht, einen Antrag auf Übersendung von Informationen gleichzeitig an zwei Behörden zu stellen, wenn diese Informationen bei beiden Behörden vorhanden sind. […]“

Grundsätzlich sind die Informationen daher (bei Fehlen anderer Ausschlussgründe nach §§ 9, 10 IZG-SH) zu erteilen.

II.

Wird eine Vielzahl von (gleichlautenden) IZG-SH-Anträgen gestellt, kann sich im Einzelfall ferner die Frage ergeben, ob ein behördenbezogener offensichtlicher Missbrauch zu bejahen ist, wenn die antragstellende Person weiterhin die Informationen fordert, obwohl ihr diese bereits vorliegen. Zur Beantwortung dieser Frage sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden:

  1. Fallkonstellation:

    Zunächst ist die Situation zu bewerten, in der die antragstellende Person sich nur an eine informationspflichtige Stelle wendet, die Informationen in der begehrten Form erhält und diese im Nachgang zu diesem Informationszugang nochmals - in einer anderen Form - von dieser Stelle übermittelt haben möchte (z.B. neben bereits erteilten Kopien auch in digitaler Form).

    Die zuvor genannte Rechtsprechung und die Gesetzesmaterialien bejahen einen behördenbezogenen offensichtlichen Missbrauch in diesem Kontext dann, wenn der antragstellenden Person die erbetenen Informationen bereits vorliegen (s.o). Streitig ist, ob es zur Bejahung des Ausschlusses nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 IZG-SH in diesem Sinne ausreicht, dass die beantragten Informationen generell bereits erteilt worden sind (vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 17/1610, S. 24, 25 i.V.m. Drs. 16/722, S. 34; OVG Koblenz, Urteil vom 30.01.2014, 1 A 10999/13.OVG, Ziffer I 2b.aa; wohl auch OVG Schleswig, Beschluss vom 10.07.1996, 4 L 222/95, Tz. 31; vgl. auch BT.-Drs. zum UIG (Bund) 15/3406, S. 19), oder ob es erforderlich ist, dass die Informationen bereits in der begehrten Form vorliegen (OVG Schleswig, Urteil vom 06.12.2012, 4 LB 11/12, Rn. 53).

    Das ULD vertritt die Auffassung, dass es für die Annahme eines behördenbezogenen offensichtlichen Missbrauchs ausreichend ist, wenn die begehrten Informationen der antragstellenden Person bereits generell vorliegen und diese bei derselben informationspflichtigen Stelle dennoch den Antrag stellt, die Informationen auch in anderer Form zu erhalten. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass diese Wertung nur für den Fall gilt, dass die antragstellende Person die Informationen in der zunächst begehrten Form erhalten hat und anschließend mit einem weiteren Antrag eine andere Form der Informationserteilung begehrt. Verhält es sich demgegenüber so, dass die informationspflichtige Stelle die Informationen in anderer Form, als von der antragstellenden Person begehrt, erteilt hat, ohne dass ein wichtiger Grund gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 IZG-SH vorliegt, ist dieses Vorgehen der informationspflichtigen Stelle unzulässig; die antragstellende Person hat in diesem Fall das Recht, eine andere Form der erteilten Informationen – nämlich die bereits beantragte – zu fordern.
     
  2. Fallkonstellation:

    Davon zu unterscheiden ist die Situation, dass die antragstellende Person gleichlautende Anträge bei mehreren informationspflichtigen Stellen stellt, von einer informationspflichtigen Stelle die Informationen erhält, jedoch dennoch auch von den anderen informationspflichtigen Stellen nach wie vor die Informationen begehrt.

    Das OVG Schleswig führt dazu in dem o.g. Beschluss in unmittelbarem Anschluss an die bereits zitierte Passage aus:

    „[…] Eine Ablehnung eines dieser Anträge als rechtsmissbräuchlich kommt nur dann in Betracht, wenn – ggf. aufgrund eines Erfolges des anderen – der Antragsteller über die begehrten Daten bereits vor Entscheidung über diesen Antrag verfügt.“

    Das ULD sieht diese Einschätzung des Gerichts kritisch. Nach dieser Wertung wäre die Frage, ob Anträge als rechtsmissbräuchlich einzustufen sind, im Wege einer „rückwirkenden Betrachtung“ danach zu beurteilen, ob, wie und wann eine der angesprochenen informationspflichtigen Stellen reagiert.

    Bedenken gegen diese Wertung des OVG Schleswig ergeben sich auch, wenn sowohl die aktuellere Entscheidung des OVG Schleswig vom 06.12.2012 als auch die Gesetzesmaterialien (Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 16/722, Seite 34) herangezogen werden. Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass ein rechtsmissbräuchliches Verhalten lediglich dann anzunehmen sein kann, wenn die antragstellende Person zum Zeitpunkt der Antragstellung schon über die erbetenen Informationen verfügt.

    In den Gesetzesmaterialien (Drs. 16/722, Seite 34) wird dazu ausgeführt:

    „[…] Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe a betrifft offensichtlich rechtsmissbräuchlich gestellte Anträge. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Antrag stellende Person bereits über die beantragten Informationen verfügt […].“

    In dem Urteil des OVG Schleswig vom 06.12.2012, 4 LB 11/12, Tz. 53, wird in Übereinstimmung dazu aufgeführt:

    „[…] Rechtsmissbräuchlich könnte ein Begehren etwa dann sein, wenn […], oder wenn sämtliche begehrte Informationen ohnehin schon in der begehrten Form beim Antragsteller vorhanden sind. […]“

    Weitergehend könnte in diesem Sinne wie folgt argumentiert werden: Das IZG-SH ist u.a. darauf ausgelegt, die Transparenz bei den Verwaltungen zu fördern (vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 14/2374, Seite 11; VG Schleswig, Urteil vom 25.03.2015, 8 A 8/14, Tz. 71). Die Tatsache, dass die antragstellende Person die Informationen von einer der angesprochenen informationspflichtigen Stelle erhalten hat, sagt nichts darüber aus, wie die anderen informationsflichtigen Stellen im Zusammenhang mit diesen Informationen verfahren sind. Um das Verwaltungshandeln bei den einzelnen informationspflichtigen Stellen nachvollziehen zu können, kann die antragstellende Person nach Auffassung des ULD nach wie vor auch gegenüber den anderen angerufenen Stellen an dem Antrag festhalten. Diese grundsätzliche Bewertung kann im Einzelfall jedoch anders ausfallen, wenn einzelfallspezifische Umstände vorliegen, die einer anderen Bewertung zugänglich sind. Dies kann z.B. auf Grund des Inhaltes der erbetenen Informationen der Fall sein. Wenn z.B. ein Vertrag (ohne weitergehende Informationen zum behördlichen Handeln) verlangt wird, dürfte mit der Aushändigung des Vertrages durch eine der angerufenen informationspflichtigen Stellen das Ansinnen befriedigt sein, so dass ein Festhalten gegenüber den anderen informationspflichtigen Stellen als offensichtlich rechtsmissbräuchlich zu erachten sein könnte.

    Zu berücksichtigen ist aber in jedweder Fallkonstellation, dass die Ausschlussgründe (§§ 9, 10 IZG-SH) restriktiv zu handhaben sind und die Annahme eines offensichtlichen Rechtsmissbrauches die Ausnahme bildet und daher im Zweifelsfall zu verneinen ist. Sollte auf Grund der vorliegenden Einzelfallumstände jedoch ausnahmsweise von einer offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Antragstellung auszugehen sein, muss diese  nachweisbar sein und für die antragstellende Person (und notfalls auch für das Gericht) in nachvollziehbarer und nachprüfbarer Weise begründet dargelegt werden (unter Wertung der maßgebenden einzelfallbezogenen Umstände) – einschließlich der Erwägungen zur Interessenabwägung.